© stock.adobe.com/Mary Evans Picture Library 2017 Sklaven auf amerikanischen Baumwollplantagen. Thomas Hodgkin kämpfte zeitlebens gegen die Sklaverei im britischen Empire.
Thomas Hodgkin, 1798 in Pentonville, London, geboren, stammte aus einer strenggläubigen Familie von Quäkern. Schon früh im Leben lernte er die wichtigsten Tugenden der Quäker kennen und verinnerlichen: Ehrlichkeit, Disziplin, soziales Engagement, Fürsorge für Menschen, denen es weniger gut geht. Als tiefgläubiger Quäker trug Hodgkin Zeit seines Lebens einfache Kleidung und sprach etwas gestelzt.
Von 1817 bis 1819 arbeitete er als Gehilfe eines Apothekers in Brighton. Danach begann er seine medizinische Ausbildung an der “Medical School” des Guy’s and St. Thomas‘ Hospital in London. Doch als Quäker durfte er im anglikanischen England nicht studieren.
Also ging er nach Schottland, wo er von 1820 bis 1823 an der Universität von Edinburgh Medizin studierte. 1823 wurde er hier zum Dr. med. promoviert. Übrigens beschäftigte er sich bereits in seiner Doktorarbeit mit Lymphknoten. 1826 begann er seine Arbeit am Guy’s Hospital – als Hauptdozent für “morbide Anatomie” und Kurator am Museum der Medical School.
Pionier auf vielen Ebenen der Medizin
Während seines Studiums hatte Hodgkin ein Jahr (1821/1822) in Paris verbracht. Er wurde dort bei René Laënnec (1781-1826) klinisch ausgebildet. Laënnec hatte kurze Zeit vorher das Stethoskop entwickelt, zunächst noch ein einfaches steifes Rohr, das Körpergeräusche verstärkte und dadurch zu einer besseren Diagnostik führen konnte.
Er unterrichtete Thomas Hodgkin darin, wie man ein Stethoskop einsetzen konnte. Der verwendete das Gerät dann als erster am Guy’s Hospital. Er hielt außerdem Vorlesungen über den Einsatz des Stethoskops.
Die älteren Ärzte konnte er jedoch nicht vom Sinn dieser Erfindung überzeugen. Sie fanden dieses zylindrische Ding nur komisch, stellten es auf und benutzten es als Blumenvase. Sobald sie allerdings das Zimmer verließen, entfernten die Studenten die Blumen wieder und hörten sich gegenseitig ab.
Thomas Hodgkins zwölf Jahre als Pathologe am Guy’s Hospital waren eine erstaunlich produktive Zeit. Er nahm Hunderte von Autopsien vor und katalogisierte mehr als 3.000 Proben. Er war der erste in England, der systematische Pathologie-Vorlesungen hielt, und er veröffentlichte dazu eine zweibändige Monographie.
Er beschrieb die Aorteninsuffizienz fünf Jahre vor der offiziellen Erstbeschreibung 1832 durch den irischen Arzt Sir Dominic John Corrigan (1802-1880). Außerdem war Hodgkin ein Pionier der präventiven Medizin. Und er setzte durch, dass Studenten an Krankenbetten lernen, so wie es noch immer üblich ist.
Heute ist sein Name verbunden mit der Lymphogranulomatose, einer bösartigen Erkrankung des lymphatischen Systems. 1832 veröffentlichte Hodgkin einen Artikel, in dem er Klinik und Autopsie-Befunde von sieben Patienten mit Lymphknotenschwellungen und vergrößerter Milz beschrieb, bei denen keine akuten Entzündungszeichen oder andere pathologischen Merkmale vorgelegen hatten.
Er führte aus, dass die Krankheit auf benachbarte Lymphknoten übergreifen konnte und dass in späteren Stadien auch die Milz betroffen war. Diese Erkrankung trägt seither seinen Namen: Hodgkin-Lymphom oder Morbus Hodgkin.
© stock.adobe com/Dr_Microbe Licht mikroskopische Aufnahme eines Hodgkin-Lymphoms.
Morbus Hodgkin ist eine relativ seltene Erkrankung
Laut Deutscher Krebsgesellschaft ist Morbus Hodgkin eine sehr seltene Erkrankung . Diese Lymphome machen bei Männern und Frauen in Deutschland jeweils etwa 0,5 Prozent der Krebsneuerkrankungen aus. Im Jahr 2016 erkrankten laut Robert-Koch-Institut 2.490 Menschen.
Das mittlere Erkrankungsalter bei Morbus Hodgkin liegt bei etwa 46 Jahren bei Männern und bei 43 Jahren bei Frauen. Auch Kinder können ein Hodgkin-Lymphom bekommen. Die Prognose ist günstig: Die Fünf-Jahres-Überlebensrate der Männer liegt bei 86 Prozent, die der Frauen bei 84 Prozent.
Übrigens: Knapp 100 Jahre nach der Erstbeschreibung wurde nachgewiesen, dass zwei von Hodgkins sieben beschriebenen Patienten gar kein “Hodgkin-Lymphom” hatten. Bei einem Patienten wurde ein Lymph-sarkom gefunden – das heißt seither Non-Hodgkin-Lymphom. Der Name des englischen Arztes ist also mit beiden Formen von bösartigen Lymphomen verbunden.
Eine Stelle als Kliniker wurde ihm zeitlebens verwehrt
Drei der beschriebenen Fälle waren Patienten von Hodgkins Kollegen am Guy’s Hospital: Richard Bright (1789-1858) und Thomas Addison (1793-1860), beides berühmte Pioniere der Nephrologie, und nach beiden sind ebenfalls Krankheiten benannt. Zusammen mit Hodgkin bildeten sie das Dreigestirn des Londoner Krankenhauses. Man nannte sie “die drei großen Männer vom Guy’s”.
Obwohl Hodgkin also zur berühmten Ärzte-Dreiergruppe gehörte und als genialer Wissenschaftler galt, wurde ihm 1937 eine Stelle als klinischer Arzt verwehrt. Daraufhin verließ er enttäuscht das Krankenhaus – seine akademische medizinische Karriere war zu Ende. Er zog sich in eine Privatpraxis zurück.
Thomas Hodgkin war ein medizinischer Vorreiter, dem es nicht erlaubt war, als Kliniker an seinem Londoner Krankenhaus zu arbeiten. Obwohl er zu dessen berühmtesten Wissenschaftlern seiner Zeit gehörte. René Laënnec sagte sogar über seinen englischen Schüler: “Er war die Nummer Eins unter all den englischen Doktoren, die bei mir studiert haben.”
Kämpfer gegen die Sklaverei
Thomas Hodgkin war ein kompromissloser Idealist. Sein Leben lang kämpfte er gegen Sklaverei und für unterprivilegierte und unterdrückte Völker in der ganzen Welt, etwa in Nordamerika, Australien, Afrika, Syrien, der Karibik und Liberia.
Er hielt Vorträge über Hygienemaßnahmen und Schutz von Kinderarbeitern während der industriellen Revolu-tion in England. Er behandelte Arme, vor allem Juden in London, ohne Bezahlung. Doch er hatte Förderer, die ebenfalls engagiert waren und denen es wie ihm um soziale Reformen ging.
Schon sehr früh trat Hodgkin als Philanthrop auf. Bereits mit 21 Jahren verfasste er einen “Essay on the Promotion of Civilization” (“Über die Förderung der Zivilisation”). Darin kritisierte er das imperialistische Verhalten der britischen Kolonialherren, das zu Entwürdigung, ja zum Tod, der nordamerikanischen and anderer Urbevölkerung führe.
Das Thema ließ Hodgkin nicht mehr los. 1837 war er Mitbegründer der Londoner “Aborigines’ Protection Society”. Diese Gesellschaft kümmerte sich um Schutz, Rechte und Gesundheit der indigenen Völker im britischen Weltreich.
Sie war für viele Indigene oft die einzige Möglichkeit, sich bei der Kolonialverwaltung oder bei der Presse überhaupt Gehör zu verschafften. 1909 fusionierte die Gesellschaft mit der “Anti-Slavery Society” zur “Anti-Slavery and Aborigines’ Protection Society” (heute “Anti-Slavery International”).
Die “Aborigines’ Protection Society” sammelte auch Geld, um für entrechtete oder enteignete Völker eine neue Heimat zu kaufen. Dazu war es wichtig, die indigenen Völker richtig zu kennen. Es wurde deshalb auch ethnologische Forschung unterstützt und publiziert. Das lag vor allem Hodgkin am Herzen. Zusammen mit anderen Mitgliedern verließ er 1842 die Gesellschaft und wurde Mitgründer der “Ethnological Society of London”.
1857 begann Thomas Hodgkin, den jüdischen Finanzier und Philanthropen Sir Moses Montefiore (1784-1885), auf Reisen in die Kolonien zu begleiten. Er hatte Montefiore bereits 1823 während des Studiums in Edinburgh kennengelernt. Montefiore wurde sein Patient, ein lebenslanger enger Freund und Gönner.
Die beiden verband außerdem das tiefe Interesse an sozialen Reformen, vor allem auch für Arme und Unterdrückte in den britischen Kolonien, was auch das Thema dieser Reisen war.
Die fünfte Reise führte die beiden ins Heilige Land. Großbritannien war damals Mandatsmacht in Palästina. Hier starb Hodgkin 1866 in Jaffa an Dysenterie (Ruhr). Und hier ist er auch begraben.
Im Jahre 1832 beschrieb Thomas Hodgkin erstmalig ein Krankheitsbild, das 30 Jahre später nach ihm benannt werden sollte.
Quellen u.a.:
Eckart, Wolfgang U., Gradmann, Christoph: “Ärzte-lexikon.” Verlag C.H.Beck
Stone, Marvin J.: “Thomas Hodgkin: medical immortal and uncompromising idealist”. Proc (Bayl Univ Med Cent). 2005