Sowohl die Muskelmasse als auch die Muskelkraft nehmen bis ins junge Erwachsenenalter hinein zu. Sie erreichen ihr Maximum bis zum Alter von etwa 40 Jahren, bleiben dann über die mittlere Lebensspanne konstant und verringern sich mit zunehmendem Alter allmählich.
Ab einem Alter von etwa 50 Jahren nimmt die Muskelmasse der Beine um jährlich 1–2 Prozent und die Muskelkraft um 1,5–5 Prozent ab. Problematisch bzw. krankhaft wird es jedoch, wenn dieser Abbau aufgrund geringer körperlicher Aktivität oder Fehlernährung übersteigert abläuft – oder wenn aufgrund kataboler Krisen im Rahmen von Erkrankungen innerhalb kurzer Zeit sehr viel Muskulatur verloren geht.
Erlangt dieser Verlust ein Ausmaß, das für den Patienten von funktioneller Relevanz ist, liegt eine Sarkopenie vor.
Mortalität deutlich erhöht
Gemäß der aktuellen Definition der European Working Group on Sarcopenia in Older People (EWGSOP2) handelt es sich bei der Sarkopenie um eine “progressive und generalisierte Skelettmuskelerkrankung, die mit einem erhöhten Risiko für Stürze, Knochenfrakturen, körperlicher Behinderung und Mortalität einhergeht” [1].
Das bedeutet, dass die Sarkopenie keineswegs – wie man lange Zeit glaubte – nur mit einem Verlust an Muskelmasse gleichzusetzen ist, sondern eine deutlich umfassendere Erkrankung darstellt. Das erhöhte Mortalitätsrisiko für Patienten mit Sarkopenie belegt eine Metaanalyse.
Demnach weisen Patienten mit Sarkopenie ein 3,6-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko auf, verglichen mit Patienten ohne diese Erkrankung. Auch das Risiko, eine Behinderung zu entwickeln, ist deutlich erhöht. “Das zeigt die Relevanz der Erkrankung und verdeutlicht die Notwendigkeit, die Sarkopenie frühzeitig zu erkennen und etwas dagegen zu tun”, betonte Prof. Alfonso J. Cruz-Jentoft aus Madrid.
Neue Erkenntnisse
Die Forschung der letzten Jahre hat zu einem besseren Verständnis der Sarkopenie geführt. So weiß man heute, dass die Entwicklung einer Sarkopenie nicht erst in höherem Lebensalter sondern bereits deutlich früher beginnt – und dass die Ausprägung von deutlich mehr Faktoren abhängt als nur dem Älterwerden.
Genetische Faktoren und Lebensstilfaktoren können die Muskelschwäche beschleunigen, Interventionen wie Training und Ernährung scheinen sie hingegen zu verlangsamen oder sogar umzukehren. Jungen Menschen sollte man daher raten, ihre Muskelkraft zu maximieren, während Personen im mittleren Alter diese möglichst erhalten sollten.
Bei Älteren geht es darum, den Verlust an Muskelkraft zu minimieren, um die Sarkopenie zu verhindern oder zu verzögern. Zudem gilt inzwischen nicht so sehr die Muskelmasse sondern vielmehr die nachlassende Muskelfunktion als wichtigste Bestimmungsgröße für die Sarkopenie. Das erleichtert die Diagnose im Praxisalltag, da sich die Muskelkraft leichter überprüfen lässt als die Muskelmasse.
Betroffene erkennen
Wann sollte man an eine Sarkopenie denken? Hier rät Cruz-Jentoft auf Patienten zu achten, die über Stürze, Schwächegefühle, eine geringe Laufgeschwindigkeit oder Probleme, von einem Stuhl aufzustehen, berichten.
Hier sollte man aufmerksam werden und testen, ob eine Sarkopenie vorliegt. Für eine erste Überprüfung eignet sich der Sarc-F-Fragebogen, dessen fünf Fragen die Patienten selbst ausfüllen können.
Ergeben sich daraus Hinweise auf eine Sarkopenie, lässt sich die Muskelkraft anhand einer Handkraftmessung beurteilen, etwa mit Hilfe eines Handkraftdynamometers. Allgemein gilt eine geringe Handkraft als ein Prädiktor für ein schlechtes Patienten-Outcome, das beispielsweise eine erhöhte funktionelle Beeinträchtigung, längere Krankenhausaufenthalte oder eine geringe gesundheitsbezogene Lebensqualität umfasst.
Neben der Handkraftmessung kann der Aufstehtest eingesetzt werden, um die Kraft der Beinmuskeln zu überprüfen. Dabei wird die Zeit gemessen, die ein Patient benötigt, um sich ohne Armlehne fünfmal so rasch wie möglich von einem Stuhl zu erheben.
Im aktuellen Konsensuspapier (EWGSOP2) finden sich Grenzwerte, deren Überschreitung den Verdacht auf eine Sarkopenie verstärkt (Tab. 1).