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Klimawandel Teil 4Baden mit Risiko

Dave Bennetts Geschichte verdirbt die Lust aufs Baden. Vor zwei Jahren schwamm der 66-Jährige an der Küste von Florida im Meer, 48 Stunden später starb er auf der Intensivstation. Die Ursache: Vibrio vulnificus. Auch in Deutschland gab es bereits Todesopfer nach einer Infektion mit diesem Erreger.

Cyanobakterien, die auch als Blaualgen bezeichneten Mikroorganismen kommen in Binnenseen und der Ostsee vor.

Der Klimawandel könnte bewirken, dass Baden gefährlicher wird. Die höheren Wassertemperaturen bessern die Bedingungen für Mikroorganismen und Parasiten, die der menschlichen Gesundheit schaden können.

Beispiel 1: Vibrio vulnificus

Vibrio vulnificus ist ein Bakterium, das natürlicherweise in Salz- und Brackwasser vorkommt. Steigen die Wassertemperaturen im Sommer über circa 20 Grad Celsius, kann sich die Konzentration dieser Vibrionen deutlich erhöhen. Beim Baden oder Wasserwaten kann Vibrio vulnificus in seltenen Fällen schwere, teilweise tödliche Wundinfektionen hervorrufen.

Besonders gefährdet sind Personen mit Vorerkrankungen sowie ältere oder immungeschwächte Menschen. In Deutschland wurde 1994 die erste derartige Infektion beschrieben. Zwischen 2002 und 2019 wurde dem RKI dann jährlich eine Größenordnung von bis zu zwanzig Fällen an deutschen Küsten bekannt, die vor allem in den wärmeren Sommern auftraten.

Die betroffenen Patienten waren fast ausnahmslos älter und hatten Vorerkrankungen, einige verstarben.

Experten erwarten, dass Vibrio-Infektionen infolge der globalen Erwärmung zunehmen werden. Auch für die Ostsee prognostizieren sie einen Anstieg, da hier relativ geringe Salzgehalte und steigende Wassertemperaturen begünstigend zusammentreffen.

Beispiel 2: Cyanobakterien

Die steigenden Wassertemperaturen erhöhen zudem die Wahrscheinlichkeit, dass Cyanobakterien vermehrt auftreten. Die auch als Blaualgen bezeichneten Mikroorganismen kommen in Binnenseen und der Ostsee vor. Bei hohen Temperaturen und übermäßigem Nährstoffangebot können sie sich massenhaft vermehren; sie werden dann als grüner Teppich an der Oberfläche oder grünliche Trübung des Wassers sichtbar.

Einige Cyanobakterien bilden giftige Stoffe. Das Verschlucken von Wasser beim Baden kann zu Symptomen wie gastrointestinalen Beschwerden führen, bei größeren Wassermengen sind auch akute Intoxikationen möglich. Empfindliche Menschen reagieren gelegentlich auch auf den bloßen Kontakt mit dem Wasser mit Hautreizungen.

Beispiel 3: Zerkarien

Ursächlich für juckende Hautausschläge nach dem Baden sind oft Zerkarien, die Larvenstadien bestimmter Saugwürmer. Ihre natürlichen Endwirte sind Wasservögel wie Enten, Gänse und Schwäne. Die Eier werden mit dem Kot befallener Vögel ins Wasser ausgeschieden.

Dort schlüpfen die ersten Larvenstadien, die sich in Süßwasserschnecken zu Zerkarien entwickeln und anschließend nach einem geeigneten Endwirt suchen. Dabei bohren sie sich auch in die menschliche Haut, wo sie das Immunsystem in der Regel beim Erstkontakt abtötet. Erstinfektionen verlaufen meist symptomlos; gelegentlich können leichtes Hautjucken und kleine rote Flecken auftreten.

Wird die Person zu einem späteren Zeitpunkt nochmals befallen, kann dies durch eine Sensibilisierung zur Badedermatitis führen.

Studien haben einen Zusammenhang zwischen dem vermehrten Auftreten der Badedermatitis, der stetig steigenden Anzahl an Badegästen und dem Klimawandel hergestellt. Das Badeverhalten kann sich bei warmen Temperaturen ändern – etwa, indem Badegäste länger im Wasser bleiben und somit ihre Expositionszeit verlängern.

Die Wassertemperatur und lange Sonnenscheinperioden können einen Einfluss auf die Anzahl der infizierten Schnecken haben. Zudem können Zugvögel, die in warmen Wintern in Deutschland bleiben, ein Reservoir für den Parasiten darstellen.

Was können Sie tun?

  1. Klären Sie gefährdete Patienten über das Risiko einer Infektion mit Vibrionen auf. Menschen mit offenen oder schlecht heilenden Wunden sollten den Kontakt mit sommerwarmem Meerwasser meiden. Dies gilt umso mehr, wenn sie an Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem leiden. Denken Sie in den Sommermonaten bei verdächtigem Krankheitsbild an die Möglichkeit einer Infektion mit Vibrio vulnificus und fragen Sie bei Wundinfektionen nach einem Kontakt mit Meer- und Brackwasser. Auch durch Verletzungen bei der Verarbeitung von Meeresfrüchten und rohem Seefisch sind Infektionen möglich. Hinweise zu Diagnostik und Therapie finden Sie unter anderem im Merkblatt des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts (s. Link-Tipps).
  2. Auch zum Schutz vor Cyanobakterien helfen Verhaltenstipps. Etwa sollten Gewässer mit grün-blauer Trübung gemieden, nach dem Baden gründlich geduscht und die Badekleidung gereinigt werden. Eltern sollten besonders auf ihre Kinder achten, da diese beim Toben mehr Wasser schlucken und im flachen Bereich oft die meisten Cyanobakterien treiben. Informationsmaterial für Patienten stellt etwa das Umweltbundesamt zur Verfügung, ein Infoblatt für Ärzte zu Vergiftungen durch Cyanobakterien hat das Landesamt für soziale Dienste in Schleswig-Holstein veröffentlicht (s. Link-Tipps).
  3. Was können Sie Ihren Patienten raten, um Badedermatitiden zu verhindern? Experten empfehlen, Bereiche mit dichtem Wasserpflanzen-Bewuchs sowie längere Aufenthalte im Flachwasserbereich zu vermeiden und bevorzugt in tieferen oder leicht strömenden Bereichen zu schwimmen, danach die Badesachen zu wechseln und den Körper gut mit einem Handtuch abzureiben. Zudem kann Quallenschutzlotion verwendet werden. Die meisten infektiösen Zerkarien halten sich in den frühen Morgenstunden im Wasser auf. Die Symptome einer Badedermatitis klingen nach zehn bis 20 Tagen ab. Behandelt wird sie ausschließlich symptomatisch, vor allem durch die Verabreichung von juckreiz- und entzündungshemmenden Salben, Gelen oder Lotionen.

Drei Fragen an Christiane Höller

Prof. Dr. med. Christiane Höller leitet das Sachgebiet Hygiene am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Wie wird die Badegewässerqualität derzeit kontrolliert?

Die Grundlage für die Kontrolle ist die EU-Badegewässerrichtlinie. Diese schreibt unter anderem vor, wann Wasserproben zu entnehmen sind: kurz vor der Badesaison und während der Badesaison dann alle vier Wochen. Die Dauer der Badesaison ist natürlich überall unterschiedlich, in Bayern geht sie zum Beispiel vom 15. Mai bis zum 15. September. Die Gesundheitsämter nehmen die Proben und schauen vor Ort, ob es makroskopische Auffälligkeiten wie Blaualgen gibt. Die Proben werden dann auf intestinale Enterokokken und Escherichia coli untersucht. Die Badegewässereinstufung erfolgt immer nach der Saison auf Basis der letzten vier Jahre. Die European Environment Agency stellt auf ihrer Webseite einen Badegewässeratlas zur Verfügung, der die Wasserqualität aller offiziellen EU-Badestellen anzeigt. Zudem informieren die Gesundheitsämter darüber auf ihrer Homepage. Auch die Betreiber der Badestellen sind verpflichtet, zu informieren – etwa mittels Schilder oder über ihren Internetauftritt.

Welche Verhaltensregeln empfehlen Sie fürs Baden in natürlichen Gewässern?

Es gibt einen alten Spruch: Wer bis zu den Knien im Wasser steht und die Füße nicht sehen kann, der sollte nicht reingehen. Ausgenommen sind natürlich trübe Gewässer wie Moorseen. Daneben gilt es, lokale Warnungen zu beachten – etwa ist es bei uns schon vorgekommen, dass eine Schnappschildkröte gesichtet oder ein Dixi-Klo mutwillig in einen Badesee geworfen wurde. Auch wenn die mikrobiologischen Werte plötzlich sehr schlecht sind, kann es Badewarnungen oder Badeverbote geben. Auf keinen Fall sollten Badegäste Wasservögel füttern – dies zieht die Vögel an, welche viel Kot mit potenziellen Krankheitserregern absetzen. Zudem gelten natürlich die Basisregeln: Nicht kopfüber in unbekannte Gewässer springen, nicht alkoholisiert baden.

Wie wird sich der Klimawandel Ihrer Ansicht nach auf die Badegewässer auswirken?

An der Küste könnten Vibrionen durchaus zum Problem werden. Zudem könnten Blaualgen vermehrt vorkommen; dabei spielen neben der Temperatur aber auch Nährstoffe eine wichtige Rolle. Vor zwei Jahren ist in Bayern interessanterweise erstmals die Gattung Tychonema massenhaft aufgetreten, die eigentlich eher in Nordeuropa oder norditalienischen Bergseen vorkommt – also bei kühleren Temperaturen. Diese Blaualgen sind für Badegäste nicht einfach zu erkennen und stehen im Verdacht, für den Tod von Hunden verantwortlich zu sein. Wir wissen nicht, ob es hier einen Zusammenhang mit dem Klimawandel gibt – Tychonema ist bisher nicht gut erforscht. Zusätzlich zu den Auswirkungen auf die Wasserqualität könnte der Klimawandel auch dazu führen, dass Mücken an Badegewässern zunehmen.

Quellen:

Niedersächsisches Landesgesundheitsamt. Vibrio vulnificus und andere Vibrionen in Badegewässern. www.hausarzt.link/xFagY, zuletzt abgerufen: 04/2021

Bundesinstitut für Risikobewertung. Konsiliarlabor für Vibrionen. www.hausarzt.link/soBQU, zuletzt abgerufen: 04/2021

Umweltbundesamt. Vibrio vulnificus im Meerwasser in heißen Sommern. www.hausarzt.link/UVBZJ, zuletzt abgerufen: 04/2021

Robert-Koch-Institut. Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Nicht-Cholera-Vibrionen. www.hausarzt.link/DHuv8 , zuletzt abgerufen: 04/2021

Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Zerkarien. www.hausarzt.link/nv7e4 , zuletzt abgerufen: 04/2021

Umweltbundesamt. “Vorsicht Caynobakterien! Oder was schwimmt da eigentlich?” www.hausarzt.link/o4nkY, zuletzt abgerufen: 04/202

Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein. Informationen für Ärzte: Vergiftungen durch Cyanobakterien, “Toxische Blaualgenblüten”. www.hausarzt.link/ZFD4h, zuletzt abgerufen: 04/2021

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Den Klimawandel gesundheitlich meistern! Empfehlungen zur Vorsorge. www.hausarzt.link/68S9K, Stand: 07/2020

Welt, 08.08.2019. Gefährliche Keime, die beim Baden lauern. Wer ist gefährdet? www.hausarzt.link/KkReU , zuletzt abgerufen: 04/2021

Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Badegewässerqualität in Bayern. www.hausarzt.link/dnx1s, zuletzt abgerufen: 05/2021

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