Rauchentwöhnung:Beratung und Medikation
Tabakrauchen ist die häufigste vermeidbare Ursache für Krankheit und vorzeitigen Tod. In Deutschland sterben dadurch täglich etwa 300 Menschen – mehr als durch Alkohol, Verkehrsunfälle, illegale Drogen, Mord und AIDS zusammen – und weltweit gesehen, viermal mehr als durch das Coronavirus.
Rund 80 Prozent der Rauchenden versuchen irgendwann aufzuhören, doch ohne professionelle Unterstützung scheitern die meisten. Weniger rauchen ist auch keine Lösung, denn bereits eine Zigarette am Tag lässt beispielsweise das relative Risiko für eine koronare Herzerkrankung 1,48-fach für Männer und 1,57-fach für Frauen ansteigen.
Die gute Nachricht ist, dass es nie zu spät ist, mit dem Rauchen aufzuhören, um das Risiko eines vorzeitigen Todes zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern.
Damit die Erfolgsaussichten des Rauchstopps nicht durch Entzugssymptome geschmälert werden, sollte man die Aufhörwilligen mit einer Beratung/einem Kurs und zusätzlich medikamentös unterstützen. Dafür stehen therapeutisches Nikotin, Vareniclin, Bupropion und neuerdings auch Cytisin zur Verfügung.
Beim therapeutischen Nikotin sollte man lang und kurz wirksame Anwendungsmöglichkeiten (Pflaster z.B. mit Kaugummi, Mundspray) kombinieren. Rationale: Der Patient erhält das Suchtmittel, ohne die vom Tabakrauch vermittelten schädlichen Folgen.
Vareniclin blockiert als partieller Nikotin-Agonist den Nikotin-Rezeptor und imitiert so die Wirkung des Nikotins ohne den “Kick” des Rauchens zu vermitteln. In einer Studie war Vareniclin auch bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen wirksam. Cytisin, ebenfalls ein partieller Nikotin-Agonist, hat den Vorteil, dass die Einnahmedauer nur 25 Tage beträgt.
Bupropion ist ein zur Tabakentwöhnung zugelassenes Antidepressivum, das jedoch Nebenwirkungen wie Krampfanfälle, vereinzelt schwere depressive Episoden oder vermehrte Aggressionen verursachen kann. Es sollte daher erst nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abschätzung eingesetzt werden.
Die zweite gute Nachricht: Aufgrund des Gesundheitsversorgungsgesetzes (GVWG) haben (voraussichtlich in einem Jahr) “Versicherte mit schwerer Tabakabhängigkeit, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung, im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung”. (Dr. Matthias Urlbauer, Nürnberg, Priv.-Doz. Dr. Tobias Rüther, München)
Mehr Angst- und Panikattacken in der Pandemie
Wie wirkt sich die Sars-Cov-2-Pandemie auf Patienten mit Opioidabhängigkeit aus? Diese Frage untersuchte eine Studie mit etwa 150 Patienten, die an einem Substitutionsprogramm teilnahmen. Zwischen März 2020 und Januar 2022 beantworteten die Teilnehmenden mehrere Fragebögen zu ihrem Stress- und Angstlevel, Verhaltensänderungen, psychischer Gesundheit und Impfbereitschaft.
Über 90 Prozent fühlte sich durch die Pandemie psychosozial beeinträchtigt, wobei die größte Belastung im November/Dezember 2020 auftrat. Etwa 40 Prozent berichteten von mittelmäßig bis stark ausgeprägten Schlafstörungen, knapp 35 Prozent litten unter Angst- und Panikattacken.
Einen erhöhten Beikonsum gaben mehr als 20 Prozent der Befragten für März/April bzw. November/Dezember 2020 an und über 30 Prozent der Teilnehmenden für April/Mai und Dezember 2021. Die Mehrheit der Befragten zeigte sich der Impfung gegenüber aufgeschlossen, was sich in einer guten Impfquote (Juli 2021: 60 Prozent) und Boosterquote (Dezember 2021: 73,6 Prozent) niederschlug. (Prof. Oliver Pogarell, München)
Mehr stationäre Behandlungen wegen Essstörungen
Die Ätiologie von Essstörungen wie Anorexia nervosa, Bulimia nervosa oder der Binge Eating-Störung ist zwar multifaktoriell, doch liegt bei allen Betroffenen ein Gefühl eigener Unzulänglichkeit und mangelndem Selbstwertgefühl vor, verbunden mit hohen Anforderungen und Leistungsansprüchen an sich selbst.
Die Corona-Pandemie hat die Symptomatik dieser Patienten massiv verschlechtert; die stationäre Behandlung nahm in den letzten beiden Jahren um 48 Prozent zu. Ursachen für die Verschlechterung sind neben der Isolation insbesondere eine fehlende Tagesstruktur, Ängste, eingeschränkter Therapie-Zugang und die Unsicherheit, die gewohnten Lebensmittel zu bekommen.
Für alle erwähnten Essstörungen gilt die störungsorientierte Psychotherapie als Therapie der Wahl. Das einzige zugelassene Medikament ist Fluoxetin bei Bulimia nervosa. Die Behandlung sollte frühestmöglich beginnen, da ein hohes Risiko für eine Chronifizierung besteht, wodurch die Heilungschancen sinken. (Prof. Ulrich Voderholzer, Prien am Chiemsee)
Drogen finden ihren Weg
Wie der aktuelle Weltdrogenbericht aufzeigt, blieben die Produktion und Verbreitung von Drogen von der Pandemie beziehungsweise in diversen Lockdowns weitgehend unbeeinträchtigt. Die Verfügbarkeit und der Konsum illegaler Substanzen erwies sich auch im Jahr 2020 als relativ stabil verglichen mit dem Vorjahr.
Nur vorübergehend wurden weniger Partydrogen wie Methylendioxyamphetamine (MDMA) oder Kokain konsumiert und der individuelle Gebrauch stieg an. Dieses Verhalten änderte sich jedoch bereits im Sommer 2020 wieder. Das Problem des Konsums von Benzodiazepinen besteht weiterhin. (Prof. Oliver Pogarell, München)
Das “rauchfrei-ticket”
Dieses von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unterstützte Projekt sorgt dafür, dass mehr Patienten den Rauchstopp dauerhaft durchhalten. Derzeit ist es bereits in einigen Kliniken etabliert, demnächst soll es auch für niedergelassene Ärzte verfügbar sein.
Wie funktioniert‘s? Man spricht mit den Patienten über das Rauchen, erfasst den Rauchstatus, empfiehlt den Rauchstopp und bietet mit dem “rauchfrei-ticket” einen direkten Zugang zur evidenzbasierten und kostenfreien Rauchstopp-Beratung am Telefon an. Nähere Informationen bekommen Sie unter: www.rauchfrei-ticket.de. (Dr. Matthias Urlbauer, Nürnberg)