Etwa 43 Prozent der Sterbenden sind von deliranten Symptomen betroffen. Gründe dafür können Stoffwechselstörungen, Medikamentennebenwirkungen oder Medikamentenentzug, ein Multiorganversagen, unerkannte epileptische Anfälle, die Ausdehnung der Grunderkrankung auf das Zentralnervensystem oder schlicht ein Umgebungswechsel sein (Tab. 1).
Bei dem Wort Delir denkt mancher sofort an das Alkoholentzugsdelir. Delirien haben zahlreiche Ursachen und kommen sehr häufig in der Palliativversorgung vor. Nur in seltenen Fällen handelt es sich dabei um Alkoholentzugsdelirien. Delirien werden sehr oft verkannt. Verwandte Begriffe sind Verwirrtheitszustände oder Enzephalopathien. Besonders gefährdet, ein Delir zu entwickeln, sind alte Menschen, Menschen mit multiplen Erkrankungen, insbesondere Leberund Nierenfunktionsstörungen, Menschen mit Demenz oder anderen neurologischen Erkrankungen.
Symptome
Nach der Confusion Assessment Methode (CAM) ist ein Delir gekennzeichnet durch:
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Akute Veränderung im mentalen Status des Patienten und/oder
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Fluktuierender Verlauf und
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Aufmerksamkeitsstörung und
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Formale Denkstörung oder
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Veränderte Bewusstseinslage
Bei einem Delir kann es zu folgenden Veränderungen kommen:
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Veränderung des Bewusstseins von Schläfrigkeit bis hin zum Koma
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Verminderung der Aufmerksamkeit und dabei insbesondere zu Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit auf etwas zu richten und aufrechtzuerhalten
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Umstellungserschwernis
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Verminderte Gedächtnisleistung
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Eingeschränkte Orientierung
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Verminderte Fähigkeit, zu sprechen
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Veränderung, Verzerrungen der Wahrnehmungen in Form von Sinnestäuschungen vor allem im Bereich der optischen Wahrnehmung (illusionäre Verkennungen, optische Halluzinationen)
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Einschränkungen des abstrakten Denkens
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Überaktivität oder reduzierte Aktivität (Psychomotorik)
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Veränderte Emotionalität (vermehrte Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Aggressivität, Euphorie, Apathie)
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Umkehr des Schlaf-Wach-Rhythmus Emotionale Labilität mit Ängstlichkeit und Unruhe sind häufige Erstsymptome eines Delirs.
Beachtet wird meist das hyperaktive Delir mit Agitation und Halluzinationen, da es für die Umgebung sehr störend ist. Häufig treten jedoch auch hypoaktive Delirien mit Apathie und Schläfrigkeit auf. Sie werden oft nicht festgestellt. Anders als für die betreuenden Gesundheitsberufe ist das hypoaktive Delir für den Betroffenen und seine Angehörigen mindestens genauso einschränkend wie das hyperaktive Delir. Insgesamt ist die Belastung für Betroffene und Angehörige ohnehin groß. Für die Angehörigen entsteht Leidensdruck dadurch, dass sie Verhaltensweisen an einem geschätzten, geliebten Menschen feststellen müssen, die sie so nicht kennen und sich damit aus ihrer Rolle als Partner, Kind, Freund distanzieren müssen, da das Verhalten für sie nicht immer verstehbar ist. Dies geschieht vor allem beim hyperaktiven Delir. Auch beim hypoaktiven Delir ist der Verlust durch die Umgebung groß, haben sie es doch mit einem Menschen zu tun, der kaum mehr ansprechbar ist.
Medikamentöse Therapie
Delirien sind glücklicherweise gut behandelbar. Medikamentöse Maßnahmen bestehen aus Neuroleptika, beispielsweise Haloperidol. Begleitend ist häufig ein Benzodiazepin wie Lorazepam sinnvoll.
Bei sehr starker Agitation ist die Kombination eines eher beruhigenden Neuroleptikums wie Melperon, Pipamperon oder gelegentlich auch Levomepromazin sinnvoll.
Nicht medikamentöse Maßnahmen
Nicht medikamentöse Maßnahmen sind ebenso wichtig wie die Verordnung von Medikamenten. Zu empfehlen sind folgende Strategien:
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Für Sicherheit sorgen: Dafür sorgen, dass der Betroffene nicht allein umherirrt und in Gefahrenbereiche kommt. Sitzwachen stellen.
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Besuche fördern: Freunde und Familie zu Besuchen ermutigen.
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Aufklärungen: Auch im Delir sind Menschen oft noch Erklärungen zugänglich. Sie müssen wegen der Konzentrationsstörungen jedoch einfach sein und unter Umständen mehrfach wiederholt werden.
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Herumgehen erlauben (eventuell unter Aufsicht).
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Keine Fixierungen: Fixierungsmaßnahmen verstärken die Unruhe meist.
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Bei Sehbehinderung oder Schwerhörigkeit für Brille bzw. Hörgerät sorgen.
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Sichere und konstante Umgebungsbedingungen: Bettbereich hell und ruhig, wenig Personalwechsel, keine unnötigen Verlegungen.
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Tagesaktivitäten einplanen (z. B. Spazierengehen, Reden, Musikhören, Fernsehen).
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Schlafgewohnheiten beachten.
Delirmanagement
Wichtig ist die Gestaltung der Umgebung mit bekannten Gegenständen, Orientierungsgebern wie großen Uhren oder Kalendern, gleichbleibenden Kontaktpersonen. Die gute Informationder Angehörigen hat einen erheblichen Stellenwert. Maßnahmen der wertschätzenden Kommunikationunter Berücksichtigung emotionaler Aspekte, wie es z. B. in der Validation geschieht, haben ebenfalls eine hohe Bedeutung. Alle diese Maßnahmen werden unter dem Begriff des Delirmanagements zusammengefasst.
Prävention
Wichtig ist es, Delirien nicht nur zu behandeln, sondern das Auftreten eines Delirs durch vorbeugende Maßnahmen zu vermeiden. Solche Präventionsmaßnahmen sind:
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Schmerzen vermeiden
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Sauerstoffversorgung verbessern
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Stress reduzieren
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Wahrnehmung fördern
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Kommunikation ermöglichen
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Ausscheidung (Urin, Stuhlgang) normalisieren
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Ernährung und Elektrolyt-/Flüssigkeitshaushalt normalisieren
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Infektionen vermeiden
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Mobilität zurückgewinnen
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Frühzeitig Risikopatienten ermitteln
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Frühzeitig mit der Behandlung von Risikofaktoren beginnen
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Früherkennung durch systematisches Screening von kognitiven Fähigkeiten
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Frühzeitiger Behandlungsbeginn bei Anzeichen eines beginnenden Delirs
Fazit
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Delirien sind in palliativer Versorgung häufig und haben zahlreiche Ursachen.
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Neben dem hyperaktiven Delir kommt es auch häufig zu hypoaktiven Delirien, die dann schwerer zu diagnostizieren sind.
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Maßnahmen der nicht medikamentösen Delirtherapie (z. B. für eine sichere Umgebung sorgen) werden durch medikamentöse Therapien (Neuroleptika, Benzodiazepine) ergänzt.
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Wichtig ist die Delirprävention.
Literatur:
- Gerhard C. Praxiswissen Palliativmedizin, Thieme Verlag Stuttgart 2015
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.