Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Hausarzt in der Berufspolitik ist man es gewohnt, dicke Bretter zu bohren. Nicht selten ist man geneigt, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen, weil man kaum glauben kann, wie weit die Gedankenspiele mancher Funktionäre von der Realität in den Praxen entfernt sind. Besonders eindrücklich ist dies aktuell beim wichtigen Thema „Kompetenzerhalt“. Dabei haben wir es in der Regel mit zwei Strategien der Hausärztegegner zu tun, die im Grunde jedoch auf das Gleiche hinauslaufen, nämlich dem Kleinreden der hausärztlichen Kompetenz.
Zum einen wird versucht, einzelne Bereiche aus der hausärztlichen Versorgung herauszulösen und bestimmten Spezialistengruppen zuzuführen. Das erleben wir aktuell bei der Palliativversorgung. Natürlich stellt sich keiner hin und zweifelt öffentlich die Kompetenzen der Hausärzte an. Vielmehr wird über formelle Qualitätsanforderungen, die in der Praxis aus rein logischen Gründen schon nicht umsetzbar sind, versucht, die Hausärzte aus der Versorgung schwerstkranker Patienten zu verdrängen.
Die zweite Strategie ist es, zu behaupten, dass auch Gebietsfachärzte hausärztliche Tätigkeiten übernehmen können. Das geschieht, wenn einzelne Facharztfunktionäre meinen, dass etwa die Koordination von komplexen Behandlungsabläufen, samt Medikationsmanagement, eigentlich auch HNO- Ärzte oder Orthopäden im Vorbeigehen miterledigen könnten. Das Ganze subsumiert man dann unter dem inhaltsleeren Begriff der „grundversorgenden Fachärzte“. Man reibt sich verwundert die Augen und ist erstaunt, wie viel hausärztliche Kompetenz sich diese Funktionäre zutrauen, ohne mit diesen komplexen Themen auch nur ein einziges Mal in ihrer Weiterbildung in Berührung gekommen zu sein. Solche Gedankenspiele sind nichts anderes als eine Gefährdung der Versorgungsqualität! Führt man sich vor Augen, dass es manchen am liebsten wäre, dass Hausärzte für jeden Handgriff eine mindestens 40-stündige Fortbildung besuchen sollten, ist es abenteuerlich zu glauben, dass gebietsfachärztliche Kollegen die hausärztlichen Kompetenzen nebenbei erwerben könnten. Da kann ich nur sagen: Mit 50 Fortbildungspunkten im Jahr wird es da eng!
Übrigens: Die gebietsfachärztlichen Kollegen in den Praxen sehen das häufi g genauso, denn sie wünschen sich, genau wie wir, eine gute und kooperative Zusammenarbeit. Ihre Funktionäre sind jedoch auf einem anderen Dampfer unterwegs. Besonders dreist wird es, wenn man uns die Missachtung hausärztlicher Kompetenzen als „Entlastung“ verkaufen will!
Was der hausärztlichen Versorgung wirklich nutzen würde, ist, wenn endlich alle an einem Strang ziehen, um die Allgemeinmedizin zu stärken und für den Nachwuchs attraktiv zu halten. Solche Funktionärs-Luftnummern helfen jedenfalls nicht weiter! Mit kollegialen Grüßen
Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender Deutscher Hausärzteverband e.V.