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Diabetes Typ 1Was sollte wann untersucht werden?

Die DEGAM hat die S3-Leitlinie zu Diabetes mellitus Typ 1 mit aktualisiert. Leitlinienautor Dr. Stephan Fuchs gibt einen Überblick über die zentralen Empfehlungen etwa zur Insulinauswahl, HbA1c-Grenzen und nötigen Screenings. Denn Komplikationen, Folgeschäden und auch Verkehrsunfälle wären dadurch noch häufiger zu verhindern.

Die meisten Patienten mit einem Typ-1-Diabetes stehen mitten im Leben. Sie sind berufstätig, nehmen am Straßenverkehr teil und sind in der Regel für akute Beratungsanlässe in der Hausarztpraxis. Um Ärztinnen und Ärzte bei der Behandlung zu unterstützen, ist die S3-Leitlinie zur Behandlung für Patienten mit Typ-1-Diabetes aktualisiert worden. Das Ziel der Leitlinie ist die unbedingte Senkung der Exzess-Mortalität und Morbidität. Leitlinienautor Dr. Stephan Fuchs von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) fasst im Gespräch mit „Der Hausarzt“ die wichtigsten Punkte der neuen Leitlinie zusammen.

Welche HbA1c-Zielbereiche definiert die neue Leitlinie?

Fuchs: Ein HbA1c ≤ 6,5% (≤ 48 mmol/mol) kann angestrebt werden bei Menschen mit niedrigem Hypoglykämierisiko (z. B. Neumanifestation, geringe glykämische Variabilität).

Ein HbA1c ≤ 7,5% (≤ 58 mmol/mol) sollte bei Personen mit unproblematischen Hypoglykämien das Ziel sein.

Ein weniger strenger HbA1c < 8,5% (69 mmol/mol) sollte bei Patientinnen und Patienten mit nicht gewährleisteter Therapiesicherheit angestrebt werden, wenn gehäuft schwere Hypoglykämien aufgetreten sind, wenn viele Komorbiditäten bestehen oder fortgeschrittene makrovaskuläre Komplikationen (z.B. Plaques, Stenosen).

Bei einem HbA1c > 9% (75 mmol/mol) ist von einem eingeschränkten Wohlbefinden mit klinischer Hyperglykämie und Polyurie und einem deutlich gesteigerten Risiko für Folgeerkrankungen auszugehen.

Lange diskutiert haben wir über die Empfehlung, dass den Patientinnen und Patienten ausreichend viele Blutzucker-Teststreifen zur Verfügung gestellt werden sollen. Denn häufigere Messungen hängen laut Studien mit einer besseren Stoffwechsellage zusammen. Außerdem befähigt es dazu, die eigene Therapie noch besser auf die Lebensumstände anzupassen. Es erfordert aber natürlich eine gute und ggf. wiederholte Schulung der Betroffenen.

Wie wichtig sind die Therapiesäulen „Bewegung“ und „Ernährung“?

Diese Therapiesäulen sind essenziell. Menschen mit Typ-1-Diabetes sollen Mahlzeiten einschätzen und lernen dies bei (haus-)ärztlichen Beratungen und Schulungen. Mediterrane Kost führt bei ihnen zu einer höheren Ernährungsakzeptanz. Eine mediterrane Kost, eine „Low-fat-Diät“ oder intermittierendes Fasten beeinflusst nicht die Insulinresistenz.

Lebensnotwendig und lebenslang ist das Verabreichen von Insulinen. Wie wähle ich als behandelnder Arzt oder Ärztin das richtige Insulin aus?

Alle Insulinarten (Normalinsuline, Humaninsuline mit Verzögerungsprinzip, kurzwirksame Analoga und langwirksame Analoga) sowie Mischungen verschiedener Insulinarten unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Pharmakokinetik. In der Leitlinie findet sich dazu eine Tabelle, in der die Wirkeigenschaften, unerwünschten Wirkungen, Interaktionen und Kontraindikationen der verschiedenen Insulinarten gelistet sind. Auch die Pharmakodynamik der verfügbaren Insuline gilt es zu beachten. Wichtig sind natürlich auch die jeweiligen Patientenpräferenzen. Generell kann die Insulinempfindlichkeit durch Sport, akute Erkrankungen, psychischen Stress (beruflich, familiär), Hormoneinfluss oder durch eine Änderung der Dauermedikamente für andere chronische Erkrankungen beeinflusst werden. Und mit der Wahl des Insulins sollten Diabetes-bedingte Folgeerkrankungen verhindert oder reduziert werden.

Synthetische Insuline haben gegenüber Humaninsulinen keinen Mehrnutzen. Der absolute Insulinbedarf sowie die individuelle Insulinempfindlichkeit bestimmen die tägliche externe Insulinzufuhr. Die Zufuhr kann kontinuierlich über PEN-Injektionen sowie über Insulinpumpen erfolgen.

Wie häufig sollten Menschen mit Typ-1-Diabetes auf Folgeerkrankungen gescreent werden?

Die neue Leitlinie empfiehlt ausdrücklich regelmäßige Untersuchungen bzw. Screeningmaßnahmen für Begleit- und / oder Folgeerkrankungen. Denn klares Ziel ist es, die mit der Erkrankung zusammenhängenden Komplikationen und Folgeschäden weiter zu senken – hier können und müssen wir definitiv noch besser werden. Empfohlen wird dazu:

  • Vierteljährlich sollte eine Blutdruckmessung vorgenommen werden.
  • Jährlich sollte die Einstichstelle inspiziert werden (Lipodystrophie?), auf Polyneuropathie gescreent werden (Stimmgabel, Monofilament, …), Lipidparameter und eGFR (z.B. im Rahmen des DMP Diabetes) bestimmt werden, außerdem der Albumin-Kreatinin-Ratio im Urin und es sollte ein Screening auf Depression und weitere psychische Erkrankungen (z.B. mittels Fragebogen) durchgeführt werden.
  • Jährliche bzw. zweijährlich sollte eine augenärztliche Untersuchung stattfinden.

Was gilt es bei Ketoazidosen und Hypoglykämien zu beachten?

Ketoazidosen und Hypoglykämien sind Notfallsituationen. Hausärztinnen und -ärzte sind häufig mit Infektionserkrankungen – unterschiedlicher Symptomstärke – konfrontiert. Das betrifft auch Menschen mit einem Diabetes mellitus. Infektionen (z.B. gastrointestinale, urogenitale, pneumologische) können zu einer metabolischen Veränderung (z.B. einer Ketoazidose) führen. Ein normaler Blutzucker schließt also eine Ketoazidose nicht aus. Neben Infektionen können auch Fasten, Diäten, Traumen oder Medikamente (auch Antidiabetika) eine Ketoazidose auslösen. Die Ketoazidose ist an einem charakteristischen Foetor, z.B. in der Sprechstunde oder im Hausbesuch, charakteristisch erkennbar.

Zur Behandlung der Hypoglykämien kann zum Einsatz kommen:

  • Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes und einer milden Hypoglykämie: 15-20 g Glukose, ggf. wiederholen.
  • Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes und einer schweren Hypoglykämie: 30 g Glukose, ggf. wiederholen, ggf. Fremdhilfe notwendig.
  • Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes und einer schweren Hypoglykämie und Bewusstlosigkeit, ggf. Fremdhilfe notwendig: 50 ml 40%ige Glukose im Bolus i.v. sowie Glukagon (intranasal/s.c/i.m./i.v).

Alkoholgenuss bzw. höherer Alkoholkonsum steigern das Risiko für schwere Hypoglykämien. Hier können wir hausärztlich beim Check-up 35 oder DMP-Beratungen darauf hinweisen, dass Betroffene während des Alkoholkonsums ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen und ihren Blutzucker engmaschiger prüfen.

Was gibt es bei der Verkehrstauglichkeit von Typ-1-Diabetikern zu beachten?

Auch mit einem Typ-1-Diabetes kann man am Straßenverkehr teilnehmen, wenn keine Hypoglykämien mit Fremdhilfe aufgetreten sind. Sollte eine Fremdhilfe (z.B. durch Arbeitskollegen, Rettungsdienst, Lebenspartner, …) notwendig sein, besteht für 12 Monate keine Fahreignung. Hier ist es wichtig, dass wir Hausärztinnen und Hausärzte vor allem die Menschen selbst für die Gefahr sensibilisieren: Noch zu oft begeben sich viele in Lebensgefahr, weil sie ihren HbA1c nicht im Blick haben – dabei macht sowohl ein zu hoher als auch ein zu niedriger Wert Verkehrsunfälle wahrscheinlicher!

Interessenkonflikte: Dr. Stephan Fuchs ist Mitglied bei mezis e.V, Mitglied der Ständigen Leitlinienkommission der DEGAM, Gutachter für Wundversorgung beim Medizinischen Dienst und Kassenärztlichen Vereinigungen.

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