Das Risiko, an einer klinisch bedeutsamen benignen Prostatahyperplasie (BPH) zu erkranken, beträgt bei Männern zwischen 50 und 59 Jahren 10 – 20 Prozent und bei den 60- bis 79-Jährigen25 – 35 Prozent. Fast alle 90-Jährigen haben im pathologischen Sinne eine BPH.
Das englische Akronym LUTS (Lower urinary tract symptoms) fasst irritative und ob struktive Miktionsbeschwerden zusammen, die jedoch nicht spezifisch für die BPH sind (Tab. 1). Treten Miktionsbeschwerden (LUTS), Harnblasendysfunktion, Hämaturie oder Harnwegsinfekte aufgrund einer BPH auf, so spricht man vom benignen Prostatasyndrom (BPS). Als Komplikationen des BPS können sich Harninkontinenz im Sinn einer chronischen Harnretention mit Überlauf- oder Dranginkontinenz, erektile Dysfunktion, Harnverhalt, rezidivierende Harnwegsinfekte mit oder ohne Prostatitis, Harnblasendivertikel, Makrohämaturie, Harnsteine und schließlich sogar Harnstauungsnieren mit Nierenversagen, Pyelonephritis oder sogar Urosepsis ergeben.
Diagnostik
Die diagnostische Herausforderung besteht in der Klärung der Ursache der Miktionsbeschwerden. Erst nach Ausschluss anderer Erkrankungen einschließlich des Prostatakarzinoms können mit dem Alter fortschreitende Miktionsbeschwerden auf eine BPH zurückgeführt werden.
Die Anamnese spielt eine zentrale Rolle bei der Differenzialdiagnostik. Für die Quantifizierung der Symptome des BPS und die Objektivierung des Therapieerfolgs steht ein validierter Fragebogen, der International Prostate Symptome Score (IPSS), zur Verfügung.
Neben der Urinanalyse mit Urinteststreifen und/ oder Urinsediment und gegebenenfalls der Urinkultur sollte eine Blutuntersuchung einschließlich Kreatinin und PSA erfolgen. Letzteres kann bei der Differenzierung zwischen BPH und Prostatakarzinom hilfreich sein. Die Bestimmung ist bei Patienten mit einer Lebenserwartung von über 10 Jahren zu empfehlen. Der PSA-Wert muss in Korrelation zur Prostatagröße betrachtet werden, bei erhöhten PSA-Werten ist nach eventueller Behandlung einer Prostatitis der stanzbioptische Ausschluss eines Pros tatakarzinoms notwendig.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Diagnostik bei BPH ist die Harnstrahlmessung. Ein Harnfluss unter 10 ml/s ist charakteristisch für ein ausgeprägtes BPS, Werte über 15 ml/s sind als physiologisch anzusehen. Hier muss die Notwendigkeit einer eventuellen Therapie kritisch geprüft werden.
Die Urosonografie kann Aussagen über Blasenwanddicke, Blasendivertikel, Restharn, Harnsteine, Dilatationen der oberen Harnwege und Prostatagröße liefern. Vor allem der transrektale Ultraschall (TRUS) lässt eine unmittelbare Darstellung der Vorsteherdrüse in der sagittalen und horizontalen Ebene und somit die Messung von Länge, Breite und Höhe zur Berechnung des Prostatavolumens zu. Bei Makro- und Mikrohamaturie und bei Verdacht auf Harnröhrenstrikturen oder Blasentumoren sollte eine Zystoskopie durchgeführt werden. Sie gehört jedoch nicht zur Routinediagnostik.
Therapie
Charakteristisch für das benigne Prostatasyndrom ist die Komplexität und außerordentliche Vielfalt der Symptome. Es besteht die Möglichkeit, konservativ oder operativ zu behandeln.
Kontrolliertes Zuwarten (watchful waiting) ohne Medikation oder operative Ansätze ist bei milden und moderaten Symptomen des BPS ohne Therapiewunsch des Patienten möglich. Dem natürlichen Verlauf der Erkrankung entsprechend ist über die Zeit aber von einer langsamen Progredienz des BPS auszugehen. Es ist damit zu rechnen, dass intermittierend auftretende Symptome von symptomarmen Intervallen abgelöst werden. Bei geringen Beschwerden (IPSS < 8) ist eine Therapie im Allgemeinen nicht erforderlich. Regelmäßige Kontrollen sind in halbjährlichen Abständen zu empfehlen.
Nicht indiziert ist eine konservative Behandlung bei klinisch relevanter infravesikaler Obstruktion oder bei Vorliegen folgender BPS-bedingter Komplikationen: Restharnwerte über 100 ml, rezidivierender Harnverhalt, rezidivierende Harnwegsinfektionen, konservativ nicht beherrschbare, rezidivierende Makrohämaturien, Harnblasenkonkremente, Dilatation des oberen Harntrakts, eingeschränkte Nierenfunktion oder Niereninsuffizienz. Die Wahl des Behandlungsverfahrens sollte gemeinsam von Patient und Arzt erfolgen.
Medikamente
Die medikamentöse Therapie muss individuell angepasst werden und dem Indikations bereich der einzelnen Medikamente entsprechen. Eine sorgfältige Patientenselektion ist dringend erforderlich. Die Wirksamkeit der Therapie muss anhand eines Symptomfragebogens, gegebenenfalls mit der Bestimmung von Harnfluss und Restharn überprüft werden.
Phytotherapie: In Deutschland sind zur Behandlung des BPS derzeit Phytopräparate aus der Sägezahnpalmenfrucht (Serenoa repens, Sabal serrulata), Brennnesselwurzel (Urtica dioica), Kürbissamen (Cucurbita pepo), Roggenpollen (Secale cereale), Hypoxis rooperi, Pinus und Picea als rezeptierund erstattungsfähige Arzneimittel zur Behandlung des BPS verfügbar. Die vermuteten Wirkungsweisen umfassen die Hemmung der 5α-Reduktase, die Inhibition von Wachstumsfaktoren, die Förderung der Apoptose, antiinflammatorische Wirkungen, Placeboeffekte und viele mehr. Nur wenige gut strukturierte randomisierte Studien belegen eine moderate Wirkung von Phytopharmaka. Die Wirkung von Serenoa repens ist am besten durch Studien abgesichert. Für viele Präparate sind die Daten aber nach wie vor unzureichend.
Alpharezeptorenblocker: Vier verschiedene Alpha-1-Adrenozeptorantagonisten (Alphablocker) stehen in Deutschland für die BPS-Behandlung zur Verfügung: Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin und Terazosin. Im Vergleich zu Placebo verbessern die Alphablocker die LUTS deutlich, den maximalen Harnfluss bei der Uroflowmetrie (Qmax) aber nur gering. Charakteristisch für die Alphablocker sind der rasche Eintritt der maximalen Wirkung auf die Symptome und die Dosisabhängigkeit von Wirkungen und Nebenwirkungen. Vor Therapiebeginn ist die Medikamentenanamnese wichtig, da z. B. Begleitmedikationen zur Therapie der Hypertonie wie Kalziumantagonisten, Betablocker und ACE-Hemmer bei einigen Alphablockern zu einer Verstärkung der kardiovaskulären Nebenwirkungen führen können. Die gleichzeitige Verabreichung anderer Alphablocker zur Hypertoniebehandlung ist kontraindiziert. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Alphablocker, die ursprünglich in der Hypertoniebehandlung eingesetzt wurden (Doxazosin, Terazosin), eine geringere Verträglichkeit aufweisen als jene, die primär für die BPS-Behandlung entwickelt wurden (Alfuzosin, Tamsulosin). Galenische Zubereitungen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (Retardformulierungen) zeigen im Vergleich zu solchen mit unmittelbarer Freisetzung eine verbesserte Verträglichkeit.
5α-Reduktase-Hemmer: Eine Hemmung der 5α-Reduktase in der Prostata führt zum Absinken der intraprostatischen Dihydrotestosteron-( DHT-)Konzentration. Hierdurch kann eine Reduktion des Drüsenvolumens erzielt werden. Zahlreiche Studiendaten belegen eine Langzeitwirksamkeit für Finasterid bei Prostatavergrößerung und scheinen eine Verminderung der Progredienz des Leidens anzuzeigen. Eine ausreichende Wirkung von Finasterid ist nur zu erwarten, wenn das initiale Drüsenvolumen über 40 ml liegt. Darüber hinaus kann mit Finasterid eine BPS-assozierte Hämaturie supprimiert werden. Schwere Nebenwirkungen treten unter Finasterid nicht auf. Gelegentlich wurde über eine Verringerung des Ejakulatvolumens, eine Abnahme der Libido und Potenzstörungen berichtet. Diese Nebenwirkungen nahmen jedoch mit zunehmender Therapiedauer ab. Gynäkomastie oder Brustschmerzen traten nur in sehr seltenen Fallen auf.
Phosphodiesterase-Hemmer: Inzwischen ist auch ein Hemmstoff der Phosphodiesterase 5 im Rahmen einer Konstanztherapie bei BPS zugelassen, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind und für die Standardmedikation Kontraindikationen bestehen bzw. darunter nicht akzeptable Nebenwirkungen aufgetreten sind. Wie in den Penisschwellkörpern exprimiert auch die glatte Muskulatur der Prostata und der Harnblase Phosphodiesterasen vom Typ 4 und 5. In randomisierten Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Therapie mit Tadalafil in der Dosierung 5 mg täglich BPS-Beschwerden mildert. Vorteilhaft gegenüber der Behandlung mit etwa Tamsulosin ist die zusätzliche Verbesserung der Erektionsfunktion.
Instrumentelle Verfahren
Die transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P) gilt als Standardverfahren, mit dem andere Methoden verglichen werden müssen. Bei geeigneter Patientenselektion und Verwendung moderner Resektionstechniken zeigen sich hervorragende und dauerhafte Ergebnisse bei gleichzeitig niedriger Morbidität. Die erektile Dysfunktion ist keine häufige Nebenwirkung der TUR-P. Die retrograde Ejakulation tritt in 60–90 Prozent der Fälle nach TURP auf.
Die Prostataadenomenukleation, also die offene operative Ausschälung des vergrößerten Drüsenkörpers, erzielt vergleichbar gute Ergebnisse wie die TUR-P, sie sollte aber auf große Drüsenvolumina (> 40 cm3) beschränkt bleiben. In der letzten Zeit wird die offene Adenomenukleation in entsprechend erfahrenen Zentren jedoch auch immer häufiger durch die Holmium-Laser-Enukleation der Prostata (HoLEP) ersetzt. Bei diesem transurethralen Verfahren wird das Adenom im Ganzen mittels Laser unterminiert, abgelöst und meist seitengetrennt in die Harnblase luxiert. Nach Abtrennung der Verbindung zwischen Drüsengewebe und Blasenhals wird das Adenom in der Harnblase morcelliert und transurethral ausgespült. Auf diese Weise können auch große Adenome ohne Bauchschnitt behandelt werden, zudem ist eine histologische Aufarbeitung möglich. Laserverfahren: Die interstitielle Laserkoagulation bzw. laserinduzierte interstitielle Thermotherapie, transurethrale Laserkoagulation bzw. Laservaporisation und Laserresektion haben für die Therapie des BPS klinische Relevanz erreicht. Sie sind zumindest eine Alternative zur medikamentösen Therapie. Die Wirkung auf die Verbesserung von Symptomen ist erheblich besser als die von Medikamenten. Eine Reduktion der infravesikalen Obstruktion ist möglich, erreicht aber in der Regel nicht das Ergebnis der TUR-P. Bei nicht operablen Hochrisikopatienten oder Patienten mit Harnverhalt können die Laserverfahren als Alternative zur TUR-P eingesetzt werden.
Die transurethrale Mikrowellenthermotherapie (TUMT) ist ein alternatives Therapieverfahren, das Mikrowellenenergie zur transurethralen Wärmeapplikation der Prostata verwendet. Vorteile der TUMT sind die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung ohne Narkose sowie fehlendes Blutungsrisiko. Nachteile sind die eventuell bestehende Notwendigkeit einer postoperativen passageren Harnableitung und die vorübergehende Verschlechterung der Symptomatik, über die der Patient präoperativ aufgeklärt werden sollte.
Die transurethrale Nadelablation (TUNA) ist ein alternatives Konzept, bei dem Radiofrequenzwellen appliziert und das BPH-Gewebe umschrieben auf bis zu 100 Grad erhitzt werden. Vorteile sind die narkosefreie Behandlung sowie das fehlende Blutungsrisiko. Nachteile bestehen in der verzögert einsetzenden Wirkung und der teilweise erforderlichen passageren Harnableitung. In vergleichenden Studien gegenüber der TUR-P konnte die TUNA eine signifikante Besserung der Symptomatik, der Lebensqualität und des maximalen Harnflusses erreichen. Sowohl die Ejakulation als auch die Kontinenz bleiben in der Regel unbeeinträchtigt, eine permanente Inkontinenz wurde bislang nicht beschrieben.
Fazit
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Die BPH ist die häufigste Ursache von Miktionsbeschwerden beim Mann.
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Die diagnostische Herausforderung besteht in der Klärung der Ursache für die Miktionsbeschwerden.
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Bei milden und moderaten Symptomen des BPS ist kontrolliertes Zuwarten möglich.
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Bei klinisch relevanter infravesikaler Obstruktion oder bei Vorliegen BPS-bedingter Komplikationen ist eine Operation oder eine Laserbehandlung erforderlich.
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Arzt und Patient sollten die Therapieentscheidung gemeinsam treffen.
Literatur beim Verfasser.
Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.