Adipositas und Umwelt
Übergewicht und Umwelt hängen sehr stark miteinander zusammen. Wenn man davon ausgeht, dass die Erwachsenen in Deutschland im Mittel fünf Kilogramm zu schwer sind – eine sehr konservative Schätzung – so ergibt das bei ca. 60 Millionen erwachsenen Menschen ca. 300.000 Tonnen Übergewicht. Teilt man das Gewicht auf “80 kg-Menschen” auf, so würde dies 3,75 Millionen Menschen ergeben.
Dieses Übergewicht muss durch zusätzliche Ernährung erhalten werden. Für die Ernährung eines dieser Menschen werden 1,75 Tonnen CO2 pro Jahr freigesetzt. Insgesamt dürfte somit das Übergewicht in Deutschland zu einem zusätzlichen CO2-Ausstoß von 6,6 Millionen Tonnen (3,75 Millionen x 1,75 t) führen.
Im Vergleich dazu: Der gesamte Straßenverkehr ist für einen CO2-Ausstoß von 129 Millionen Tonnen verantwortlich. Somit würde eine Gewichtsabnahme von 5 kg einer CO2-Reduktion von 5 Prozent des Straßenverkehrs entsprechen. Insofern wäre “Fasten für die Umwelt” ein interessanter Slogan für die “fridays for future”-Bewegung (Stephan Martin, Düsseldorf).
Intervallfasten
Das Thema “Intervallfasten” hat die Laienpresse erreicht, nachdem Dr. Eckard von Hirschhausen darunter deutlich abgenommen hatte und diese Form des Fastens als “Hirschhausen-Diät” propagiert wird. Grundsätzlich gibt es verschiedene Formen des intermittierenden Fastens, nämlich es wird die Nahrungsaufnahme an ganzen Tagen deutlich (5 : 2) reduziert oder die Zeit der Nahrungsaufnahme pro Tag (16 : 8) wird begrenzt.
Bei 19 Personen mit einem metabolischen Syndrom, die ≥ 14 Stunden keine Nahrung zu sich nahmen, und bei denen dann die Nahrungsaufnahme auf 10 Stunden pro Tag (14 : 10) für 12 Wochen reduziert wurde, zeigte sich eine Verbesserung der kardiovaskulären Risikofaktoren, nämlich des diastolischen und systolischen Blutdrucks, des HbA1c-Werts, des Gesamt- und des LDL-Cholesterins.
Eine solche Diät lässt sich gut in den Alltag einbauen und sollte als Standardtherapie bei Personen mit einem metabolischen Syndrom propagiert werden. Als wesentlicher molekularer Wirkparameter werden Ketonkörper, die beim Abbau von Fettreserven entstehen, angesehen (Stephan Martin, Düsseldorf).
Migranten-spezifische Probleme
Migranten nutzen Früherkennungs- und Präventionsangebote seltener als Nicht-Migranten. Auch besteht eine erhöhte Prävalenz bei chronischen Krankheiten, psychischen Belastungen, Suchterkrankungen und Adipositas. Der Impfstatus ist häufig nicht ausreichend. Und auch der niedrigere Sozialstatus sowie sprachliche und kulturelle Barrieren bedingen eine schlechtere medizinische Versorgung.
Dies gilt insbesondere auch für den Diabetes mellitus. Auch das Krankheitsverständnis ist in den verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich. Von zwei Millionen türkischer Mitbürger leiden 15 Prozent an einem Diabetes. Ein Problem sind die Ernährungsgewohnheiten, die sehr kohlenhydratlastig sind, mit zwei Hauptmahlzeiten und vielen kleinen Zwischenmahlzeiten (Werner Kern, Ulm).
Empathie
Im Rahmen einer Studie wurde bei Typ 2 Diabetikern der Zusammenhang zwischen der vom Patienten empfundenen Empathie durch den Hausarzt und dem Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis bzw. der Gesamtmortalität untersucht. 12 Monate nach der Diabetes-Diagnose wurden die Patienten gebeten, die Empathie des Hausarztes anhand eines Scores zu beurteilen.
Dabei zeigte sich, dass durch eine besonders stark empfundene Empathie die kardiovaskuläre Ereignisrate nicht gesenkt werden konnte, aber die Gesamtmortalität wurde signifikant verbessert. Somit scheint sich eine positive Erfahrung mit dem Einfühlungsvermögen des Hausarztes bei Personen mit einem neudiagnostizierten Typ 2-Diabetes positiv auf die Langzeitprognose auszuwirken (Stephan Martin, Düsseldorf).
Typ 2-Diabetes ist nicht gleich Typ 2-Diabetes
Bisher wird die Stoffwechselerkrankung pathogenetisch orientiert in einen Typ 1- und einen Typ 2-Diabetes unterteilt. Bei ersterem handelt es sich um eine autoimmuninduzierte Entzündung mit Zerstörung der Betazellen und konsekutivem Insulinmangel. Die Pathogenese des Typ 2-Diabetes ist dagegen komplex, wobei eine Abnahme der Insulinempfindlichkeit und eine Störung der Insulinsekretion entscheidend sind.
Bei der Manifestation der Erkrankung interagieren Gene und Umwelt. Doch der Beitrag bekannter “Diabetesgene”, von denen es über fünfzig gibt, ist gering, d.h. sie erklären nur ca. 5 Prozent der Heredität.
Die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichen Studie (ANDIS-Studie: All new Diabetics in Skane) sprechen dafür, dass es sich beim Typ 2-Diabetes um eine sehr heterogene Erkrankung mit unterschiedlichen Phänotypen handelt. In diese Studie wurden über 16.000 Patienten mit einem neu entdeckten Diabetes aufgenommen. Sie wurden über 10 Jahre nachverfolgt.
Anhand von sechs Variablen wurden bei 8.980 Patienten Cluster gebildet, wobei GAD-Antikörper, das Alter bei Diagnosestellung, BMI, HbA1c, Parameter der Insulinsekretion und der Insulinempfindlichkeit in die Auswertung eingeflossen sind.
Danach können fünf – drei leichte und zwei schwere – Diabetesformen unterschieden werden:
- Severe Autoimmune Diabetes (SAID, 7 Prozent)
- Severe Insulin-deficient Diabetes (SIDD, 18 Prozent)
- Severe Insulin-resistent Diabetes (SIRD, 15 Prozent)
- Moderate Obesity Diabetes (MOD, 22 Prozent)
- Moderate Age-related Diabetes (MARD, 40 Prozent).
Typisch für SAID, der Typ 1-Diabetiker und solche mit einem LADA umfasst, sind junges Alter, ein hohes HbA1c, wenig Insulin, Schlankheit und eine schwerer Verlauf. Für SIDD, der ebenfalls eine schwere Erkrankung darstellt, gelten dieselben Kriterien, wobei sich häufig eine Retinopathie entwickelt.
Patienten mit einem SIRD sind älter, haben ein niedriges HbA1c, sind übergewichtig und entwickeln häufig eine Nephropathie, eine KHK und eine nicht-alkoholische Fettleber (NASH). Dabei handelt es sich um eine schwere Erkrankung.
MOD ist dagegen ein eher milder Diabetes mit einem niedrigen HbA1c und einem geringen Komplikationsrisiko. Auch MARD stellt eine eher milde Erkrankung bei relativ schlanken Patienten mit einem niedrigen HbA1c und einem geringen Komplikationsrisiko dar, wobei in der Regel ältere Patienten betroffen sind.
Insgesamt zeigen Patienten mit einem SIRD den ungünstigsten Verlauf vor allem im Hinblick auf die Zeit, bis eine Insulintherapie erforderlich wurde bzw. eine diabetische Nephropathie oder ein kardiovaskuläres Ereignis auftrat. Diese unterschiedlichen Verläufe und Risiken für Folgeerkrankungen bieten eine Chance für eine optimierte und präzisierte individuelle Therapie (Andreas Hamann, Bad Homburg).