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Serie ArzneimittelcoachAuf einen Blick: Insulin

In dieser Serie stellen wir die für Hausärztinnen und Hausärzte wichtigsten Arzneimittel vor. Dieses Mal: Insulin.

Insulin wird zur Behandlung eines Typ-1-Diabetes immer, oft aber auch bei Typ-2-Diabetes benötigt.

Wirkung

Insulin, das vom Pankreas sezernierte Polypeptidhormon, ist wesentlich dafür verantwortlich, dass Glukose in die Zellen aufgenommen und dort metabolisiert wird. Das Hormon regt die Synthese von Glykogen, Lipiden und Proteinen an; es führt auch zur Verschiebung von Kalium und Magnesium in das Zellinnere.

Heute werden gentechnisch hergestellte Insuline verwendet, die in ihrer Struktur vollständig (“Humaninsulin”) oder teilweise (“Analoga”) dem menschlichen Insulin entsprechen. Die Bindung an Protamin (“Neutral Protamin Hagedorn”, NPH, Insulin-Isophan) ergibt eine Verzögerung der Resorption mit längerer Wirkungsdauer.

Pharmakokinetik (subkutane Verabreichung)

Indikationen

Insulin wird zur Behandlung eines Typ-1-Diabetes mellitus immer, aber auch oft bei Kranken mit Typ-2-Diabetes benötigt. Bei Typ-1-Diabetes steht die intensivierte Therapie nach dem Basis-Bolus-Prinzip im Vordergrund: Dabei wird ein langwirkendes Insulin (Basis: NPH- oder Analog-Insulin) mit einem kurzwirkenden Insulin (Bolus, vor den Mahlzeiten) kombiniert.

Noch flexibler wird mit einer kontinuierlichen subkutanen Insulin-Infusion (CSII, Insulinpumpe) behandelt. Gegenüber einer Therapie mit zwei täglichen Injektionen eines Mischinsulins reduziert die intensivierte Therapie Spätkomplikationen (Retinopathie, Proteinurie, Neuropathie) signifikant. Eine akute Ketoazidose erfordert eine intravenöse Intensivtherapie mit Insulin, Flüssigkeits- und Kaliumsubstitution.

Bei Typ-2-Diabetes wird Insulin oft in Kombination mit anderen Antidiabetika gegeben. Ist die Betazellfunktion des Pankreas ganz ausgefallen, so ist eine Therapie nach dem Basis-Bolus-Prinzip notwendig. Auch beim Typ-2-Diabetes reduziert eine adäquate Blutzuckersenkung das Risiko mikrovaskulärer Komplikationen.

Dosierung (Erwachsene, nur allgemeine Hinweise)

Unerwünschte Wirkungen

Hypoglykämien sind das Hauptproblem der Insulinbehandlung, besonders bei intensivierter Therapie. Zu hohe Dosen, ungenügende Kalorienzufuhr oder körperliche Anstrengungen sind mögliche Auslöser. Symptome sind Hungergefühl, Brechreiz, Unruhe, Schweißausbruch, Kopfschmerzen, Herzklopfen, Parästhesien, Zittern, Schwindel, Schwächegefühl und Konzentrationsunfähigkeit.

Eine länger dauernde Hypoglykämie kann zu irreversiblen Hirnschäden führen. Schwere Hypoglykämien sind unter Humaninsulin und Analoga ähnlich häufig. Langwirkende Insulin-Analoga (mit flachem Spiegelverlauf) verursachen aber weniger nächtliche Hypoglykämien als kurz- oder intermediär wirkende Insuline.

Unter einer Insulintherapie kommt es nicht selten zu einer deutlichen Gewichtszunahme. Generalisierte allergische Reaktionen kommen vor. Am Injektionsort kann sich eine Atrophie oder eine Hypertrophie des subkutanen Fettgewebes bilden.

Kontraindikationen: Hypoglykämie.

Interaktionen: Andere Antidiabetika verstärken die Wirkung von Insulin und erhöhen das Hypoglykämie-Risiko. Insulin kann das Ödemrisiko unter Pioglitazon erhöhen. Die blutzuckersenkende Insulinwirkung wird auch durch Alkohol, MAO-Hemmer und Salizylate verstärkt.

Anderseits wirken Diuretika, Schilddrüsenhormone und Gestagene Insulin entgegen. Betablocker führen eventuell zu Hyper- oder Hypoglykämien und können Hypoglykämie-Symptome maskieren.

Risikogruppen

Schwangere: Ein vorbestehender oder ein Schwangerschafts-Diabetes kann mit Insulin behandelt werden. Vorteile gegenüber einer oralen Therapie sind aber nicht eindeutig dokumentiert.

Stillende: Stillen erlaubt; das in der Muttermilch enthaltene Insulin wird nicht resorbiert.

Kinder: Individuelle Dosierung analog der Erwachsenenbehandlung. Bei Ketoazidose 0,1 E/kg als initialer Bolus i.v., anschließend 0,1 E/kg in der 1. Stunde, nachher je nach Glukosewert.

Ältere: An Möglichkeit einer reduzierten Nierenfunktion und an wenig symptomatische Hypoglykämien denken!

Menschen mit Niereninsuffizienz: Kreatinin-Clearance unter 50 ml/min: 75 %, unter 10 ml/min: 25-50 % der normalerweise verwendeten Dosis.

Menschen mit Leberinsuffizienz: Dosis sorgfältig individualisieren; oft reduzierte Dosen indiziert.

Hinweise

Blutzuckerwerte nüchtern sollten möglichst zwischen 5,0 und 7,2 mmol/l und zwei Stunden nach dem Essen unter 10,0 mmol/l liegen. Der HbA1c-Wert sollte maximal 7 % betragen (Näheres dazu im Kommentar des Autors).

Alternativen: Bevor bei einem Typ-2-Diabetes eine Insulintherapie begonnen wird, sollte das Potential anderer antidiabetischer Therapien (besonders von Metformin) ausgeschöpft werden. Anderseits empfiehlt es sich, bei ungenügend eingestelltem Diabetes die Insulintherapie nicht zu lange hinauszuschieben.

Erhältlichkeit: In Deutschland sind fast ausschließlich Präparate zu 100 E/ml erhältlich (Ausnahmen siehe unten). Rasch und kurz wirkende Insuline: Normal-, Aspart-, Glulisin- und Lispro-Insulin. Diese Präparate können auch zur kontinuierlichen subkutanen Insulin-Infusion verwendet werden. Lang wirkende Insuline: NPH-, Degludec-, Detemir- und Glargin-Insulin. Von Degludec ist ein Präparat mit 200 E/ml, von Glargin eines mit 300 E/ml erhältlich. Außerdem sind Mischpräparate (mit unterschiedlich hohem Anteil an rasch bzw. lang wirkenden Insulinen) sowie fixe Kombinationen mit Glutiden erhältlich.

Kommentar des Autors

von Dr. med. Etzel Gysling, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin

Obwohl die Vorteile der Insulin-Analoga gegenüber “normalem” Humaninsulin auch heute noch nicht sehr eindrücklich dokumentiert sind, werden viele Diabeteskranke mit diesen neueren Präparaten behandelt. A

ktuell ist auch nicht klar, in welchem Ausmaß die verschiedenen anderen neueren Antidiabetika (besonders die Glutide und die Gliflozine) bei einem Typ-2-Diabetes die Insulintherapie langfristig verdrängen werden.

Nachtrag 2023: Die antidiabetische Therapie ist in den letzten Jahren stark im Umbruch. So wird auch der erstrebenswerte HbA1c-Wert flexibler definiert. Die deutsche Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes (www.hausarzt.link/brfnx) nennt einen Zielwert zwischen 6,5 % und 8,5 %, während die aktuelle schweizerische Empfehlung (Anm. d. Red.: Der Autor praktiziert in der Schweiz) bei Personen über 65 Jahren allenfalls einen HbA1c-Wert über 6,5 %, aber immer unter 8,0 % als wünschenswert bezeichnet.

Das sagt der Hausarzt

von Ruben Bernau, Facharzt für Allgemeinmedizin

Schaut man sich die aktuelle DEGAM-Anwenderversion als Addendum zur NVL Typ-2-Diabetes (siehe Link oben) an, ist Insulin im hausärztlichen Bereich eigentlich “out”. Ich sehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die neuen Medikamente und muss gestehen: Ich, mein Praxisteam und die Patientinnen und Patienten haben viel zu lernen!

Wir sind erleichtert, dass wir den Einsatz von Insulin lange hinauszögern können. Andererseits möchten erfahrene Typ-2-Diabetiker und auch Hausärztinnen und Hausärzte “ihr” Insulin gern behalten. Um das gemeinsame Ziel abzustecken, werden wir mehr miteinander sprechen müssen – zum Glück ist das die große Stärke der hausärztlichen Versorgung!

Ebenso wie Typ-2-Diabetiker profitieren auch Menschen mit Typ-1-Diabetes von Neuerungen wie Pumpen- und Sensortechnik. Es ist normal geworden, im Alltag die neuen Devices zu tragen.

Originalbeitrag: Gysling E, 100 wichtige Medikamente. Infomed Verlag, 2020.

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