© Privat Abb. 1: Kapillare und kontinuierliche Glukosemessung mit einem BZMS bzw. CGM-System
Auf dem Markt ist derzeit eine Vielzahl an BZMS verfügbar. Die Systeme wurden über die Jahre kleiner, kompakter und handlicher. Moderne Systeme besitzen meist Zusatzfunktionen, wie Datenspeicherung, Erinnerungen, Markierung der Messwerte, Boluskalkulatoren, elektronische Tagebücher oder die Datenübermittlung an Apps [1,2].
Die Handhabung der Systeme sowie die korrekte Durchführung der Messung sind entscheidend für genaue Messergebnisse. Fehlmessungen können zu ungünstigen Therapieentscheidungen führen und das Risiko für Hypo- oder Hyperglykämien erhöhen.
Neben verschiedenen Medikamenten, die die BZ-Messung beeinträchtigen, sollten beispielsweise auch verunreinigte Finger und starke Temperaturunterschiede zwischen Messgerät und Teststreifen vermieden werden. Eine Anleitung zur BZ-Messung und häufige Fehlerquellen sind unter https://hausarzt.link/wmwZh verfügbar.
Die auf dem Markt verfügbaren Systeme müssen die Anforderungen an die Messgenauigkeit der internationalen Norm EN ISO 15197:2015 erfüllen [3] . Nach Markteinführung erfolgt keine systematische Evaluierung der Messgüte, sodass deutliche Unterschiede in der Messgenauigkeit verschiedener Systeme verzeichnet werden. Ergebnisse einer unabhängigen Genauigkeitsuntersuchung verschiedener aktueller BZMS wurden kürzlich veröffentlicht und sind unter http://dx.doi.org/ 10.1136/bmjdrc-2019-001067 verfügbar [4] .
Für den Endanwender empfiehlt es sich, die Genauigkeit der Systeme mit einer herstellerspezifischen Kontrolllösung zu prüfen.
Kontinuierliches Glukosemonitoring
Im Gegensatz zu BZMS, messen CGM-Systeme die Glukosekonzentration kontinuierlich im Unterhautfettgewebe. Der subkutan eingeführte Nadelsensor kann bei aktuellen Systemen zwischen 6 und 14 Tagen getragen werden. Auf dem Sensor aufgebrachte Enzyme wandeln die dort verfügbare Glukose um, sodass aus den entstandenen Reaktionsprodukten ein Stromfluss resultiert; ein auf der Haut befestigter Transmitter übermittelt die daraus berechneten aktuellen Glukosekonzentrationen an den Empfänger/ die App (Abb. 1).
Im Vergleich zu kapillaren BZ-Messungen, die lediglich eine Momentaufnahme darstellen, ermöglichen CGM-Systeme eine quasi kontinuierliche Überwachung des Glukoseverlaufs. Es wird daher nicht nur der aktuelle Glukosewert dargestellt, auch der gesamte Glukoseverlauf wird visualisiert, sodass Auswirkungen von Therapiemaßnahmen, Nahrungsmittelaufnahme oder körperlicher Aktivität sichtbar werden. Auch hypo- und hyperglykämische Ereignisse werden erfasst; es gibt Alarmhinweise und Glukosetrends mit Änderungsrichtung und -geschwindigkeit [5] .
Zusätzlich können mit herstellerspezifischen CGM-Softwares Parameter, wie der Glukosemanagement-Indikator (Analogon zum HbA1c-Wert; ursprünglich estimated HbA1c oder eHbA1c) oder die Zeit im Zielbereich berechnet werden [6] . CGM-Informationen können sowohl für Menschen mit Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes hilfreich sein.
Man unterscheidet zwischen real-time (rt) und intermittent scanning (isc) CGM-Systemen. Während rtCGM-Systeme die Messwerte automatisch anzeigen, muss bei iscCGM-Systemen zum Ablesen der Messwerte das Lesegerät an den Sensor gehalten (gescannt) werden.
Eine Alternative zu Nadelsensoren, stellt ein implantierbarer Langzeitsensor mit einer Nutzungsdauer von bis zu 6 Monaten dar. Die mit fluoreszenzbasierter Messung ermittelte Glukosekonzentration wird über den Transmitter an ein Smartphone weitergeleitet [5] .
CGM-Systeme können auch in Kombination mit einer Insulinpumpe eingesetzt werden (Sensorunterstütze Pumpentherapie).
Schulungen sind essenziell
Um die umfangreichen Informationen und Funktionen der CGM-Systeme adäquat für die Therapie nutzen zu können, sind Schulungen in der Handhabung der Systeme und Interpretation der Daten essenziell.
Laut G-BA Beschluss 2016 sind rtCGM-Systeme für insulinpflichtige Menschen mit Diabetes und intensivierter Insulinbehandlung erstattungsfähig. Für die Erstattung wird jedoch eine rtCGM-spezifische Schulung der Patienten gefordert.
Herstellerspezifische technische Einführungen in die Handhabung von CGM-Systemen allein erfüllen die geforderten Schulungskriterien nicht. Für rtCGM-Systeme steht das herstellerunabhängige Schulungsprogramm SPEC-TRUM zur Verfügung [7] , dessen Effektivität vor kurzem belegt wurde [8] .
Für iscCGM-Systeme wird das Schulungsprogramm FLASH angeboten [9] . Im Jahr 2019 wurde die neueste Version des iscCGM-System ebenfalls in das Hilfsmittelregister (rtCGM) aufgenommen.
Derzeit gibt es drei CGM-Systeme, die von den Herstellern als Ersatz für BZ-Messungen deklariert werden. Demnach können die CGM-Werte ohne zusätzliche BZ-Messungen für Therapieentscheidungen genutzt werden.
In bestimmten Situationen, wie z. B. bei hypoglykämischen oder unklaren CGM-Werten sind zusätzliche BZ-Messungen notwendig. Schulungen von Anwender und Therapeut sind Voraussetzung für eine optimale CGM-Daten-Nutzung für Therapieentscheidungen [1,5].
Damit CGM-Systeme verlässliche Glukosewerte liefern, müssen sie kalibriert werden. Eine korrekte kapillare BZ-Messung ist dafür Voraussetzung. Derzeit sind zwei werkskalibrierte CGM-Systeme auf dem Markt, bei denen keine Kalibration durch den Anwender erforderlich ist.
Ein System bietet aber die Möglichkeit der zusätzlichen Kalibration an [1,5].
Durch CGM können Glukosekonzentrationen sichtbar werden, die bisher unbekannt waren, wenn zu diesem Zeitpunkt keine BZ-Messung durchgeführt wurde. Die in Abb. 2 dargestellten hyperglykämischen Werte nach der Mahlzeit könnten beim Anwender zu fehlerhaften Insulingaben und somit zu Hypoglykämien führen.
© Privat Abb. 2: Blutglukoseinformationen von einem BZMS (rot) und CGM-System (blau). Der postprandiale Glukoseanstieg im hellblau markierten Bereich ist nur mit dem CGM-System sichtbar.
Es existiert eine physiologische Zeitverzögerung zwischen Gewebezucker und Blutzucker. Die Einstellung des Gleichgewichts der beiden Glukosewerte kann einige Minuten benötigen.
Besonders bei raschen Glukoseschwankungen (z. B. nach Nahrungsaufnahme) treten zeit-liche Differenzen auf [5] . Zusätzlich existiert durch die Verarbeitung der ge-wonnenen Daten eine technische Zeitverzögerung zwischen der Messung und der Werteanzeige im System.
Messgenauigkeit bei CGM
Im Gegensatz zu BZMS gibt es derzeit keine Standards zur Beurteilung der Messgenauigkeit von CGM-Systemen. Mit herstellerspezifischen Algorithmen und ggf. Kalibrierungen wird die aktuelle Glukosekonzentration berechnet.
Referenzmessungen für Glukosekonzentrationen im Unterhautfettgewebe sind nicht verfügbar, sodass sich die Glukosewerte je nach CGM-System, Kalibrationsmethode oder dem zur Kalibration verwendeten BZMS unterscheiden können [10,11].
Für die Praxis sollten also neben der Compliance der Anwender auch die fehlenden CGM-Standards, sowie die unterschiedlichen Algorithmen und Einstellmöglichkeiten der Systeme berücksichtigt werden.
Eine Option der schmerzfreien Glukosemessung stellen nichtinvasive Systeme dar. Derzeit gibt es diverse Studien zu diesen Messsystemen, praktische Anwendung im Alltag finden die Systeme momentan eher nicht [12] .
Interessenkonflikte:
Guido Freckmann ist Ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des IDT (Institut für Diabetes-Technologie Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH an der Universität Ulm, Ulm), welches klinische Studien zu Medizinprodukten für die Diabetestherapie auf eigene Initiative oder für verschiedene Firmen durchführt. GF/IDT erhielt bzw. erhält Vortrags-/Beratungshonorare von Abbott, Ascensia, Dexcom, i-SENS, LifeScan, Menarini Diagnostics, Metronom Health, Novo Nordisk, PharmaSens, Roche, Sanofi, Sensile und Ypsomed.
Sandra Schlüter erhielt bzw. erhält Vortragstätigkeiten/Beratungshonorare von Abbott, Ascensia, Astra Zeneca, Berlin Chemie, Dexcom, Medtronic, Menarini, MSD, Novo Nordisk, Roche, Sanofi und Ypsomed.
Fazit
Blutzuckermesssysteme messen Glukose im Kapillarblut.
CGM-Systeme messen Glukose im Unterhautfettgewebe.
Der korrekte Umgang mit CGM-Systemen und die Dateninterpretation setzt eine qualifizierte Schulung voraus.
Die Messgenauigkeit hat sich in den letzten Jahren verbessert, bisher sind jedoch keine Standards etabliert.
Literatur:
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Freckmann G. Diabetestechnologie Was gibt es Neues, was bringt die Zukunft? Der Allgemeinarzt 2006; 3: 4-11
DIN Deutsches Institut für Normung. Testsysteme für die In-vitro-Diagnostik – Anforderungen an Blutzuckermesssysteme zur Eigenanwendung bei Diabetes mellitus (ISO 15197:2013); Deutsche Fassung EN ISO 15197:2015. In; 2015
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Heinemann L, Schlueter S, Freckmann G. Systeme zur nichtinvasiven Glukosemessung. Diab Stoffw 2020; 29: 127
Institut für Diabetes-Technologie, Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH an der Universität Ulm, E-Mail: diabetes@idt-ulm.de
Diabetespraxis Northeim