Die Wangen von Tim Peake blähen sich, als er in den blauen Beutel pustet. Um ihn herum ist es eng, zahlreiche Kabel schlängeln sich neben der Apparatur. Sich als Studienteilnehmer an diesen Gasanalysator zu begeben, ist nicht einfach. Denn der Raum ist eng, und Tim Peake sitzt nicht etwa bequem auf einem Stuhl – der Astronaut schwebt im All.
"Mit völlig identischen Testreihen auf der Erde und im All wollen wir mehr über die Entstehung, Bewegung und Funktionsweise von Gasen in der Lunge erfahren", erklärt Lars Karlsson vereinfacht den Studienaufbau. Als Hauptverantwortlicher für das Projekt "Airway Monitoring" sitzt er im Karolinska Institut in Stockholm. Auf seinem Computer laufen die Messdaten aus dem All ein. "Unser großes Ziel ist es, die Versorgung von Asthma-Patienten auf Basis unserer Ergebnisse zu verbessern – etwa, indem wir Hinweise für eine bessere Verlaufskontrolle erhalten, oder möglicherweise neue Erkenntnisse für die Arzneimittelforschung gewinnen."
Konkret setzt das Team um Karlsson auf Stickoxid als Biomarker für Entzündungen in den Atemwegen. Die Produktion hoher Stickoxid-Level kann dabei unterschiedliche Ursachen haben – von Staub bis zu Asthma. "Wir messen daher unter anderem regelmäßig die Stickoxid-Werte beim Ausatmen", erklärt Karlsson.
Gase in der Asthma-Therapie
Mit dem Forschungsprojekt wollen er und seine wissenschaftlichen Kollegen in Schweden und Belgien so letztlich Wissen generieren, das auch in der Hausarztpraxis Anwendung finden soll. "Der Einsatz von Gasen spielt bereits heute eine wichtige Rolle in der Asthmatherapie und -beobachtung", erklärt der Mediziner. Die Wirkweisen genauer zu erforschen, könne helfen die Therapie weiterzuentwickeln, stellt Karlsson in Aussicht. Konkrete Ergebnisse aus dem seit 2010 laufenden Projekt sind bislang aber noch nicht veröffentlicht.
In die Forschung aktiv eingebunden sind auch Astronauten und Mitarbeiter der europäischen Raumfahrtagentur ESA. Medizinische Forschung aus dem All, das ist für sie Alltag: "Columbus", das europäische Weltraumlabor der Internationalen Raumstation ISS, hat jüngst seinen zehnjährigen Geburtstag gefeiert.
Schwerelosigkeit lässt schnell altern
Etwa 220 Experimente hat es nach Angaben der ESA seither an Bord gegeben, vom Pflanzenwachstum über neuartige Metalllegierungen bis hin zur Auswirkung von Salz auf den Knochenschwund. "Die Auswirkungen der besonderen Bedingungen machen die Testreihen im All für uns besonders interessant", erklärt Karlsson. So lassen Schwerelosigkeit oder erhöhte Strahlung Haut, Muskeln oder Knochen der Astronauten scheinbar schneller altern. Im Experiment "Cartilage" wurde das etwa für Gelenkknorpel betrachtet. "Im Bereich der Auswirkungen von Schwerelosigkeit und fehlender Bewegung konnten wir bereits Ergebnisse gewinnen", sagt Karlsson über vergangene Studien. Daraus entstanden seien etwa Trainingspläne für Bettlägrigkeit bei Lähmungen.
Künftig soll bei der Arbeit im Weltraumlabor, dessen Bau 880 Millionen Euro gekostet hat, übrigens ein weiterer "Mitarbeiter" helfen: Cimon, eine fliegende Kugel mit künstlicher Intelligenz. Sie wird dem deutschen Astronauten Alexander Gerst ab dem Sommer zur Hand gehen, ist aber auch selbst Forschungsgegenstand. "Cimon ist in dieser Form weltweit einzigartig", sagt Dr. Christian Karrasch, Projektleiter im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Laut DLR soll er zunächst bei Routineaufgaben entlasten, perspektivisch aber auch auf Gersts Befehle reagieren oder an seinem Gesichtsausdruck Emotionen ablesen. In Zukunft könnte Cimon dann an Orten zum Einsatz kommen, wo Menschen in Sekundenschnelle wichtige Entscheidungen treffen müssen – etwa auf Intensivstationen.