Berlin. Damit Ärzten durch die Ausstattung ihrer Praxis für die Telematik-Infrastruktur (TI) kein finanzieller Nachteil entsteht, müssen die Fristen sowie Kostenerstattung für die Komponenten neu verhandelt werden. Darauf hat Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), am Mittwoch (28. März) vor Journalisten gepocht. „Ich sehe keinen Grund, warum ein Arzt in der Praxis auch nur einen Euro für die Praxisausstattung zuzahlen soll.” Niedergelassene Ärzte sollten nicht Probleme ausbaden müssen, „die der Markt verursacht”.
Laut KBV-Angaben sind Stand heute rund 10.000 Praxen an die TI angeschlossen – auch erste Allgemeinmediziner haben den Schritt bereits gewagt und mit “Der Hausarzt” ihre Tipps in einer Checkliste zusammengefasst. Nach aktueller Fristsetzung sollen es bis Jahresende rund 100.000 Praxen, Zahnarztpraxen und Krankenhausambulanzen sein – andernfalls droht ein Honorarverlust von einem Prozent. Gleichzeitig ist mit der Compugroup weiterhin nur ein Hersteller am Markt, der den nötigen Konnektor liefern kann. Für Ärzte ergebe sich daraus ein doppeltes Risiko: Neben dem Sanktionsrisiko aufgrund der Fristsetzung drohe auch, dass Praxen auf einem Teil der Kosten sitzen bleiben.
Anruf beim Schiedsamt
Die KBV habe deshalb erneut Verhandlungen mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen, um die aktuelle Marktsituation bei der Finanzierung der TI-Komponenten zu berücksichtigen. Parallel zur Fristwahrung habe die KBV das Schiedsamt angerufen, so Kriedel.
Die Kassen hingegen sehen aktuell keine Notwendigkeit für Nachverhandlungen: “Weder die KBV noch wir können voraussagen, wie sich die Preise der Industrie ab April tatsächlich entwickeln”, erklärt Ann Marini, Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes, auf Anfrage von „Der Hausarzt”. „Die jüngste Erfahrung spricht dafür, dass wir abwarten sollten. Denn bisher hat die vom Schiedsamt festgelegte Preisreduzierung schon zweimal gut am Markt funktioniert, die Preise wurden von der Industrie übernommen.”
Lücke von 1.190 Euro im dritten Quartal
In der Tat seien künftige Preise nicht bekannt, sagte auch Kriedel in Berlin. Jedoch sei absehbar, „dass die Preise für die Komponenten sich nicht so entwickeln werden, wie es in der ursprünglichen Kalkulation der Erstattungsbeträge berechnet war”.
Aufgrund der abgestaffelten Finanzierung drohen Ärzten, deren Hersteller noch nicht auf dem Markt sind, laut KBV-Prognosen in den kommenden Monaten finanzielle Einbußen. Da die Compugroup laut Kriedels Informationen ein Messe-Sonderangebot zur Conhit im April in Höhe der dann bereits leicht reduzierten Erstattung plane, sei dies im zweiten Quartal noch nicht dringend. „Ab dem dritten Quartal droht jedoch eine deutliche Lücke”, warnt Kriedel. Für das dritte Quartal nennt er nach aktueller Marktlage einen Eigenanteil des Arztes von 1.190 Euro für die Anschaffung.
„Das darf nicht sein”, betonte Kriedel in Berlin. „Laut Gesetz sollen den Ärzten keine Mehrkosten entstehen.” Die KBV, die bereits wiederholt für eine Fristverlängerung plädiert hatte, will daher offiziell an das Bundesgesundheitsministerium herantreten, kündigte Kriedel an.
Tab. 1: Marktanalyse der KBV
Quartal | Kostenerstattung | Angebotspreis |
III/2017 | 3.955 Euro | kein Angebot verfügbar |
IV/2017 | 3.693 Euro | 3.690 Euro |
I/2018 | 3.457 Euro | 3.465 Euro |
II/2018 | 3.245 Euro | 3.245 Euro (Schätzung) |
III/2018 | 2.055 Euro | 3.245 Euro (Schätzung) |
KBV-Rat für Compugroup-Kunden: Anbinden!
Laut KBV sind rund die Hälfte der 100.000 anzuschließenden Praxen Kunden der Compugroup. Ihnen rät Kriedel, „so schnell wie möglich” die Anbindung der Praxis anzustoßen. Wichtig dabei: Ärzte sollten sich die Finanzierung für das entsprechende Quartal schriftlich zusichern lassen.
Drei weitere Anbieter stehen laut Kriedel aktuell in den Startlöchern:
- Secunet
- T-Systems sowie
- der österreichische Hersteller RISE
Eine weitere Baustelle im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitswesens sei die elektronische Patientenakte, erinnerte Kriedel. Hier seien noch viele Fragen zu Nutzung und Umsetzung offen.
Damit die Patientenakte ihren Sinn erfüllt und Ärzte nicht zum „Digitalknecht” werden, müssen laut KBV folgende Anforderungen erfüllt sein: Für jeden Patienten darf es nur eine Akte geben, es darf keine Insel- oder Parallellösungen geben, außerdem sind einheitliche technisch-semantische Standards sowie ein sinnvolles Zugriffs- und Berechtigungskonzept nötig.