Berlin. In der kommenden Woche soll der vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) angekündigte hochdosierte Grippeimpfstoff (Fluzone High-Dose Quadrivalent) in Deutschland zur Verfügung stehen. Das hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung am Donnerstagabend (12.11.) mitgeteilt. Mit diesen sollen insbesondere Bewohner von Alten- und Pflegeheimen geimpft werden.
Ärztinnen und Ärzte sollen sich daher mit den Einrichtungen bei der Bestellung abstimmen. Die Vakzine können sie über Muster 16 als Sprechstundenbedarf aus der Apotheke beziehen. Die Pharmazentralnummer (PZN) ist nicht auf der Verpackung sichtbar, laut KVen und Hersteller handelt es sich um die 16820047.
In Deutschland ist der Impfstoff zwar bereits zugelassen, aber soll erst zur nächsten Grippesaison 2021/22 eingeführt werden. Die jetzige Lieferung ist daher die amerikanische Variante. Das Paul-Ehrlich-Institut hat für Ärzte und Patienten aber die Beipackzettel auf Deutsch übersetzt. Die darin enthaltene Patienteninformation stellt „Der Hausarzt“ hier zum direkten Download in größerer Schrift für die älteren Patienten als Word-Dokument zur Verfügung (s. Download-Kasten).
Das ist bei der Impfung zu beachten
Bei Fluzone High-Dose Quadrivalent handelt es sich um einen Impfstoff mit inaktivierten Influenzaviren. Um eine bessere Immunantwort bei älteren Patienten zu erzielen, enthält er die vierfache Menge an Antigenen – jedoch kein Adjuvans zur Wirkverstärkung. Vor der Impfung sollten Patienten laut Hersteller mit der Patienteninformation darüber informiert werden (s. Downloadkasten).
Der Hersteller betont, dass Fluzone High-Dose Quadrivalent nur intramuskulär gegeben werden darf. Bevorzugt sollte der Deltamuskel genutzt werden und zum Beispiel nicht Regionen mit größeren Nervensträngen wie der Po. Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem kann die Schutzwirkung eingeschränkt sein.
Zudem dürfen Personen, die gegen Hühnerweiß allergisch sind oder auf eine Grippeimpfung bereits schwer allergisch reagiert haben, nicht diesen Impfstoff erhalten. Wer innerhalb von sechs Wochen nach einer Grippeimpfung einmal ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) entwickelt hat, bei dem sollten Ärzte Nutzen und Risiken der Impfung genau abwägen.
Wie wirksam ist Fluzone High-Dose Quadrivalent?
Die quadrivalente Vakzine hat der Hersteller laut Fachinformation gegenüber dem trivalenten Impfstoff Fluzone High-Dose auf Nicht-Unterlegenheit getestet. Die 2.670 Teilnehmer über 65 Jahre in den USA waren mehrheitlich weißer Hautfarbe und im Median 73 Jahre alt.
Sie wurden randomisiert und doppelt verblindet auf drei Gruppen verteilt: Sie bekamen entweder den quadrivalenten Impfstoff oder einen der beiden trivalenten Varianten, die sich hinsichtlich des Influenza B-Stammes unterschieden. Nach 28 Tagen wurden anhand der Titer die Serokonversionsraten sowie die Hämagglutinin-inhibierenden (HAI-)Antikörper verglichen. Die tabellarische Übersicht in der Fachinformation zeigt, dass bei allen vier Stämmen die Nicht-Unterlegenheit sowohl für die Antikörper als auch für die Serokonversionsraten erreicht wurde.
Der Hersteller folgert daraus, dass die Immunogenität der beiden Vakzinen vergleichbar ist. Für die Wirksamkeit legt Sanofi Pasteur jedoch die Studie mit dem trivalenten Impfstoff Fluzone High-Dose zugrunde, da „beide nach dem gleichen Verfahren hergestellt werden und eine überschneidende Zusammensetzung aufweisen“.
Für diese doppelblinde Studie erhielten rund 32.000 über 65-Jährige in den USA und Kanada entweder randomisiert den trivalenten hochdosierten Fluzone High-Dose oder den standarddosierten Grippeimpfstoff Fluzone. Sie fand in zwei Grippesaisons statt.
Im Median waren sie 72 Jahre alt, mehrheitlich weißer Hautfarbe und etwa zwei Drittel litt an einer oder mehreren chronischen Erkrankungen. Wer Atemwegsbeschwerden zeigte, wurde mittels PCR oder Viruskultur auf Influenza getestet.
In der Gruppe mit der hochdosierten Vakzine traten 227 Influenzafälle (1,43 Prozent) auf, unter der Standarddosierung hingegen 300 (1,89 Prozent). Die Hochdosierung stellte sich damit als etwas wirksamer in der Prävention von Grippe heraus.
Mit diesen Nebenwirkungen ist zu rechnen
Laut dem Hersteller ist auch die hochdosierte Vierfachimpfung so gut verträglich und sicher wie die seit 2009 in den USA eingesetzte hochdosierte trivalente Vakzine. Ähnlich wie bei anderen Grippeimpfungen komme es am häufigsten zu Reaktionen an der Einstichstelle. Die meisten Nebenwirkungen treten demnach innerhalb von drei Tagen auf und klingen auch über drei Tage wieder ab.
Schmerzen entwickelt etwas weniger als jeder Zweite (41 Prozent). Bei den systemischen Nebenwirkungen kommen am häufigsten Myalgien (23 Prozent), Kopfschmerzen (14 Prozent) oder Unwohlsein (13 Prozent) vor.
Schwerwiegende Nebenwirkungen treten nur bei rund fünf Prozent der Patienten innerhalb von 180 Tagen nach der Impfung auf, heißt es in der Fachinformation. Allerdings wurde bei keiner ein Zusammenhang zur Impfung festgestellt.
Regionale und temporäre Lieferengpässe
Dass die 500.000 durch das BMG beschafften Dosen „im Laufe der Woche verfügbar“ sein sollen, ist für viele Hausärztinnen und Hausärzte jedoch nur Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Denn die Erfahrungen der vergangenen Wochen zeigen, dass die Verfügbarkeit von Grippe-Vakzinen regional – und auch zeitlich – sehr unterschiedlich sein kann. Darauf haben der Deutsche Hausärzteverband sowie zahlreiche Landesverbände wiederholt hingewiesen.
„Einige Praxen, bei denen es gleich zu Beginn der Impfsaison zu ersten Engpässen kam, haben zwischenzeitlich die nächste Charge erhalten“, weiß Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands. Dem Verband gegenüber hätten viele Praxen „von einer sehr frühen und hohen Nachfrage seitens der Patientinnen und Patienten“ berichtet. Grundsätzlich sei das eine erfreuliche Tendenz. Doch: „Wenn laut zum Impfen aufgerufen wird, darf es dann nicht zu langen Wartezeiten auf die nächste Charge kommen. Das führt verständlicherweise zu großer Verunsicherung und Frustration bei den Patientinnen und Patienten.“
Sprich: Zwar sind insgesamt 500.000 Dosen angekündigt, wann genau die Verteilung in der Fläche geplant ist, war am Freitagnachmittag jedoch noch unklar. Auch ist wichtig, die Anzahl der angekündigten Vakzinen in Relation zur adressierten Patientengruppe zu setzen: In deutschen Alten- und Pflegeheimen, die mit Fluzone High-Dose Quadrivalent vorrangig versorgt werden sollen, leben deutlich über 500.000 Menschen. Ende 2017 wurden laut Statistischem Bundesamt allein in vollstationären Pflegeheimen rund 818.000 Menschen versorgt.
„Abstimmung unter Kollegen“ gewünscht
Hier soll Hausarztpraxen, die aktuell schon heute vielerorts an der Belastungsgrenze arbeiten, eine weitere Aufgabe zukommen: „Da es sich um ein begrenztes Kontingent an Impfdosen handelt, empfiehlt das Bundesgesundheitsministerium, dass sich die betreuenden Ärzte von Alten- und Pflegeheimen gegebenenfalls bei der Bestellung des Impfstoffes miteinander abstimmen“, schreibt die KBV. Diese Abstimmung dürfte – bis auf wenige Ausnahmen, in denen die kollegiale Zusammenarbeit in der Nachbarschaft möglicherweise besonders eng ist – aber eher aufwändig sein.
„Die – sowieso bereits viel zu knappe – Zeit der Hausärztinnen und Hausärzte sowie ihrer Praxisteams sollte nicht in aufwändige Rationierungs- oder Organisationsmaßnahmen fließen müssen“, kommentierte Ulrich Weigeldt bereits die Lieferengpässe beim normalen Grippeimpfstoff in den letzten Wochen. So dürfe es aufgrund der begrenzten Verfügbarkeiten etwa auch nicht sein, dass Praxen komplexe Wartelisten anlegen oder Apotheken im Umkreis abtelefonieren müssen.
„Ich habe im Praxisalltag nicht auch noch Zeit dafür, den Impfstoff mittels komplexer Wartelisten zu rationieren und auszurechnen, wer wann geimpft werden kann und wer nicht,“ kritisierte auch Dr. Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Bremer Hausärzteverbands, jüngst in einem Rundschreiben an die Mitglieder.
Insgesamt 26 Millionen Dosen für Deutschland
Insgesamt stehen für die Saison 2020/21 in Deutschland Ministeriumsangaben zufolge etwa 26 Millionen Impfstoffdosen zur Verfügung – fast doppelt so viele wie in der vergangenen Saison, als 14 Millionen Dosen verimpft wurden. Die Erfahrungen der letzten Wochen zeigen jedoch, dass diese nicht dauerhaft flächendeckend zur Verfügung stehen und es daher immer wieder zu Engpässen in Hausarztpraxen kommt.