© Hans-Jürgen Tietz Kulturen der häufigsten Onychomykose-Erreger: T. rubrum (a), T. interdigitale (b), C. albicans (c, blaue Kolonien) und S. brevicaulis (d).
Bedrohlich ist die Infektion nicht. Ihr mit Abstand häufigster Erreger T. rubrum, wächst langsam, nicht bei 37 Grad Celsius und benötigt als Nahrungsquelle Keratin. Damit gedeiht er im Inneren des Körpers nicht. Ein besonderes und mitunter dramatisches Problem sind jedoch Infektionen der Füße von Diabetikern [3] .
Mykosen bei Diabetikern
Prädisponiert sind die Zehen-Zwischenräume. Aufgrund einer Polyneuropathie, bei der das Symptom Juckreiz fehlt, kann es unbemerkt zu einer Superinfektion der Mykose durch Bakterien kommen.
Dadurch bedingte Erysipele oder der gramnegative Fußinfekt durch P. aeruginosa sind die häufigsten Ursachen für eine Amputation. Etwa die Hälfte dieser Patienten überleben einen Eingriff oberhalb des Fußgelenks innerhalb der ersten drei Jahre nicht [4] . Deshalb ist es in dieser Patientengruppe besonders wichtig, an eine Mykose zu denken und diese zu behandeln.
Epidemiologie
Betroffen sind alle Altersklassen. Es erkranken Kranke und Gesunde, Sportler und körperlich weniger aktive Menschen, Betroffene aus allen sozialen Schichten, Erwachsene und Kinder. Die Anzahl der weltweit Betroffenen (Prävalenz) liegt bei etwa einer Milliarde Menschen [5] . Damit erfüllt die Onychomykose alle Kriterien einer pandemischen Volkskrankheit.
Von Geburt an existiert die Erkrankung nicht. Der erste Altersgipfel liegt zwischen dem 5. und 12. Lebensjahr. Man schätzt, dass ab dem 65. Lebensjahr jeder Zweite Senior von Nagelpilz betroffen ist [6,7].
Ein spezielles Liebespaar sind Mykosen und Sport [8] . Wie empfänglich insbesondere der Sport für Mykosen ist, zeigt eine Reihenuntersuchung bei Fußballprofis in Hamburg. 60,7 Prozent der Probanden hatten eine Onychomykose, 36,9 Prozent eine Tinea pedis [9] .
Prädisponierende Faktoren
Die Onychomykose ist fast immer das Ergebnis eines Zusammentreffens des Erregers (Exposition) mit begünstigenden Faktoren wie Sport, Traumata, bestimmte Berufe mit pilzfreundlichem Schuhwerk, kalte Füße, erhöhte Schweißbildung, verlangsamtes Nagelwachstum, Krankheiten wie Diabetes und Durchblutungsstörungen, das Rauchen und/oder Chemotherapeutika (Prädisposition).
Bei Kindern und Jugendlichen sind Plastikschuhe und Belastungen bei Spiel und Sport wichtigste prädisponierende Faktoren. Der Druck auf die Nägel ist insbesondere beim Tanzen, Tennis oder Fußball hoch. Feuchtigkeit wie Schweiß begünstigt den Erreger ebenfalls.
Bei älteren Menschen ist die Durchblutung geringer, dadurch sind die Füße kälter, Haut und Nägel wachsen langsamer, was den Erregern große pathogenetische Vorteile verschafft.
Essenziell für das Zustandekommen einer Infektion ist das Vorhandensein von Rezeptoren, an denen die Erreger andocken können. Dies ist primär genetisch bedingt, weshalb oft ganze Familien erkranken, andere dagegen nicht. Die Dermatophyten bevorzugen ein feuchtkaltes Milieu, ihre Sporen können jedoch auch bei hohen Temperaturen überleben, wie auf dem Boden einer Saunakabine [10, 11].
Klinik
Das Vorstadium der Onychomykose, eine Tinea pedis, beginnt meist an den äußeren Zehen- Zwischenräumen. Die Haut juckt, ist gerötet und erinnert an “gekochtes Fleisch”. Bei ausgedehnterem Befall gleicht der Rand des Fußes dem eines “Mokassin”-Schuhs. Oft treten Tinea pedis und Onychomykose gleichzeitig auf (siehe Abb. 4 unten).
© Hans-Jürgen Tietz Tinea pedis (links) und Onychomykose (rechts) – zwei Stadien der gleichen Infektion.
Die Pilzinfektion der Nägel ist eigentlich eine einfache Blickdiagnose. Es sind nie alle Nägel betroffen. Einzelne Nägel bleiben gesund, meist jene, die schneller wachsen als der Pilz. Der Erreger dringt fast immer von den äußeren Nagelrändern ein, mehrheitlich auf einer Körperseite, was in Abgrenzung zu anderen Dermatosen sehr charakteristisch ist.
Es geht die Transparenz des Nagels verloren, gefolgt von einer diffusen, nie scharf begrenzten Ausbreitung, mit bröckeligem Zerfall der Nagelplatte. Diese kann sich schmerzhaft verdicken.
Mikrobiologische Diagnostik
Bestehen Zweifel an der Diagnose, sollte eine mikrobiologische Untersuchung erfolgen. Goldstandard ist heute die PCR [12] , die im Unterschied zur Kultur hochsensitiv ist und auch unter einer Therapie bzw. Vorbehandlung erfolgen kann (siehe Abb. 5 unten).
© Hans-Jürgen Tietz Moderne Gendiagnostik mit Hilfe der EUROIMMUN PCR. Erreger: T. rubrum bei Signal T4.
Sollte keine Gendiagnostik möglich sein, weil die gesetzlichen Krankenkassen die moderne Gendiagnostik in der Mykologie noch nicht unterstützen, ist das Anlegen einer Kultur die Methode der Wahl. Hierzu alle topischen (mindestens vier Wochen) und systemischen Antimykotika (mindestens acht Wochen) vor der Probenentnahme absetzen.
Danach ohne vorherige Desinfektion der Entnahmestellen reichlich zerstörtes Nagelgewebe von verschiedenen verdächtigen Stellen mit Hilfe einer Schere fein auf ein Blatt Papier raspeln, sowie mit einem zahnärztlichen Haken weiches Material unterm Nagel hinzufügen, zusammenfalten und an ein Labor senden.
Differenzialdiagnosen
Die Onychomykose ist zwar die mit Abstand häufigste Nagelerkrankung, aber nicht die einzige. Etwa 50 Prozent aller Patienten, die sich mit dem Verdacht auf einen Nagelpilz in den Praxen vorstellen, haben eine nichtinfektiöse Dermatose der Nägel [13] .
Zu den häufigsten Erkrankungen, die das gesunde Erscheinungsbild der Nägel verändern können, gehören Verhornungen (Onychogrypose) und andere Nagelwachstumsanomalien, die Nagelpsoriasis, Nagelekzeme, die spontan heilende aproximale Nagelablösung bei viralen Infekten (Onychomadesis), Hämatome, Nävi, maligne Melanome und arzneimittelbedingte Nebenwirkungen, u.a. durch Blutdrucksenker und Chemotherapeutika (Abb. 6 unten).
© Hans-Jürgen Tietz Häufige nichtinfektiöse Nagelerkrankungen: Onychogrypose (a), infektassoziierte Nagelablösung vom proximalen Ende bei EB-Virus-Infektion (b), Psoriasis mit „Ölfleck“ (c) und Krümelnägeln (d), Nagelekzeme durch einen kosmetischen (e) und einen medizinischen Nagellack (f), Arzneimittelnebenwirkungen durch Einnahme von L-Thyroxin (g) und eines Blutdrucksenkers (h).
Therapie
Die Onychomykose ist die einzige Nagelerkrankung, die stets heilbar ist. Altersgrenzen gibt es in der Therapie nicht, weder bei Kindern noch bei älteren Patienten (siehe Abb. 7 unten).
© Hans-Jürgen Tietz Onychomykose bei einem 5-jährigen Mädchen (oben) und einer 80-jährigen Dame (unten), vor (links) und nach Therapie (rechts)
Immer öfter wünschen Senioren eine Therapie, um sich im Pflegefall wegen ihrer Nägel nicht schämen zu müssen. Die Pilztherapie ist auch epidemiologisch wichtig. Denn ohne Behandlung bleibt man ansteckend, für sich selbst und für andere.
Der Schlüssel zum Heilerfolg liegt im Zusammenspiel von äußeren und inneren Therapien. Ihr Ziel muss es sein, den Erreger in all seinen Bestandteilen zu beseitigen, einschließlich der im Nagelbett befindlichen Sporen. Ein vielversprechender Behandlungsansatz ist die Lasertherapie. Sie wirkt jedoch noch nicht gegen die dagegen resistenten Sporen im Nagel und Nagelbett [14] .
Die Therapie besteht aus einer Pyramide. Das Fundament der Behandlung ist die Lokaltherapie [13] :
1 . Sind die Nägel verdickt, erfolgt eine atraumatische Ablösung der vom Pilz geschädigten Nagelsubstanz mit einer 40-prozentigen Harnstoffzubereitung als Salbe oder Geloil, schmerzfrei und in Eigenregie des Patienten [15] . Dieser Schritt erfolgt so lange, bis sich kein krankhaftes Nagelmaterial mehr ablöst. Nicht befallene Nagelanteile bleiben vom Harnstoff unberührt, einer scharfen “Bordsteinkante” gleich (siehe Abb. 8 unten).
© Hans-Jürgen Tietz Atraumatische Nagelablösung eines pilzbefallenen Nagels durch eine 40-prozentige Harnstoffsalbe mit Bifonazol, vor (links), während (Mitte) und nach der Therapie (rechts).
Das infizierte Gewebe kann auch abgefräst oder mit einem ablativen Laser beseitigt werden. Nagelextraktionen sind dagegen nicht mehr state of the art und traumatisch.
2 . Die Fortsetzung der lokalen Therapie erfolgt mit Lösungen, Tinkturen, Sprays oder einer Schaumcreme, die Antimykotika wie Clotrimazol, Bifonazol oder Sertaconazol enthalten. Die Substanzen wirken breit und verfügen in dieser Galenik über einen Kapillareffekt.
3 . Zur Verbesserung der Compliance ist es sinnvoll, den Patienten eine schriftliche Therapieanweisung mitzugeben, mit der Bitte, den Fortschritt der Therapie einmal pro Monat selbst zu fotodokumentieren.
4 . Eine gleichzeitig oder singulär bestehende Tinea pedis wird parallel 1-2 mal täglich über zwei Wochen mit Cremes oder Sprays behandelt, die Breitbandantimykotika wie Bifonazol, Sertaconazol oder Ciclopirox enthalten.
Systemische Therapie
Sind mehr als drei bzw. einzelne Nägel stärker als zwei Drittel befallen, erfolgt eine zusätzliche innere Therapie [16] . Sie hat sich in den letzten Jahren fundamental verändert. Zum einen aufgrund der galenischen Optimierung der Wirkstoffe, zum anderen in der Dosis und im Modus der Anwendung.
Das moderne Konzept der Onychomykose-Therapie besteht heute in einer kontinuierlichen Einnahme von Fluconazol oder Itraconazol mit einer Dosis pro Woche [12] . Eine solche Therapie ist nicht nur gut verträglich, sie wird auch der Komplexität der Erreger gerecht.
© Der Hausarzt Systemische Therapie der Onychomykose bei Kindern und Erwachsenen
Die Intervalle ermöglichen den im Nagelbett befindlichen Pilz-Sporen Keimschläuche zu bilden, die Achillesferse der Erreger, welche den Antimykotika viele Angriffspunkte bieten. Da nur Pilze diese Strukturen besitzen und die Antimykotika nur dort wirken, ist die Therapie auch aus diesem Grund ausgezeichnet verträglich.
Itraconazol wurde als erstes Antimykotikum in ein galenisch stabiles Polymer eingebettet: Das SUBA-super bioavailability-Itraconazol [17] . Es ist gegen alle Erreger der Onychomykose wirksam. Neu sind Resistenzen von T. rubrum gegenüber Terbinafin [18] . Auch aufgrund von Nebenwirkungen (Psoriaisis, Lupus, Lichen ruber) ist es kritisch zu bewerten [19] .
Die kontinuierliche Langzeittherapie mit SUBA-Itraconazol oder Fluconazol erfolgt bis zur klinischen und mikrobiologischen Heilung, idealerweise bestätigt durch eine negative PCR (Tab. 1).
Die gering dosierte und gut verträgliche kontinuierliche Therapie ist auch für Kinder geeignet, wobei der Kapselinhalt des SUBA-Itraconazol aufgrund seiner galenischen Stabilität herausgenommen und mit einer schmackhaften Kinderspeise vermischt werden kann [13] .
Flankierende Maßnahmen
Um einen nachhaltigen Heilerfolg zu erreichen, ist es ratsam, die Schuhe mit einem Spray aus der Apotheke zu behandeln, am besten am Ende der ersten Therapiewoche, da bereits vier Tage nach Beginn der Therapie keine lebenden Erreger mehr an die Umwelt abgegeben werden. Im Schuh oder auf Böden verbliebene Sporen überleben maximal sechs Monate.
Im Zusammenspiel mit Tensiden sterben sie bei 60 Grad in der Waschmaschine ab. Beim Waschen, Wischen von Fußböden und Saugen von Teppichen besteht zudem ein großer Verdünnungseffekt, so dass die Wohnung nicht exzessiv mit Desinfektionsmitteln behandelt werden muss. Sehr viel wichtiger ist die Mitbehandlung erkrankter Familienmitglieder, die wichtigste exogene Quelle für ein Rezidiv.
Leberwertkontrollen sind nicht vorgeschrieben [20] . Gute medizinische Praxis wäre, die Gamma GT je einmal vor, während und nach der Therapie zu kontrollieren. Bei Kindern kann im Falle einer negativen Hepatitis-Anamnese und aufgrund der geringen Dosierung verzichtet werden.
Fazit
Dank moderner diagnostischer Methoden und neuer therapeutischer Konzepte sind die Möglichkeiten, Mykosen zu erkennen und erfolgreich zu behandeln besser denn je.
Das Fundament der Therapie ist die lokale Behandlung im Zusammenspiel mit einer gut verträglichen, gering dosierten inneren Behandlung, bis zum kompletten klinischen Erfolg.
Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Buch-Tipp: Das neue Lehrbuch über Mykosen beschäftigt sich mit Pilzinfektionen in der hausärztlichen Praxis, Dermatologie, Pädiatrie und Gynäkologie. Reich bebildert enthält es neben einer modernen Diagnostik auch innovative Therapiekonzepte.
“Mykosen. Diagnostik und Therapie”, Hans-Jürgen Tietz; Hardcover, 104 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, 119 Euro; ISBN 13: 9783931766498; www.omnimedonline.de
Literatur
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