Hausärztliche Versorgung ist viel Geld wert
Viele Studien zeigen, dass eine starke Primärversorgung – also eine Gesundheitsversorgung, die Hausärztinnen und Hausärzte durchführen und koordinieren – Vorteile für die Gesundheit und die Lebenserwartung einer Bevölkerung bringen kann. Dazu untersuchen Studien auch, ob eine hausärztlich koordinierte Versorgung kostengünstiger ist.
Eine US-amerikanische Studie hat dafür eine interessante Berechnung durchgeführt. Aus Versorgungdaten wurde analysiert, wie sich Besuche bei einer Hausärztin oder einem Hausarzt auf die gesamten Behandlungskosten auswirken. Dazu wurden die Daten von fünf Millionen Patienten der Veterans Health Administration (VHA) aus den Jahren 2016 bis 2019 ausgewertet.
Die Gesundheitsversorgung der Veteranen finanziert die US-amerikanische Regierung. Alle Ärztinnen und Ärzte der VHA sind angestellt und werden unabhängig von der Menge erbrachter Leistungen bezahlt.
Die untersuchten Patienten waren zu 92 Prozent männlich und durchschnittlich 61,9 Jahre alt. Die Entfernung zur nächsten hausärztlichen Praxis war im Mittel eine zwanzigminütige Autofahrt; die Praxis wurde durchschnittlich 2,3-mal pro Jahr aufgesucht. Die Kosten wurden insgesamt und getrennt nach Risikogruppen (benutzt wurde der dort etablierte “Case-mix for Performance Management”-Risikoscore) berechnet.
Im Vergleich waren die jährlichen Gesamtkosten für die Gesundheitsversorgung der Personen, die hausärztlich angebunden waren, um mehr als 3.000 Dollar geringer. Die größten Ersparnisse ergaben sich bei denen, die besonders krank waren, und durch den ersten Hausarztbesuch: Hier lag die Ersparnis bei circa 16.000 Dollar.
Ab dem zehnten Hausarztbesuch nahmen im Durchschnitt (nicht aber bei besonders Kranken) die Gesamtkosten wieder zu. Bei denen, die die geringste Krankheitslast hatten, ergaben sich nur minimale Ersparnisse und auch nur, wenn es bei einem einzigen Besuch blieb.
Fazit: In dieser Studie zeigte sich eine deutliche Kostenreduktion durch eine hausärztliche Anbindung, die bei besonders Kranken und nicht allzu häufigen Besuchen ausgeprägter war. Schon aus den Charakteristika der erfassten Patienten und der Versorgungssituation zeigt sich, dass die Ergebnisse nicht direkt auf Deutschland übertragbar sein können, da die Bevölkerung auch aus Frauen besteht und sich Menschen in Deutschland deutlich häufiger als 2,3-mal pro Jahr ärztlich vorstellen.
Dennoch ist die Ersparnis vor allem in der Gruppe, die am kränksten ist, beeindruckend und zeigt den Wert, den die hausärztliche Versorgung in dieser Patientengruppe hat.
Gao J, Moran E, Grimm R, Toporek A, Ruser C. The Effect of Primary Care Visits on Total Patient Care Cost: Evidence From the Veterans Health Administration. J Prim Care Community Health. 2022 Jan-Dec;13:21501319221141792. doi: 10.1177/21501319221141792. PMID: 36564889; PMCID: PMC9793026.
Forschung in der Praxis: Wie klappt das?
Die Familienpraxis Taunusstein beteiligt sich seit fast zehn Jahren an Studien im Forschungspraxennetz Allgemeinmedizin Dresden/Frankfurt am Main SaxoForN (www.saxoforn.net). Ärztin Dr. Anja Boss und MFA und Studien-Case-Managerin Christina Siebel berichten, warum sie immer noch begeistert dabei sind.
Wie kam es dazu, dass Sie als Forschungspraxis Studien in Ihrer Praxis durchführen?
Siebel: Gute Frage – ich glaube, das war damals, als die NOAK auf den Markt kamen. Da haben wir an der PICANT-Studie teilgenommen. Das war ein sehr spannendes und für uns sehr wichtiges Thema. Wir hatten das Glück, in der Interventionsgruppe zu landen und so durch die Studie ganz viele Informationen zu bekommen. Das Wissen hält sich bis heute.