Liebe Leserin, lieber Leser,
natürlich kennen Sie solche Situationen aus Ihrem Praxisalltag: Eine Patientin kommt in Ihre Praxis und schildert ihre Beschwerden. Sie veranlassen alle nötigen Untersuchungen. Die Ergebnisse sagen: Alles in Ordnung, aber Ihrer Patientin geht es nicht besser. Sicherlich wird Ihnen der Fall keine Ruhe lassen, denn Ihr Bauchgefühl sagt Ihnen: Hier stimmt etwas nicht.
Geschätzte 10.000 bis 12.000 Entscheidungen treffen wir am Tag, meint PD Dr. Volker Busch, Neurologe und Psychiater aus Regensburg (s. Seite 56). Immer mehr Daten führen nicht in gleichem Maße dazu, dass auch mehr Menschen geheilt werden. Und immer mehr Daten bedeuten vor allem nicht, dass wir vermehrt richtige Entscheidungen treffen. Busch plädiert dafür, mehr auf sein Bauchgefühl zu hören. Mit der Komplexität der Welt kommt die Intuition besser zurecht. Das Bauchgefühl kann weiterhelfen, weil es Ausdruck verarbeitenden Erfahrungswissens ist. Dies bedeutet jedoch auch, dass man sich umso mehr auf Daten verlässt, je unerfahrener man ist. Aber: In 70 bis 80 Prozent der Fälle stimmt unsere Intuition und das Gute ist, dass man es auch trainieren kann, meint Busch.
Dabei kann man nicht nur aus seinen eigenen Erfahrungen lernen, sondern auch von denen der Kollegen. Dieses Prinzip hat sich nicht nur in Qualitätszirkeln bewährt. Ein weiteres gelungenes Beispiel ist „Jeder Fehler zählt“. Regelmäßig stellen die Mitarbeiter des Instituts für Allgemeinmedizin der Uni Frankfurt in „Der Hausarzt“ Fehlerberichte vor, um die Praxis sicherer zu machen und Fehlern vorzubeugen. Die hohe Kunst der Allgemeinmedizin ist es, täglich zwischen „Abwartendem Offenlassen“ und „Abwendbar gefährlichem Verlauf“ zu entscheiden, so Dr. Beate Müller von der Uni Frankfurt (s. Seite 37). Fehler passieren, aber man muss nicht jeden Fehler selbst gemacht haben, um daraus lernen zu können. So lautet das Prinzip des Fehlerberichtssystems „Jeder Fehler zählt“.
Übrigens: Mit „Jeder Fehler zählt“ waren Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland die erste Fachgruppe, die über ein bundesweites Fehlerberichtssystem verfügt haben. Alle Fehlerberichte werden in einer Datenbank gespeichert, systematisch analysiert und ausgewertet. Zudem ist die Berichtsdatenbank recherchierbar. Sie können dort also selbst Informationen bekommen, darüber aber auch Ihren eigenen Erfahrungsschatz an Kolleginnen und Kollegen weitergeben. Machen daher auch Sie mit, partizipieren und berichten Sie unter www.jeder-fehler-zaehlt.de!
Herzliche Grüße, Ihre
Dr. Monika von Berg, Chefredakteurin „Der Hausarzt