Acht Prozent der Frauen und drei Prozent der Männer leiden laut Robert-Koch-Institut an starken Schlafstörungen, Schätzungen zufolge nehmen 300.000 bis 1,9 Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig Schlafmittel ein. In der Hausarztpraxis rangieren Schlafstörungen auf Rang 15 aller Konsultationsgründe und sind mit 1,5 Prozent der Beratungsanlässe relativ häufig.
Hoher Leidensdruck
Der Schlafbedarf variiert individuell. Als erholsam empfinden wir Schlaf, wenn er wenige Unterbrechungen zeigt und ausreichend lang ist. Schlafgesunde Erwachsene wachen circa drei bis fünf Mal pro Nacht kurz auf, es fehlt ihnen jedoch die Erinnerung hieran.
Patienten mit Schlafstörungen hingegen unterschätzen den gemessenen Schlaf: Sie schlafen mehr, als sie erinnern.
Ob Ein- und Durchschlafstörungen, Früherwachen oder eine Schlafqualität ohne erfrischende Wirkung: Schlafstörungen sind nach DSM-V durch Tagesmüdigkeit und verminderter Leistungsfähigkeit im Alltag gekennzeichnet.
Für die Patienten entsteht dadurch ein bedeutsamer Leidensdruck.
Interdisziplinäre Diagnostik
Viele somatische und psychisch bedingte Krankheiten können ursächlich für Schlafstörungen sein. Dazu gehören etwa neurologische Erkrankungen wie das Restless-Legs-Syndrom oder internistische Erkrankungen wie die obstruktive Schlafapnoe.
Auch geht die überwiegende Mehrzahl psychischer Erkrankungen – wie Depression oder Angststörungen – mit beeinträchtigtem Schlaf einher. Daher erfordert die Diagnostik von Schlafstörungen ein interdisziplinäres Vorgehen.
Um eine primäre Schlafstörung handelt es sich laut ICD-10, wenn organische Ursachen oder andere psychische Symptome fehlen.
Die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin “Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen – Insomnie bei Erwachsenen” empfiehlt, vor Einleitung einer Therapie eine Medikamentenanamnese zu führen und organische oder psychische Erkrankungen abzuklären.
Sinnvoll ist der Einsatz von Schlaftagebüchern und Schlaffragebögen (s. Link-Tipp). Zudem können Sie eine Polysomnographie im Schlaflabor erwägen.
Therapie je nach Ursache
Die Behandlung der Schlafstörung erfolgt je nach Ursache. Bei primärer Insomnie ist Schlafhygiene, Stimuluskontrolle und Psychoedukation die Basis der Behandlung. Eine gute und einfach durchzuführende Maßnahme ist zudem Bettzeitenrestriktion: Dabei sollten Patienten die Liegezeiten im Bett zwei Wochen lang auf sechs Stunden begrenzen und immer zur selben Zeit aufstehen. Bei fehlender Müdigkeit ist es in Ordnung, wenn die Betroffenen später ins Bett gehen, jedoch sollten sie nicht außerhalb des Bettes schlafen. Therapie erster Wahl zur Selbsthilfe stellt die kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (KVT-I) dar: Es handelt sich um ein sehr wirksames Gruppentherapieprogramm mit sechs bis acht Einheiten.
Medikamentöse Behandlung
Neben der Behandlung von Grunderkrankungen können Sie eine medikamentöse Therapie erwägen. Jedoch sollten Sie nicht zu rasch Medikamente verordnen – dies fördert ein monokausales Krankheitsverständnis. Schlaf-Medikamente können Schlafstörungen zudem verschlechtern oder auslösen.
Zu beachten ist auch, dass nur wenige Medikamente für die Behandlung von Schlafstörungen zugelassen sind. Eine Off-Label-Verordnung erfordert eine umfassende schriftliche Aufklärung über Nutzen und Risiken des Schlafmittels.
Eine Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung kann im Einzelfall beantragt und durch den MDK genehmigt werden.
Nicht länger als vier Wochen
Jede medikamentöse Behandlung einer Insomnie sollten Sie auf zwei bis vier Wochen beschränken und hinsichtlich ihrer Indikation überprüfen. Für eine längerfristige Verordnung fehlt die Evidenz.
Als Medikamente geeignet sind niedrigpotente Neuroleptika (zum Beispiel Pipamperon, Melperon) oder sedierende Antidepressiva (zum Beispiel Doxepin, Trimipramin, Trazodon, Mirtazapin). Doxepin ist für die Behandlung der Insomnie zugelassen, Trimipramin (off-label) besitzt den Vorteil, dass es die Schlafarchitektur nicht beeinträchtigt. Mirtazapin und Trazodon haben kaum anticholinerge Nebenwirkungen.
Die Leitlinien sprechen sich gegen den Einsatz von atypischen Neuroleptika (zum Beispiel Quetiapin) bei Insomnien aus. Benzodiazepine und Z-Substanzen sind kurzfristig möglich. Beim langfristigen Einsatz von Benzodiazepinen ist eine psychiatrische Mitbehandlung, ein klares Therapieziel und eine regelmäßige Nutzen-Risiko-Abwägung obligat.
Für naturheilkundliche Präparate wie Baldrian, Hopfen und Passionsblume oder Nahrungsergänzungsmittel wie Melatonin ist die Evidenzlage unklar.
Kommunikation zählt
Der kompetente Umgang mit Schlaflosigkeit schließt eine frühzeitige Zusammenarbeit mit Psychologen, Nervenärzten und Schlafmedizinern ein. Der wichtigste Aspekt ist und bleibt jedoch ein kommunikationsstarker Hausarzt und eine gute Arzt-Patienten-Beziehung.
LINK
Beispiel für einen Schlaffragebogen unter: https://hausarzt.link/JsxoG
Literatur beim Verfasser.
Interessenskonflikte: Keine. Mitglied bei Mezis.