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Aus Wissenschaft und ForschungHA 13/24: Die DEGAM informiert

Auf diesen Seiten stellt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) neueste medizinische Erkenntnisse vor, die für den Praxisalltag der Hausärztinnen und Hausärzte relevant sind.

Was tut sich in Wissenschaft und Forschung?

Antibiotikaverordnung in den ersten Berufsjahren

Viele Interventionen, die entwickelt werden, um das Verordnungsverhalten von Antibiotika zu verändern, bringen nur wenig oder gar keine Verhaltensänderung. Dass Gewohnheiten schwer zu ändern sind, scheint auch hier zuzutreffen. Daher lohnt es sich, das Verordnungsverhalten zum Berufsstart – wenn oder bevor sich Gewohnheiten entwickeln – näher zu betrachten.

Ein systematischer Review fasste 41 Studien (überwiegend aus Europa, Nordamerika und Australien) zusammen, die Antibiotikaverordnungsraten bei “banalen” Infekten von Hausärztinnen und Hausärzten in den ersten zehn Berufsjahren untersuchten. Die Verordnungsraten variierten stark, zum Beispiel bei Bronchitis: von 5 Prozent in Schweden bis zu 73 Prozent in Australien.

27 Studien untersuchten eine Abhängigkeit von der Berufsdauer, davon fanden 17 bei Berufsanfängern eine niedrigere Verordnungsrate. Eine Studie fand eine niedrigere Verordnungsrate, wenn ein Arzt oder eine Ärztin in Weiterbildung in der Sprechstunde anwesend war, eine andere fand eine um 22 Prozent niedrigere Rate in Lehrpraxen.

Als Grund für das angemessenere Verordnungsverhalten wurde diskutiert, dass Berufsanfänger sich eher an Leitlinien orientieren – oder auch noch bereit sind und mehr Zeit haben, mit Patientinnen und Patienten zu diskutieren.

Fazit: Der Review zeigt, dass international hausärztliche Berufsanfänger weniger unnötige Antibiotika verordnen als erfahrene Hausärzte. In einzelnen Studien wurde auch Lehre und Weiterbildung in Praxen untersucht und war mit niedrigeren Verordnungsraten assoziiert.

Baillie EJ, Merlo G, Van Driel ML, Magin PJ, Hall L. Early-career general practitioners’ antibiotic prescribing for acute infections: a systematic review. J Antimicrob Chemother, 2024. PMID: 38252922; doi 10.1093/jac/dkae002

Blutdruckmessung im Kiosk

In Nordschweden gibt es Blutdruckkioske, die eine selbstständige Blutdruckmessung ermöglichen und so die Patientenautonomie fördern. Eine Studie untersuchte nun, inwieweit diese Messwerte vergleichbar mit einem 24-h-Blutdruckprofil oder einem in der Praxis gemessenen Blutdruckwert sind. 124 Erwachsene, bei denen eine Blutdruckmessung indiziert war, wurden in die Studie eingeschlossen. Sie führten alle Kioskmessungen selbst durch und erhielten außerdem ein 24-h-Blutdruckprofil, ärztliche Blutdruckmessungen und Messungen durch Pflegepersonal. Die Reihenfolge der Messungen wurde randomisiert unterschiedlich durchgeführt.

Die 24-h-Messung galt als Referenzwert, die Kioskwerte waren im Durchschnitt 6 mmHg systolisch und 8 mmHg diastolisch höher, der durch Pflegepersonal gemessene Wert war systolisch vergleichbar (+2 mmHg) und diastolisch im Durchschnitt 7 mmHg höher. Am höchsten war der ärztlich gemessene Wert (+8 mmHg systolisch, +6 mmHg diastolisch).

Mit einem Schwellenwert von 140/90 mmHg für erhöhte Blutdruckwerte waren die selbstgemessenen Kioskwerte diagnostisch vergleichbar mit den von Pflegepersonal gemessenen (Sensitivität circa 70 Prozent, falsch-positive Werte von 15-20 Prozent).

Fazit: Die Studie verglich selbstgemessene Werte in einem Blutdruckkiosk mit 24-h-Messungen und Praxismessungen. Die Werte waren nicht vergleichbar mit der deutlich aufwendigeren und für Betroffene oft unangenehmen Langzeitmessung, könnten aber die durch Pflegpersonal gemessenen Werte ersetzen. Ärztlich gemessene Werte waren diagnostisch am wenigsten aussagekräftig.

Nilsson G, Lindam A. A comparative trial of blood pressure monitoring in a self-care kiosk, in office, and with ambulatory blood pressure monitoring. BMC Cardiovasc Disord. 2024 Jan 3;24(1):27. PMID: 38172659; PMCID: PMC10765747. doi 10.1186/s12872-023-03701-1

Best of Leitlinien

4 Fragen an Priv.-Doz. Dr. Johannes Just, Hausarzt in Bonn. Er forscht zudem an der Universität Witten/Herdecke zur angemessenen Arzneimitteltherapie bei chronischen Schmerzen.

Was ist Ihre Lieblingsleitlinienempfehlung?

Meine Lieblingsempfehlung steht in der S1-Leitlinie “Chronischer nicht tumorbedingter Schmerz” der DEGAM: “Patientinnen und Patienten mit CNTS sollten regelmäßig auf Angst und Depression gescreent werden.” Meine Lieblingsempfehlung ist es deshalb, weil chronische Schmerzen immer multifaktoriell sind, auch wenn oft initial ein körperlicher Auslöser bestand.

Dieser ist im Verlauf der Chronifizierung aber häufig nicht mehr nachweisbar – daher ist auch eine multimodale Therapie notwendig. Dazu findet sich in der Leitlinie auch meine zweite Lieblingsempfehlung: ” Körperliche Aktivität ist die Basis einer evidenzbasierten Therapie.” Und das wiederum ist oft schwierig, wenn eine Depression besteht – dann kann man Patientinnen und Patienten nicht wirklich gut zur körperlichen Aktivität ermuntern.

Was macht es außerdem schwierig, diese Empfehlungen umzusetzen?

Die nichtmedikamentöse Therapie wird oft stiefmütterlich behandelt, weil man dafür reden und erklären und Verordnungen ausstellen muss, es also einige Zeit in Anspruch nimmt. Da ist es oft einfacher, ein BTM-Rezept auszugeben – etwas, das viele Patientinnen und Patienten auch erwarten.

Depressive Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen sind oft in einer depressiven Resignation gefangen und fordern deshalb meist auch nicht mehr ein als nur ein Wiederholungsrezept, weil sie die Hoffnung auf eine Besserung bereits aufgegeben haben. Hier gilt es anzusetzen.

Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um?

Wir haben in unserer Praxis unsere MFA gebeten, alle Patienten, die eine Dauertherapie mit Opioiden bekommen, im nächsten Quartal für ein Gespräch einzubestellen. In diesem Gespräch haben wir von ärztlicher Seite versucht, erneut zu Aktivität zu motivieren.

Auch haben wir lieber funktionelle Therapieziele mit den Patienten vereinbart als Schmerzreduktion oder Schmerzfreiheit anzustreben – also zum Beispiel einem Hobby wieder besser nachgehen zu können.

Wie gut hat das geklappt?

Wir waren überrascht, dass es letztendlich gar nicht so viele Patienten waren, in unserer Praxis circa zehn pro Arzt und Quartal – das war für alle gut machbar. Als Ergebnis haben wir in vielen Fällen Opioide reduzieren und funktionelle Ziele oft gut erreichen können – und damit eine bessere Lebensqualität für die Betroffenen.

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