Münster. Neben Verbesserungen in der stationären Pflege müssen vor allem solche Angebote ausgebaut werden, die die Pflege im häuslichen Bereich möglich machen, pflegende Angehörige entlasten und dabei aktiv den Hausarzt einbinden. Darüber herrschte bei einer Podiumsdiskussion auf dem Hausärztetag Westfalen-Lippe am Samstag (10. März) Einigkeit.
Der Landesverband hatte mit Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), Hausärzteverbands-Chef Ulrich Weigeldt, dem seit einem Jahr niedergelassenen Hausarzt Dr. Jens Biesenbaum aus Löhne und der MFA und VERAH Ilona Hüning dabei eine Runde versammelt, die aus allen Ebenen der Versorgung Pflegebedürftiger berichten konnte.
“Pflege und Ärzte haben beide genug zu tun”
„Die Tagespflege ist ein wichtiger Baustein, um die Pflege daheim zu ermöglichen, die Familien aber zu entlasten”, betonte Laumann. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD zeige deutlich: Der Fokus der kommenden Regierung werde klar auf einer besseren Ausgestaltung der Pflege liegen. So sieht dieser etwa explizit die Stärkung der ambulanten Altenpflege im ländlichen Raum vor.
Dass dies auch für die Zusammenarbeit von Hausärzten und Pflegekräften ein wichtiges Signal sei, betonte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes Ulrich Weigeldt: “Eine gestärkte Pflege bedeutet auch eine Entlastung für die betreuenden Hausärzte”, erinnerte er. Und: Würden pflegende Angehörige nicht ausreichend entlastet, drohe wiederum eine “Katastrophe” durch entstehende Folgekosten für das Gesundheitssystem.
Dabei gehe es nicht darum, sich gegenseitig Arbeit wegzunehmen, betonte Weigeldt. “Pflege und Ärzte haben beide genug zu tun.”
VERAH als Vertrauensperson für die ganze Familie
Um Pflegebedürftige möglichst lang ambulant versorgen zu können, betonte Hausärzte-Chef Weigeldt darüber hinaus die Rolle der Hausarztpraxis. So sei es wichtig, die Möglichkeit der Delegation in der Praxis weiter auszubauen. Die VERAH sei dabei ein Erfolgsmodell: Bereits 10.000 der Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) sind bereits deutschlandweit im Einsatz. „Da die Kompetenz in der hausärztlichen Praxis bleibt, gibt es auch an der Schnittstelle zur Pflege keine Kommunikationsbrüche”, betonte Weigeldt einen entscheidenden Vorteil.
Aus ihrer eigenen Erfahrung bestätigte VERAH Ilona Hüning das: Sie und ihre Kolleginnen könnten aufgrund der Betreuung im häuslichen Umfeld der alten Patienten etwa den Hilfsmittelbedarf konkret ermitteln oder den Pflegezustand erfassen, erklärte sie in Münster. „Darüber hinaus sind wir echte Vertrauenspersonen für die Patienten, aber auch ihre Angehörigen”, weiß sie.
Chance für Hausärzte: Pflegebedürftigkeit thematisieren!
Genau dieses Beachten des psychosozialen Umfelds sei ein essenzieller Baustein des Hausarztberufs, betonte Dr. Jens Biesenbaum, der seit einem Jahr in Löhne niedergelassen ist. Er rückte den Fokus dabei auf den Hausarzt als „Familienmediziner”: „Wir können Themen wie Pflegebedürftigkeit oder Patientenversorgung thematisieren, auch wenn sie akut noch nicht eingetreten sind.”
Für sein Plädoyer, gerade bei alten und geriatrischen Patienten Klinikaufenthalte zu vermeiden – „häufig verschlechtert sich der Zustand danach signifikant” – erhielt der junge Allgemeinmediziner deutliche Zustimmung aus dem Publikum.
Laumann will Kliniken in die Pflicht nehmen
Nachbesserungsbedarf gibt es laut Gesundheitsminister Laumann trotz Erfolge der letzten Legislaturperiode noch allerhand. So fand er deutliche Worte dafür, dass der Fachkräftemangel an vielen Stellen beklagt werde, jedoch scheinbar nicht alle Ressourcen in der Ausbildung ausgeschöpft würden. Denn während in der Altenpflege heute 70 Prozent mehr Azubis ausgebildet würden als vor zehn Jahren, seien die Zahlen in der Krankenpflege die gleichen geblieben. „Da wird man als Minister doch verrückt”, kritisierte Laumann deutlich und kündigte an, das Gespräch mit der Krankenhaugsesellschaft Nordrhein-Westfalen zu suchen. „Jeder Mensch, der sich einen Beruf in der Altenpflege vorstellen kann, muss einen Ausbildungs- und Schulplatz haben.”
Einigkeit zwischen dem Gesundheitsminister und den anwesenden Hausärzten herrschte darüber hinaus übrigens auch in Sachen Digitalisierung: „Sinn und Zweck der Digitalisierung kann nicht sein, einen vorhandenen Mangel allein besser zu verwalten”, betonte er. Sie mache nur dort Sinn, wo sie für Ärzte Entlastung bringe. Und auch der Einsatz von Physician Assistants, betonte Laumann in Münster, mache keinen Sinn. „Wir sollten uns eher auf die Ausbildung von mehr Ärzten konzentrieren.”