Düsseldorf. Menschen mit Hörbehinderungen sollen über eine spezielle App auf dem Handy leichter Notrufdienste erreichen können. Nach einer positiven Testphase soll die Notruf-App “zügig bundesweit eingeführt” werden, wie es in einem Bericht des nordrhein-westfälischen Innenministeriums für den Gesundheitsausschuss des Landtags heißt. Das habe der zuständige Arbeitskreis der Innenminister-Konferenz bekräftigt.
Das Bundeswirtschaftsministerium habe seit Herbst 2017 eine Notruf-App entwickeln lassen, die unter anderem auch in Nordrhein-Westfalen mit Testteilnehmern erprobt worden sei. Leitstellen und Anwender aus verschiedenen Bundesländern hätten das Testsystem positiv bewertet. Damit die Notrufe über die App im gesamten Bundesgebiet immer an die nächstgelegene Leitstelle geleitet werden, seien “nun dringend länderübergreifende Absprachen erforderlich”, hieß es weiter.
Dem Deutschen Gehörlosen-Bund zufolge zeigten Umfragen, dass Gehörlose und hörbehinderte Menschen Notrufe lieber über die Videotelefonie in Gebärdensprache absetzen wollen. Bisher können hör- und sprachgeschädigte Menschen etwa ein Notfall-Fax schicken. Das wird von Verbänden als längst nicht mehr zeitgemäß und zu umständlich kritisiert. Komfortabler sei eine Notruf-App auf dem Mobilfunkgerät.
Zudem bietet das Unternehmen Tess Gehörlosen einen komplett barrierefreien Notruf an. Eine Gesetzesänderung machte es möglich, dass diese Anrufe rund um die Uhr stattfinden können. Telekommunikationsunternehmen hatten sich darauf hin bereit erklärt, die Kosten für die Vermittlung schon ab Juli 2018 zu übernehmen und nicht erst ab 2019, wie im Gesetz vorgesehen. Den Vermittlungsdienst in Gebärdensprache und Schrift stellt Tess bislang für Notrufe freiwillig kostenfrei zur Verfügung, der komplette Vermittlungsdienst etwa für reguläre Anrufe ist kostenpflichtig.
Nun hat die Bundesnetzagentur aber eine Ausschreibung gestartet, um einen Telefonvermittlungsdienst aufzubauen. Die Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten (DG) fürchtet jetzt, dass der kostenfreie Notruf in Gefahr ist, wenn Tess durch das Vergabeverfahren sein bisheriges Monopol verliert. Im Unterschied zu anderen Anbietern ist die DG Gesellschafterin der Tess und hat sich daher für die Kostenfreiheit des Notrufs eingesetzt.
Die Fachgesellschaft fordert daher nun den Gesetzgeber auf, Paragraf 108 Telekommunikationsgesetz und die Notrufverordnung erneut zu ändern. Dort müsse die “Unentgeltlichkeit einer Notrufverbindung, die Vorrangigkeit vor anderen Verbindungen sowie die unverzügliche Herstellung einer Notrufverbindung zur örtlich zuständigen Notrufabfragestelle” festgeschrieben werden.