Berlin. Neben dem medizinischen Personal müssen die verfügbaren Dosen der Corona-Impfstoffe so schnell wie möglich an die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen verteilt werden. Darin sind sich die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte einig, wie ihre Diskussion bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am Freitag (4.12.) zeigte.
„Denn wenn die Politiker die Todesfälle runterfahren wollen, gelingt das nur über die Heime“, brachte es Dr. Peter Heinz, KV-Vorstand aus Rheinland-Pfalz auf den Punkt.
„Betreuer jetzt ansprechen“
Das Ziel müsse es sein, dass von den Bewohnern bis Anfang Januar die nötigen Einverständniserklärungen zur Impfbereitschaft vorliegen, wenn die ersten Impfstoffdosen – voraussichtlich im Januar – zur Verfügung stehen. Nur so sei gewährleistet, dass die geplanten mobilen Teams nahtlos loslegen könnten. Eine Herausforderung sind dabei vor allem auch die nicht oder nur teilweise einwilligungsfähigen Patienten wie etwa Demenzerkrankte.
Was bedeutet das für Hausärztinnen und Hausärzte? „Ab Montag müssen wir die Betreuer dieser Patienten ansprechen, damit in vier Wochen alle Unterschriften vorliegen“, fasste Dr. Carsten König, KV-Vize in Nordrhein, zusammen. Gerade die gesetzlichen Betreuer von Patienten zu erreichen, sei oft sehr schwierig und zeitaufwändig, berichteten zahlreiche Hausärztinnen und Hausärzte in der VV.
Der Deutsche Hausärzteverband plädierte Mitte November dafür, insbesondere auch das medizinische Personal in Kliniken, Heimen sowie Praxen zuerst zu impfen. Denn am Anfang sei der Impfstoff rar. Indem man die Versorger impfe, würde erstens die Versorgung gesichert und zweitens dadurch die Risikogruppen geschützt.
Aufklärungsmaterialien werden erarbeitet
Darüber hinaus brauchen die Ärzte rechtssichere Materialien zur Aufklärung über die verschiedenen Impfstoffe, so die einstimmige Meinung der Vertreter. Denn es sei nicht leistbar, alle Personen eins zu eins zu informieren. Für Heime und Impfzentren seien vorweg auch Gruppenaufklärungen denkbar, so die Idee.
Mit der Erstellung solcher Aufklärungsmaterialien wurden insbesondere das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von der Bundesregierung beauftragt. „Vergangene Woche hat es zwischen KBV, Bundesgesundheitsministerium und Richtern des Bundessozialgerichts ein Seminar gegeben, um Aufklärungsmechanismen zu entwickeln“, informierte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Ein erster Entwurf sei am Donnerstag (3.12.) an die Länder geschickt worden.
Drei Schritte zur rechtssicheren Impfung
Demnach reiche eine alleinige schriftliche Aufklärung rechtlich nicht. Vielmehr habe sich dabei folgender Prozess herauskristallisiert, so Hofmeister:
- Zentrale standardisierte Aufklärung als Vorbereitung (z.B. schriftlich)
- Kurze finale Abklärung durch Arzt: „Haben Sie noch Fragen? Möchten Sie sich impfen lassen?“
- Im Anschluss könnten Ärzte die Impfung selbst dann auch an medizinisches Fachpersonal delegieren.
Ärzte werden „Verwaltungshelfer des Landes“
Zudem wurde in der Diskussion die Absicherung von medizinischem Personal in den Impfzentren und mobilen Teams geklärt. In Schleswig-Holstein und Thüringen wurden bereits entsprechende Verträge mit den KVen verhandelt. Hierin findet sich jeweils der Ausdruck, dass Ärzte in den Impfzentren und mobilen Teams als „Verwaltungshelfer des Landes“ tätig werden.
Dieser Rechtsbegriff gewährleiste, dass die Länder die Haftungsrisiken der Corona-Impfung sowie die Unfallversicherung für mögliche Wegeunfälle auf dem Weg in die Zentren oder im Einsatz für mobile Teams übernehmen, hieß es in der Diskussion. Dies bestätigte auch KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.
Impfstoffe sollen rasch in die Praxen
Auch bei einer weiteren Forderung waren sich die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte am Freitag einig. Sofern genug Impfstoffdosen zur Verfügung stehen und auch eine Lagerung und Haltbarkeit in Kühlschränken möglich sei, soll die Impfung von den Zentren in die ambulanten Praxen, insbesondere von Hausärztinnen und Hausärzten, verlegt werden.
Eine flächendeckende Impfung von Risikopersonen und später dann auch anderen Impfwilligen sei nur so zu erreichen und gleichzeitig auch kostengünstiger als die Zentren, so das Fazit der Diskussion. Für die Politik seien die Zentren natürlich öffentlichkeitswirksamer, um zu signalisieren, es sei Besserung in Sicht. Aber die ambulanten Praxen hätten in den letzten Monaten auch rund 30 Millionen Menschen gegen Grippe geimpft, machte Dr. Johannes Fechner deutlich.
Hausärzte würden mehr Impfungen ermöglichen
Der KV-Vize aus Baden-Württemberg rechnete vor, dass das ambulante System leistungsfähiger als die Zentren ist. „Wenn jeder Hausarzt am Tag nur 20 Personen impft, können wir allein mit den 5.000 Hausärzten in Baden-Württemberg 100.000 Menschen täglich impfen.“ Zum Vergleich: Die Länder planen für die Zentren sehr verschieden mit 1.000 bis 20.000 Impfungen pro Tag.
Darüber hinaus gaben die Ärztevertreter aber zu bedenken, dass dieser Mehraufwand für sie auch adäquat honoriert werden muss. Dies werde mit den bisherigen Impfziffern nicht abgebildet. „Gerade die Aufklärung ist sehr aufwändig, es kostet uns viel Zeit, die Heime aufzusuchen. Die Heime erwarten von ihren Hausärzten eine 1:1-Betreuung“, sagte Dr. Doris Reinhardt, Hausärztin und Vorstandsmitglied im Hausärzteverband Baden-Württemberg.
Impfbereitschaft „größte Herausforderung“
Ähnlich fordert es der Bayerische Hausärzteverband. Vorsitzender Dr. Markus Beier sagte in einem Interview am Freitag: „Der Politik muss klar sein, dass wir die Mammutaufgabe nicht ohne ein faires Honorar stemmen können.“
Jeder Patient wünsche sich eine individuelle Beratung. „Ohne eine intensive Beratung durch uns Hausärzte werden die Impfquoten unter den Erwartungen liegen“, fürchtet Beier. Langfristig sei es die größte Herausforderung, dass sich 60 bis 80 Prozent der Bevölkerung impfen lassen.