Industrie + ForschungCannabis auf Rezept: Chance oder Dolchstoß fürs Verordnungsprinzip?

Durch eine Änderung im Betäubungsmittelgesetz (Anlage III BtMG) sind Cannabisextrakte und -blüten jetzt bei „schwerwiegenden Erkrankungen“ verordnungsfähig. Die Erstverordnung sei zwar noch zustimmungspflichtig, die Widerspruchsmöglichkeit des medizinischen Dienstes aber stark eingeschränkt, so dass die Krankenkassen quasi verpflichtet würden, die Kosten zu übernehmen, so PD Dr. Michael Überall, Vizepräsident der DGS. Dennoch sei Cannabis keine Regelleistung und damit jede Verordnung formal ein „offlabel use“, mit Ausnahme der Fertigarzneimittel (in ihren Indikationen), ihr Status bleibt unverändert. Mittel der ersten Wahl blieben Fertigarzneimittel, da sie die höchste Anwendungssicherheit und die beste verfügbare Evidenz aufwiesen, gefolgt von Rezepturarzneien und – an letzter Stelle – Blüten in standardisierter Qualität, da der Wirkstoffgehalt je nach Pflanze und Zubereitung stark differiere.

Erstmalig akzeptiere der Gesetzgeber, dass chronisch Kranke mit den zugelassenen Therapien unzureichend behandelt seien. „Der Gesetzgeber stellt nicht zugelassene, arzneimittelrechtlich nicht bewertete, nicht in standardisierter Qualität verfügbare Therapien über Fertigarzneien, die den gesamten Zulassungsprozess durchlaufen haben -und unter Umgehung aller zulassungsrechtlichen Aspekte macht er sie verkehrsfähig.“ Auch Prof. Thomas Henze, Regensburg, bezog Stellung: Fertigarzneimittel in standardisierter pharmazeutischer Qualität böten bestimmte Vorteile gegenüber Medizinalhanf. So könne zur Therapie der Spastik bei Multipler Sklerose (MS) eine Fixkombination aus Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) in Form eines Oromukosalsprays wirksam angewandt werden (Sativex®). Darüber hinaus wird der Einsatz von Cannabinoiden bei chronischen Schmerzen, Dyskinesien (Parkinson, Huntington, Epilepsie), Tics beim Tourette-Syndrom, Zytostatika-induzierter Übelkeit oder zur Appetitstimulation bei HIV untersucht. (spi)

Quelle: Pressegespräch: „Cannabinoidtherapie nach aktueller Gesetzesänderung: Optionen und Ausblick“ am 16.03.17 in Berlin; veranstaltet von Almirall

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