Diabetes mellitus und Hypertonie sind die häufigsten Ursachen einer chronischen Nierenerkrankung (CKD). Die Prävalenz des Diabetes mellitus liegt in Deutschland bei ungefähr 15 Prozent [1, 2]. Fast die Hälfte der Betroffenen leidet an einer CKD bzw. diabetischen Nephropathie. Diese kann nicht nur zur Dialysepflicht führen, sondern erhöht auch signifikant das kardiovaskuläre Risiko (Schlaganfälle, Herzinfarkte, plötzlicher Herztod).
Die Betreuung durch Hausärzte ist von großer Bedeutung, um das Risiko einer diabetischen Nephropathie zu minimieren bzw. sie frühzeitig zu erkennen. Ein Frühzeichen der Nierenschädigung ist der Verlust geringer Mengen Albumin im Urin (> 20 mg/l).
Diese Mikroalbuminurie ist nicht nur ein Risikomarker und CKD-Progressionsfaktor, sondern zeigt auch ein erhöhtes kardiovaskuläres Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko an [3, 4].
Tipps fürs Monitoring
Es gibt mehrere Leitlinien, die sich ähnlich wie die KDIGO positionieren [5, 6]; alle stellen dabei eine regelmäßige Blutdruck- und Blutzuckereinstellung sowie die Überwachung der Nierenfunktion und ggf. Anpassung der Medikamentendosierungen in den Vordergrund.
1. Glykämische Kontrolle
Die Leitlinien empfehlen, die Blutzuckereinstellung mindestens zweimal im Jahr anhand des HbA1c zu überprüfen. Die Zielwerte sollten individuell festgelegt werden und zwischen < 6,5 und < 8,0 Prozent liegen (bei Jüngeren niedriger als bei alten Menschen mit Komorbiditäten).
Wichtig ist, dass der HbA1c-Wert bei fortgeschrittener CKD (Stadium 4) an Aussagekraft verliert. Die tägliche Glukoseselbstmessung kann heute durch das kontinuierliche interstitielle Glukosemonitoring (“CGM”) erleichtert werden.
2. Blutdruckmanagement
Ebenso essenziell ist das Blutdruckmonitoring. Eine nachlassende Nierenfunktion geht in der Regel mit einem Blutdruckanstieg einher, eine Hypertonie beschleunigt ihrerseits die CKD-Progredienz [7] – diesen Circulus gilt es zu durchbrechen.
Optimal ist die regelmäßige häusliche Selbstmessung mit Kontrollen beim Arztbesuch (Messmethode/Ruhephase beachten) – ggf. ergänzt durch eine 24-Stunden-Blutdruckmessung. Der Zielblutdruck bei CKD hat sich im letzten Jahrzehnt je nach Studienlage wiederholt geändert; nach der aktuellen Evidenz sollen systolische Werte > 130 mm Hg vermieden werden.
Die aktuelle “Blutdruck-Leitlinie” der KDIGO [8] gibt sogar einen Zielwert von < 120/80 mm Hg an. Besonders bei Älteren ist dabei das Sturzrisiko zu beachten (Hypotonie).
3. Nierenfunktion – Kreatinin reicht nicht
Ein renales Screening sollte bei Diabetes jährlich erfolgen, Kontrollen bei eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 60 ml/min/1,73 m²) bzw. Albuminurie auch öfter. Zum Screening auf eine beginnende diabetische Nephropathie ist das Serumkreatinin alleine nicht geeignet, da es erst viel später ansteigt.
Um das CKD-Stadium zu bestimmen (Risikoabschätzung), kann anhand des Serumkreatinins als endogener Filtrationsmarker die eGFR ermittelt werden (mit der CKD-EPI-Schätzformel). Zu berücksichtigen ist, dass das Kreatinin stark von Muskelmasse und Alter abhängt und somit in bestimmten Situationen ungeeignet ist (vermeintlich normale eGFR im Alter und bei verminderter Muskelmasse, zum Beispiel auch nach Amputation). In diesen Fällen wird das muskelunabhängige Cystatin C im Serum zur eGFR-Bestimmung empfohlen.
Für das prognostisch wichtige Erkennen einer Mikroalbuminurie (20-200 mg/l) ist der klassische Mehrfach-Teststreifen nicht sensitiv genug (falsch negativ im Albumin-Bereich < 300 mg/l; bei konzentriertem oder alkalischem Urin dagegen falsch positiv [9]). Es sollte daher ein spezieller Mikroalbuminurie-Teststreifen eingesetzt werden (“Micral-Test”), der qualitativ bereits sehr geringe Albuminmengen erfasst.
Eine quantitative Verlaufskontrolle bei Albuminurie ist darüber hinaus mit der Albumin-Kreatinin-Ratio im Spontanurin (“ACR”; Grenzwert ≥ 30 “mg Albumin pro mmol Kreatinin”) möglich. Eine aufwendige und fehlerbehaftete 24-Stunden-Urinsammlung ist in der Regel nicht erforderlich.
Der klassische Mehrfelder-Streifentest hat seine Bedeutung neben dem Nachweis von Harnwegsinfekten (Leukozyten, Bakterien/Nitrit) vor allem zur Detektion glomerulärer Grund- oder Begleiterkrankungen (Erythrozyturie).
Therapieempfehlungen
1. Aufklärung und Lifestyle-Management
Die Leitlinien [5] werten den Diabetes mellitus mit CKD als Multisystemerkrankung und empfehlen eine umfassende und interdisziplinäre Behandlung. Zur Erstlinientherapie gehören Lebensstilinterventionen, also eine gesunde Ernährung mit viel Gemüse/Obst, Ballaststoffen, ungesättigten Fettsäuren, wenig Wurst, pflanzlichen Proteinen (0,8 g/kg/d) und einer Kochsalzzufuhr < 5 g/d (bzw. < 2 g Natrium) – außerdem Nikotinverzicht und regelmäßig ausreichend Bewegung (wöchentlich ≥ 150 Minuten) sowie die Reduktion von Übergewicht (BMI < 25 kg/m²).
Die Aufklärung der Betroffenen umfasst neben dem Krankheitsbild und dessen Progressionsfaktoren auch Hinweise auf nephrotoxische Substanzen (NSAR, Kontrastmittel) und die GFR-angepasste Medikamentendosierung (zum Beispiel manche Antibiotika oder Protonenpumpenhemmer). Diabetesschulungen und Ernährungsberatung verbessern das Selbstmanagement.
2. Medikamentöse Risikoreduktion
Von großer Bedeutung bei CKD ist die Blockade des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) mit Angiotensin-Rezeptor-Blockern oder Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitoren. RAS-Inhibitoren (RASi) wirken nephroprotektiv und reduzieren die Mortalität [10, 11, 12, 13].
Die Dosis sollte bis zur zugelassenen Höchstdosis bzw. der maximal tolerierten Dosis gesteigert werden (Kreatininkontrolle, es sollte nicht über 30 Prozent ansteigen). Andere Antihypertensiva sind gegebenenfalls auf RASi umzustellen. Gemäß Leitlinien können RASi in reduzierter Dosis auch bei normalem Blutdruck eingesetzt werden.
Die Blutzuckereinstellung erfolgt bei Typ-1-Diabetes mit Insulin. Bei Typ-2-Diabetes steht Metformin an erster Stelle; leitlinienentsprechend soll heute bei CKD und Typ-2-Diabetes immer als “Add-on” ein SGLT2 (“sodium glucose-linked transporter 2”)-Hemmer gegeben werden. Seit 2016 hat die Evidenz aus randomisierten klinischen Studien zur kardiorenalen Organprotektion und Mortalitätsreduktion durch SGLT2-Hemmer bei CKD und Diabetes immens zugenommen.
Die Progressionsverlangsamung der CKD durch SGLT2-Hemmer bestätigte die Metaanalyse [14] der EMPA-REG-Studie (Empagliflozin) [15], der CANVAS-Studie (Canagliflozin) [16] und der DECLARE-Studie (Dapagliflozin) [17].
Die CREDENCE-Studie (Canagliflozin) [18] untersuchte gezielt renale Endpunkte und zeigte eine Risikoreduktion von 30 Prozent (Kreatinin-Verdopplung, Dialysepflicht oder Tod). Die DAPA-CKD-Studie (Dapagliflozin) [19] zeigte 2020 bei CKD unabhängig vom Diabetesstatus eine bis zu 44-prozentige Risikoreduktion für renale Endpunkte, die Gesamtmortalität sank um 31 Prozent.
SGLT2-Hemmer blockieren den Natrium-Glukose-Kotransporter-2 im proximalen Nierentubulus und vermindern die Glukoserückresorption, es kommt zur Glukose-Ausscheidung im Urin und somit Senkung des Blutzuckerspiegels ohne Hypoglykämierisiko.
Für die positiven kardiorenalen Effekte scheint darüber hinaus vor allem eine verbesserte glomeruläre hämodynamische Funktion eine Rolle zu spielen [20]. Der Kalorienverlust fördert außerdem eine Gewichtsreduktion. Da die Glukosurie/Osmodiurese eine Hypovolämie begünstigen kann, sollten andere Diuretika ggf. reduziert werden.
Eine SGLT2-Hemmer-Therapie sollte nur bei einer eGFR über 30 ml/min/1,73 m² begonnen werden – sinkt die eGFR jedoch im Verlauf auf niedrigere Werte ab, empfehlen die Leitlinien, die Behandlung weiter fortzuführen. Zu beachten ist auch, dass unter SGLT2-Hemmern der Streifentest für Glukosurie nicht mehr zu Kontrollzwecken verwendet werden kann.
Wenn mit Metformin und SGLT2-Hemmern die Blutzuckerzielwerte nicht erreicht werden, empfiehlt die KDIGO [5] zusätzlich den Einsatz von GLP(“glucagon-like peptide”)-1-Rezeptor-Agonisten, da die Studienlage ebenfalls klare Vorteile für CKD-Kranke zeigt. So zeigte sich beispielsweise für Liraglutid eine Reduktion des CKD-Risikos, der kardiovaskulären Ereignisse und der Gesamtmortalität [21].
Interdisziplinäre Versorgung
Die Leitlinien geben auch Empfehlungen für die nephrologische Mitbetreuung von Menschen mit Diabetes mellitus [6, 22, 23]. Als Überweisungsindikation gibt die Deutsche Diabetes Gesellschaft eine eGFR von 45-59 ml/min/1,73 m² an [23], wobei Alter und Komorbiditäten zu berücksichtigen sind –vor allem jüngere Patienten (< 50 Jahre) werden früher überwiesen [6]. Bei einer eGFR < 30 ml/min/1,73 m² oder einer Albuminurie > 300 mg empfiehlt die DEGAM [6] immer die sofortige Überweisung.
Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie empfiehlt außerdem eine Überweisung bei einer Proteinurie > 20 mg/l (bzw. Albumin-Kreatinin-Ratio > 30 mg/mmol), einer CKD-Progression mit eGFR-Abnahme um ≥ 5 ml/min/1,73 m² pro Jahr sowie bei glomerulärer, nicht-urologischer Hämaturie, das heißt dysmorphe Erythrozyten (“Nephrologie first”). Auch eine nicht einstellbare Hypertonie (> 150/90 mm Hg unter drei Antihypertensiva) gilt als Überweisungsgrund.
Fazit: Das empfehlen die Leitlinien
- Bei Diabetes die Nierenfunktion/eGFR und Mikro(!)albuminurie im Blick behalten.
- RAS-Blocker zur Renoprotektion (und Blutdrucksenkung).
- SGLT2-Hemmer als „Add-on“ zur Verbesserung des renalen und kardialen Outcomes.
- Rechtzeitige Überweisung in die Nephrologie.
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
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