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Hausarzt MedizinDiabetes Typ 2: Arzt und Patient entscheiden gemeinsam

Patienten mit Diabetes haben ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder andere Komplikationen zu erleiden. In der täglichen Praxis sind verschiedene Therapie- und Präventionsoptionen des Diabetes Typ 2 vorhanden - doch was ist die beste Strategie?

Arzt und Patient können die für den Patienten individuell richtige Entscheidung nur gemeinsam treffen, wenn der Hausarzt optimal unterstützt und der Patient gut informiert ist. Denn die Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 gehört – anders als die des Typ 1 Diabetes – in die Hausarztpraxis. Die Arbeitsgruppe Gesundheitswissenschaften der Universität Hamburg hat dazu ein ISDM-Beratungs- und Schulungsprogramm zur Herzinfarktprävention bei Diabetes mellitus Typ 2 für die ärztliche Praxis entwickelt. ISDM steht für informed shared decision making.

"Ziel unseres Konzeptes der geteilten Entscheidungsfindung ist es, die Patienten zu motivieren, sich an der medizinischen Entscheidung zu beteiligen, um selbst evidenz-basierte Entscheidungen treffen zu können. Für die geteilte Entscheidungsfindung sollen die Patienten umfassend informiert sein, ihre eigenen Therapieziele festlegen und diese priorisieren. Die Qualität der Entscheidungen soll dadurch verbessert werden", führt Dr. phil. Susanne Buhse, Universität Hamburg aus.

Das ISDM-Beratungs- und Schulungsprogramm beinhaltet die Komponenten

Die Entscheidungshilfe, die die bereits ins DMP-Programm eingeschriebenen Patienten vorab in praktischer Broschürenform erhalten, soll Wissen vermitteln. Sie informiert umfassend zum Herzinfarktrisiko und über Maßnahmen zur Vorbeugung. Mit der Broschüre zur Entscheidungshilfe soll der Patient die Vorschläge des Arztes besser verstehen und über die Vor- und Nachteile der Maßnahmen gut informiert werden. Das erworbene Wissen soll den Abwägungsprozess von Nutzen und Schaden einer Therapie unterstützten und die Entscheidungskonflikte reduzieren. "Letztlich erhöht das die Zufriedenheit des Patienten mit der Entscheidung", betont Buhse.

Ziele von Arzt und Patient stimmen oft nicht überein

"Wir haben während unserer kontrollierten Studie in der Kontrollgruppe festgestellt, dass die Ziele von Arzt und Patient oft nicht übereinstimmen. Entscheidungshilfe alleine reicht nicht aus. Damit kann man nicht sicherstellen, dass die Patienten verstanden haben, was in der Broschüre steht. Deshalb haben wir um ein Schulungsmodul und die strukturierte Beratung ergänzt. Auf diese Weise lässt es sich gut in das bestehende DMP-System integrieren".

In zwei randomisiert kontrollierten Studien (RCT) wurde das ISDM-Programm evaluiert. In der Poliklinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen des Universitätsklinikums Jena zum einen zur Exploration der Wirksamkeit, zum anderen cluster-randomisiert (cRCT) zur Exploration der Wirksamkeit unter Implementierungsbedingungen in 22 Hausarztpraxen mit 279 Patienten in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hamburg.

Ziel war es herauszufinden, ob die Schulung der Behandlungsgruppe im Vergleich zu einer Schulung über Ernährung, Bewegung und Stress (Kontrollgruppe) sich unterschiedlich beim Verstehen von Nutzen und Schaden der Maßnahmen zur Herzinfarktvorbeugung und beim Erreichen der Therapieziele auswirken.

In der Zeit von März 2013 bis März 2015 haben jeweils 77 Patienten pro Gruppe teilgenommen. Nach der Schulung haben alle Teilnehmer ihre Therapieziele festgelegt. Nach sechs Monaten wurde untersucht, ob sie ihre Ziele erreicht haben. In der Behandlungsgruppe war das Erreichen des Blutdruckziels für die meisten Patienten am wichtigsten, in der Kontrollgruppe das Erreichen des Blutzuckerziels (HbA1C-Wert).

Es hat sich gezeigt, dass nach sechs Monaten mehr Teilnehmer in der Behandlungsgruppe ihren selbst festgelegten HbA1c-Wert er- reichten. Dies war bei 68 von 71 Patienten der Fall. In der Kontrollgruppe waren es nur 60 von 70. Weitere Ziele wie Blutdruck, Statin-Einnahme, Rauchen und das für die Patienten persönlich wichtigste Ziel wurden von beiden Gruppen gleich gut erreicht, führt Buhse aus.

Bei der Auswertung habe sich gezeigt, dass Patienten, die an der Schulung zur gemeinsamen Entscheidungsfindung teilgenommen haben, ein besseres Verständnis zum Thema Herzinfarktvorbeugung, eigenes Herzinfarktrisiko sowie Nutzen und Schaden der Vorbeugemaßnahmen hatten. In der Behandlungsgruppe konnten durchschnittlich 8 von 12 Fragen richtig beantwortet werden, in der Kontrollgruppe 3 von 12 Fragen. Die Ergebnisse der RCT-Studie konnten in der cRCT-Studie mit Hausarztpraxen bestätigt werden.

"Mit den Studien konnte gezeigt werden, dass das ISDM-Programm geeignet ist, Patienten umfassend und verständlich zur Herzinfarktvorbeugung zu schulen, damit sie informierte und geteilte Entscheidungen zu eigenen Therapiezielen auf Basis gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse und ihrer eigenen Therapiepräferenzen treffen konnten. Die Umsetzung in den Hausarztpraxen hat gut funktioniert", fasst Buhse zusammen.

Für Prof. Dr. med. Ingrid Mühlhauser, Universität Hamburg, hat die Evaluierung zu zwei aus ihrer Sicht sehr erstaunlichen Ergebnissen geführt. "In der Kontrollgruppe werden keine informierten Entscheidungen getroffen. In der Behandlungsgruppe haben die Ärzte die Therapieziele viel rationaler umsetzen können, weil die Patienten im Arzt-Patienten-Gespräch vorab sinnvoller priorisiert hatten".

Der nächste Schritt sei nun die Zertifizierung, damit eine Kostenübernahme durch die Gesetzlichen Krankenkassen erfolgen könne.

Hintergrundinfos zur Studie "Diabetes und Herz"

Im Rahmen der Studie "Diabetes und Herz" haben Gesundheitswissenschaftler der Universität Hamburg eine evidenz-basierte Patienteninformation (EbPI) und eine ISDM-Schulung (informed shared decision making) für Menschen mit Typ 2 Diabetes erarbeitet.

Das Projekt wurde aufgrund der Empfehlung der Nationalen Versorgungsleitlinie zur Strategie der gemeinsamen Entscheidungsfindung entwickelt.

Es wurde von der wissenschaftlichen Abteilung der AOK und der Europäischen Diabetes Gesellschaft (European Foundation for the Study of Diabetes – EFSD) gefördert.

Komponenten des Projekts:

  1. Entscheidungshilfe – Broschüre für Patienten

  2. Patienten-Gruppenschulung

  3. strukturiertes Arzt-Patienten-Gespräch

  4. verbindliche Zielvereinbarung zwischen Arzt und Patient

  5. Train-the-Trainer Modul

Weiterführende Informationen unter:

www.diabetes-und-herzinfarkt.de

Die Entscheidungshilfe "Vorbeugung von Herzinfarkten bei Typ 2 Diabetes":hausarzt.link/gKeeV

Quellen: Interview Dr. Buhse

Vortrag "Entscheidungshilfe zum Diabetes Mellitus Typ 2" im Rahmen des 2. Arriba Symposiums am 2.3.2018 in Berlin

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