Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) stellt die neuesten medizinischen Erkenntnisse vor, die für den Praxisalltag von Hausärztinnen und Hausärzte relevant sind.
Wenig Evidenz zu Migräne-Vorboten
Migräne ist mehr als Kopfschmerz. Neben Begleitsymptomen wie Erbrechen und Übelkeit berichten viele Betroffene auch über Symptome, die in den Tagen vor und nach den Kopfschmerzattacken auftreten. Auch die offizielle Definition der International Headache Society beschreibt Prodrome und Post-Migräne-Symptome.
Studien, die diese Symptome erfasst haben, sind heterogen und zeigen widersprüchliche Ergebnisse, weswegen sie nun in einem systematischen Review mit Metaanalyse näher untersucht wurden. Für den Review identifizierten die Wissenschaftler 29 Studien. 23 wurden in spezialisierten Kopfschmerzambulanzen durchgeführt, sechs befragten Migräne-Betroffene in der allgemeinen Bevölkerung.
Die Studien gingen methodisch unterschiedlich vor: Sie erfassten Symptome über Fragebögen, Interviews oder Tagebücher (überwiegend anhand von vordefinierten Listen) und wurden retrospektiv oder prospektiv durchgeführt. 20 Studien hatten ein hohes Verzerrungspotenzial, nur zwei Studien wurden als methodisch hochwertig beurteilt.
In den Studien, die Menschen mit Migräne in der Bevölkerung untersuchten, gaben 29 Prozent Prodrome an, im spezialisierten Setting waren es 66 Prozent. Insgesamt wurden 96 verschiedene Symptome
erfasst; am häufigsten nannten die Betroffenen Fatigue (49 Prozent), Nackensteifigkeit (46 Prozent), Stimmungsveränderungen (37 Prozent), Konzentrationsstörungen (30 Prozent), Gähnen (22 Prozent) und Heißhungerattacken (11 Prozent).
Da diese Symptome auch in der Bevölkerung häufig sind, sind diese Ergebnisse wenig hilfreich. Die Autoren stellen die Existenz von Migräneprodromen nicht in Frage: Sie sprechen von einer „absence of evidence“ und nicht von einer „evidence of absence“.
Es ist erstaunlich, dass für eine so häufige Erkrankung so wenige Daten vorliegen, die die Beeinträchtigung der Betroffenen abschätzen lässt. Wie so oft fehlen vor allem Daten, die für das hausärztliche Setting
hilfreich sind.
Fazit: Die Evidenzlage zu Symptomen, die der Migräneattacke vorausgehen, ist dünn – vor allem fehlen verlässliche Erhebungen außerhalb spezialisierter Kopfschmerzambulanzen. Die Beeinträchtigung durch Prodrome von
Migräneattacken kann in der Praxis individuell erfragt werden.
Eigenbrodt AK, Christensen RH, Ashina H, Iljazi A, Christensen CE, Steiner TJ, Lipton RB, Ashina M. Premonitory symptoms in migraine: a systematic review and meta-analysis of observational studies reporting
prevalence or relative frequency. J Headache Pain. 2022; 23(1):140. DOI: 10.1186/s10194-022-01510-z; PMID: 36371152; PMCID: PMC9655795.
Forschung in der Praxis: Wie klappt das?
Die Praxis von Dr. Thomas Mainka in Wiesbaden ist seit vielen Jahren Lehr- und Forschungspraxis des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Martina Gläser, Medizinische Fachangestellte der Praxis, und Dr. Mainka berichten über ihre Erfahrungen mit der Durchführung von Studien im Forschungspraxennetz SaxoForN (www.saxoforn.net).
Aktuell beteiligt sich die Praxis an der HYPERIONTransCare-Studie (Heading to ContinuitY of Prescribing in EldeRly with MultImOrbidity iN Transitional Care), die den Informationsaustausch bezüglich der Medikation an der Schnittstelle zwischen hausärztlicher Versorgung und Krankenhausversorgung verbessern möchte.
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