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Experteninterview“Darf ich mit Ihnen über Ihr Gewicht sprechen?”

In der Sprechstunde einen Dialog zum Thema "(Über-)Gewicht" zu eröffnen, erfordert Fingerspitzengefühl. Die Ernährungsmedizinerin Dr. med. Silja Schäfer empfiehlt hierfür eine elegante Formulierung und gibt im Expertengespräch weitere Tipps für die Ernährungsberatung.

Dr. med. Silja Schäfer ist Allgemeinärztin in Kiel und hat auch die Zusatzweiterbildung Ernährungsmedizin absolviert. Beim NDR ist sie Mitglied der „Ernährungs-Docs“, die in zahlreichen Beiträgen und Podcasts erläutern, wie „Essen als Medizin“ wirken kann.

Mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland ist mit einem BMI ≥ 25 kg/m² übergewichtig, ein Viertel ist adipös (≥ 30 kg/m²). Wie sprechen Sie übergewichtige Patienten an, die nicht von sich aus nach einer Ernährungsberatung fragen?

Schäfer: Wenn jemand diese Menschen aktiv ansprechen darf und soll, sind es Hausärztinnen und Hausärzte. Ich sage in so einem Fall: “Darf ich mit Ihnen über Ihr Gewicht sprechen?” Darauf bekomme ich fast immer ein klares Ja oder Nein.

In der Sprechstunde bleibt aber oft wenig Zeit für Ernährungsberatung.

Auch wenn die Zeit knapp ist, sollten wir für Ernährungsthemen offen sein. Andernfalls verspielen wir eine wertevolle Chance auf eine Intervention.

Ich rate, eine Auswahl von Merkblättern* parat zu haben und den Patienten ein auf ihre Situation zugeschnittenes auszuhändigen. Für eine ausführliche Ernährungsberatung empfehle ich, eine – extrabudgetäre – “ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung für Ernährungsberatung”** auszustellen. Die Patienten können damit bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme oder Bezuschussung für eine Beratung durch Diätassistenten und Ökotrophologen bzw. Ernährungswissenschaftler beantragen.

Seit einigen Jahren gibt es die Zusatzweiterbildung “Ernährungsmedizin”. Kann man an solche Praxen überweisen?

Ja. Leider ist die Zahl der Kolleginnen und Kollegen mit dieser Zertifizierung aber noch sehr überschaubar, vor allem in ländlichen Gebieten.

Was antworten Sie auf Fragen nach Intervallfasten?

Nach etwa 12 Stunden Nahrungskarenz stellt sich der Stoffwechsel um und der Körper geht nicht nur an seine Energiereserven, sondern schleust auch vermehrt Stoffwechselprodukte aus. Pausen von 16 Stunden haben sich dabei als ideal erwiesen. Versuchstiere, die pro Tag eine bestimmte Energiemenge mit dem Futter erhalten, nehmen zu, wenn sie ständig Zugang zur Nahrung haben, nicht aber, wenn sie nur innerhalb eines Zeitfensters von acht Stunden fressen können.

Intervallfasten ist aber nicht für alle Menschen geeignet bzw. praktikabel. Wichtig ist auch, dass es sich ohne Stress in den Alltag integrieren lässt, weil sonst das Cortisol mit seinen bekannten negativen Auswirkungen steigt.

Sollte man zum Abnehmen eher auf Kohlenhydrate oder auf Fette verzichten?

Vom einseitigen Verzicht auf Fette ist man abgekommen. Menschen, die sich wenig körperlich bewegen, sollten bei den Kohlenhydraten sparen, weil sie die nicht alle verbrennen und den Überschuss zwangsläufig als Fett einlagern. Von extremen Low-Carb-Diäten ist aber ebenso abzuraten wie von Low-Fat-Diäten.

Derzeit boomen Nahrungsmittel, die mit einem besonders hohen Eiweißgehalt beworben werden, Stichwort Protein-Booster. Wie steht es allgemein um die Versorgung mit Eiweiß?

Erhebungen wie KiGGS (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) zeigen ganz klar, dass Kinder und Jugendliche keinen Eiweißmangel haben und keine mit Proteinen angereicherten Nahrungsmittel brauchen. Im Gegenteil: Es gibt Hinweise, dass ein Überangebot an Eiweiß in dieser Altersgruppe die Entwicklung von Übergewicht begünstigt und darüber hinaus den Eintritt der Pubertät vorverlagert.

Bei älteren Menschen besteht dagegen nicht selten ein Eiweißmangel, der zudem oft durch Übergewicht kaschiert ist. Da Eiweiß satt macht, sollte man insbesondere beim Abnehmen auf einen ausreichend hohen Eiweißgehalt der Nahrung achten.

Wie klären Sie einen Verdacht auf Eiweißmangel ab?

An erster Stelle steht die Ernährungsanamnese. Hinweise können ferner das Gesamteiweiß und das Albumin im Blut geben. Da vor allem ältere Menschen trotz Übergewicht einen Mangel an Muskelmasse aufweisen können, müssen wir auch die Körperzusammensetzung durch Bioimpedanzanalyse ermitteln.

Wie deckt man seinen Eiweißbedarf am besten? Müssen es immer tierische Proteine sein?

Im Interesse des Klimas sollten wir den Verzehr tierischer Produkte einschränken. Das empfiehlt aktuell unter anderem die DGE im Rahmen der “Planetary Health Diet”. Ideal wäre, nur noch ein Viertel bis ein Drittel des Eiweißes aus tierischen Quellen zu sich zu nehmen. Man kann durch Kombinieren verschiedener pflanzlicher Eiweiße den Bedarf genauso effektiv wie mit tierischen Proteinquellen decken.

Beispiele für solche hochwertigen Kombinationen sind Hülsenfrüchte und Getreideprodukte, etwa als “Chili sin carne” aus weißen Bohnen und Mais. Wichtig ist, möglichst bei jeder Mahlzeit verschiedene dieser Eiweißquellen zu kombinieren.

Inwieweit kann der Nutri-Score bei der Einkaufsentscheidung im Supermarkt helfen?

Ich halte den Nutri-Score im Prinzip für einen guten Ansatz, der aber noch nachjustiert werden muss. Nutri-Score vergibt positive Punkte für nicht wünschenswerte Bestandteile wie Zucker, Salz oder Fett und negative Punkte für günstige Bestandteile wie Obst, Nüsse oder Hülsenfrüchte. Je höher die Summe ist, desto höher der Score. Das führt aber dazu, dass manche Nahrungsmittel, die eigentlich empfehlenswert sind, mit C, D oder gar E bewertet werden. Das kann verwirrend sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

*Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), der Berufsverband Deutscher Ernährungsmedizinerinnen und Ernährungsmediziner (BDEM) sowie der Deutsche Akademie für Ernährungsmedizin (DAEM) bieten auf ihren Internetseiten Informationen, die unabhängig von kommerziellen Interessen sind.

** Eine Vorlage dafür gibt es hier zum Download: www.hausarzt.link/9xBdV

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