© Der Hausarzt Dosierung (Erwachsene)
Unerwünschte Wirkungen
Rivaroxaban hat wie andere Antikoagulantien ein relevantes Blutungsrisiko. Als gefährlich werden Blutungen intrakraniell oder in kritischen Bereichen (beispielsweise im Perikard) bezeichnet wie auch solche, die zu einer Hospitalisation oder Transfusion führen. Das Blutungsrisiko ist wohl ähnlich hoch oder etwas höher als dasjenige der Vitamin-K-Antagonisten; Hirnblutungen sind möglicherweise etwas seltener, gastrointestinale Blutungen etwas häufiger.
Gemäß indirekten Vergleichen verursacht Rivaroxaban etwas häufiger gefährliche Blutungen als Apixaban; Unterschiede zu anderen neuen Antikoagulantien sind unsicher. Harmlosere Blutungen sind zum Beispiel subkutane Hämatome, Epistaxis, Gingiva- und konjunktivale Blutungen. Es ist nicht klar, ob das Blutungsrisiko dosisabhängig ist.
Relativ häufig sind gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Bauchbeschwerden), ein Transaminasenanstieg sowie Juckreiz, Exantheme und Ödeme. Seltene Nebenwirkungen sind Thrombozytopenie, Hepatotoxizität, Haarausfall, Vaskulitis, Stevens-Johnson-Syndrom.
Kontraindikationen
Schwere Blutungen oder hohe Blutungsgefahr. Fortgeschrittene Leber- oder Niereninsuffizienz. Stark erhöhter Blutdruck. Schwangerschaft, Stillzeit.
Interaktionen
Starke CYP3A4-Hemmer (beispielsweise viele Azol-Antimykotika, Ritonavir) sollten nicht gleichzeitig mit Rivaroxaban gegeben werden. Medikamente, die sowohl CYP3A4 wie auch p-GP hemmen (zum Beispiel Amiodaron, Fentanyl) erfordern erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Blutungsgefahr.
CYP3A4-Induktoren (wie Carbamazepin, Johanniskraut) können zu reduzierter Rivaroxaban-Wirkung führen. Mit nichtsteroidalen Entzündungshemmern, selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und mit Plättchenhemmern zusammen besteht eine erhöhte Blutungsgefahr.
Risikogruppen
Schwangere : Verträglichkeit in der Schwangerschaft nicht gesichert. Während einer Rivaroxaban-Therapie wird eine wirksame Kontrazeption empfohlen. In der Schwangerschaft vermeiden.
Stillende : Wird mit der Muttermilch ausgeschieden. Nicht sicher verträglich; vermeiden!
Kinder : Bei Kindern und Jugendlichen bisher ungenügend untersucht. Sollte nicht verwendet werden.
Ältere : Keine obligate Dosisanpassung. Nieren und Leberfunktion beachten!
Menschen mit Niereninsuffizienz: Dosierung bei Vorhofflimmern: Kreatinin-Clearance zwischen 30 und 50 ml/min: Maximaldosis = 15 mg/Tag. Clearance unter 30 ml/min: vermeiden.
Menschen mit Leberinsuffizienz: Bei Leberinsuffizienz und bei hepatisch bedingter Gerinnungsstörung kontraindiziert.
Hinweise
Höhere Dosen (15 und 20 mg) sollten mit den Mahlzeiten zusammen eingenommen werden. Besteht sechs Monate nach einem akuten thromboembolischen Ereignis nur noch ein geringes Rezidivrisiko, so kann die Rivaroxaban-Dosis eventuell auf 10 mg täglich reduziert werden. Bei gefährlichen Blutungen kann Andexanet der Anti-Faktor-Xa-Wirkung von Rivaroxaban entgegenwirken.
Alternativen
Je nach Indikation können sich Heparine und Vitamin-K-Antagonisten (besonders Phenprocoumon) auf eine weit umfassendere Dokumentation stützen und sind deshalb auch heute noch valable Alternativen.
Drei weitere neue orale Antikoagulantien sind erhältlich: Apixaban ist für die meisten Indikationen von Rivaroxaban auch zugelassen und hat wahrscheinlich ein geringeres Blutungsrisiko. Auch Dabigatran gleicht Rivaroxaban; Edoxaban dagegen ist noch etwas weniger untersucht.
Erhältlichkeit
Filmtabletten zu 2,5 mg, 10 mg, 15 mg und 20 mg.
Kommentar des Autors
von Dr. med. Etzel Gysling, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin
Buch-Tipp: Etzel Gysling (Hrsg.) 100 wichtige Medikamente. Eine pharma-kritik-Publikation; Infomed-Verlag 2020; ISBN 978-3-95-206247-0; Preis: 58 Euro
Rivaroxaban hat sich erstaunlich rasch durchgesetzt und brilliert in diversen Studien. Dass beispielsweise bei einem Vorhofflimmern die “traditionellen” Verfahren – also die Vitamin-K-Antagonisten – dennoch eine gute Option darstellen, beruht nicht zuletzt auf der zuverlässigen Möglichkeit, die Compliance zu überwachen.
Bei jeder Art von Antikoagulation ist die Blutungsgefahr zu bedenken, besonders im Zusammenhang mit anderen Medikamenten. Die verschiedenen neuen Antikoagulantien sind bisher noch kaum direkt miteinander verglichen worden. Das letzte Wort zur “besten Antikoagulation” ist daher noch nicht gesprochen.
Das sagt der Hausarzt
von Ruben Bernau, Facharzt für Allgemeinmedizin
Ich bin Landarzt und kenne eine Zeit ohne DOAKs. Die Vor- und Nachteile sind bekannt. Doch das Besondere an der hausärztlichen Entscheidungsfindung beinhaltet noch so viel mehr! Eine Auswahl an Fragen, die sich Hausärztinnen und Hausärzte stellen sollten: Wer kann Heparin spritzen? Wer kann die Eintragungen im Marcumar-Ausweis lesen und umsetzen? Sind regelhafte INR-Kontrollen in der Praxis möglich oder gar sinnvoll, da die MFA/VERAH nicht nur den INR checkt? Fallen Hausbesuche an? Soll es schnell gehen, vielleicht für eine geplante Rhythmisierung oder Vertretungspatienten?
Außerdem zu beachten: (Berufs-)Risiko für Blutungen vs. Antidot. Bequemlichkeit vs. WANZ (“Wirtschaftlich-Ausreichend-Notwendig-Zweckmäßig”)/Leitsubstanzen/Laborressourcen.
Der Hausarzt und die Hausärztin entscheiden also nicht nur auf Basis der medizinischen Beurteilung, sondern auch auf Basis der Lebenssituation des jeweiligen Patienten.
Link-Tipp: AkdÄ-Leitfaden zum Einsatz der DOAK Dabigatran, Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban: www.hausarzt.link/44sd7
Originalbeitrag: Gysling E, 100 wichtige Medikamente. Infomed Verlag, 2020.