Edinburgh. Menschliche Oozyten könnten in Zukunft womöglich im Labor zu einem befruchtungsfähigen Stadium heranreifen. Das ist jetzt einem Team von Biologen und Reproduktionsmedizinern aus Schottland und den USA gelungen – nach ihrem Bekunden zum ersten Mal überhaupt.
Sie nähren damit Hoffnung für junge Frauen mit Krebs, die heute wegen einer Chemo- oder Strahlentherapie auf eine Schwangerschaft verzichten müssen. Bisher steht ihnen nur die Kryokonservierung von Ovarialgewebe und die anschließende Reimplantation zur Verfügung. Bei manchen Tumorentitäten ist das Verfahren jedoch ungeeignet. Der Erfolg ist ohnehin nicht garantiert.
Die Forscher konnten nun in vitro Oozyten in vier Schritten bis zur Metaphase-II kultivieren. Spenderinnen waren zehn Frauen im Alter von rund 30 Jahren, denen während geplanter Sectiones caesareae kortikales Ovarialgewebe entnommen wurde.
Aus den gewonnenen primären und primordialen Follikeln ließen sich binnen acht Tagen 87 intakte Sekundärfollikel kultivieren (Schritt 1). Nach Beigabe von Activin A, das die Freisetzung des follikelstimulierenden Hormons (FSH) reguliert, entwickelten sich in weiteren acht Tagen Cumulus-Oozyten-Komplexe (Schritt 2). Vollständige Komplexe mit Granulosazellen haben die Forscher weitere vier Tage mit Activin A und FSH kultiviert (Schritt 3). Jene Komplexe mit Eizellen über 100 µm Durchmesser wurden abschließend in einem speziellen Reifungsmedium (SAGE IVM) kultiviert (Schritt 4).
Sind die Eizellen entwicklungsfähig?
Das Vorgehen war erfolgreich, die Ausbeute jedoch relativ gering: In neun Komplexen fanden die Forscher Polkörper und Metaphase-II-Spindeln – als Anzeichen für eine erfolgreiche Meiose.
Die Wissenschaftler sind selbst skeptisch. So sollen die Polkörper „abnormal groß” gewesen sein, schreibt das Team um die Reproduktionsbiologin Prof. Evelyn Telfer (Mol Hum Reprod 2018; online 30. Januar; doi: 10.1093/molehr/gay002). Auch sei das Entwicklungspotenzial der Oozyten „unklar”. Sie erachten ihren Versuch denn auch mehr als einen Nachweis, dass eine komplette In-vitro-Reifung menschlicher Eizellen prinzipiell machbar ist. Bislang war dies nur bei Eizellen von Mäusen gelungen.
Für den Keimbahnforscher Prof. Azim Surani von der University of Cambridge ist noch nicht ausgemacht, dass die so gewonnen Eizellen sich tatsächlich zum Blastozystenstadium entwickeln können. Nötig seien daher unter anderem Chromosomenanalysen, sagte er dem „Science Media Center”.
Auch sein Londoner Kollege, der Embryologe Prof. Robin Lovell-Badge, hat Bedenken: Der jetzt vorgestellte In-vitro-Prozess sei schneller abgelaufen als die natürliche Eizellreifung im weiblichen Körper. Die Folge könnten abnorme und nicht entwicklungsfähige Eizellen sein.