München. In den üblicherweise kleinen Teams in Arztpraxen ist es besonders wichtig, dass die Stimmung positiv bleibt, da es oft keine Strukturen gibt, in denen sich Konflikte verlaufen und abklingen können. Und wenn sich Konflikte manifestieren, gefährden sie reibungslose Abläufe und einen guten Umgang mit Patienten.
Dass sich eine durchweg gute Stimmung nicht realisieren lässt, ist menschlich. Dann ist Führungsqualität zur Konfliktlösung gefragt. Für die Rolle als Führungskraft sind Praxisinhaber allerdings nicht ausgebildet und müssen daher oft erst in sie hineinwachsen.
Indikatoren offensichtlich
Iris Schluckebier arbeitet als Expertin für Praxis- und Qualitätsmanagement beim PKV Institut in München, das Fortbildungen und Coachings für Arzt- und Zahnarztpraxen anbietet. Sie war selbst fast drei Jahrzehnte als Medizinische Fachangestellte (MFA) tätig und kennt die Problematik von zwei Seiten: aus dem Praxisalltag als Mitarbeiterin und als Coach in Praxen.
„Die Indikatoren für ein schlechtes Betriebsklima werden in der Regel schnell offensichtlich: Weil das Team nicht miteinander arbeitet, kommt es zu Fehlern, Dopplungen, Missstimmung, Unzuverlässigkeit. Das beeinträchtigt nicht nur den Praxisalltag, sondern birgt im Zusammenhang mit Patienten auch größere Risiken, mal abgesehen von der negativen Außenwirkung“, erzählt Schluckebier.
Die Gründe für angespannte Situationen können vielfältig sein: Sie kann in einer Spaltung des Teams liegen, in dem übereinander, aber nicht miteinander geredet wird. Auch Kompetenzgerangel kann eine Ursache sein. In der Folge ist die Belegschaft demotiviert, kündigt innerlich oder sogar wirksam, sodass sich Ausfälle wegen Krankheit mehren.
Zeitpunkt des Eingreifens richtig wählen
An dieser Stelle sind die Vorgesetzten gefragt. Eingreifen ist nötig, allerdings sollte der Zeitpunkt richtig gewählt sein. „Agiert er zu früh, macht der Arzt womöglich unnötig ein Fass auf, weil sich die Situation von allein gelöst hätte. Mit Zurücklehnen und Abwarten zieht er sich wiederum aus der Affäre, was von wenig Führungskompetenz zeugt. Der Mittelweg ist meistens sinnvoll: beobachten, ansprechbar sein, gegebenenfalls vorfühlen und auf jeden Fall eine Eskalation vermeiden“, erklärt Schluckebier.
Bessert sich die Situation auch nach Intervention des Arztes nicht, könnte ein Coaching helfen, wie sie bereits vielfach angeboten werden. Eine außenstehende Person bringt die wichtige Voraussetzung mit, unvoreingenommen in die Situation zu gehen. „Bei den meisten meiner Aufträge geht es um Konfliktmanagement. Als Coach kann ich offen sagen, was ich denke und mich nicht unbeliebt machen, weil ich am nächsten Tag wieder weg bin. Reden hilft! Aber eben offen, ehrlich, sachlich und loyal. Dann entsteht kein Streit, sondern eine Lösungsstrategie“, so Expertin Schluckebier.
Wie in der Medizin: Prävention ist besser als Behandlung
Vorbeugend gegen ein schlechtes Klima in der Praxis wirkt laut Schluckebier, wenn der Arzt innerhalb seines Teams Aufgabenrollen verteilt und leitende MFA oder Praxismanager das Wissen und die Kompetenz mitbringen, um schwierige Situationen und Herausforderungen zu meistern. Diese Person sollte vom Arzt Rückendeckung erfahren und der Unterstützung bei schwer zu lösenden Problemen sicher sein können.
Wichtig ist auch der Umgang des Praxisinhabers mit seinen Untergebenen. Denn der Chef gilt als Vorbild für den Umgang miteinander, seine Anerkennung der Mitarbeiter ist ein wichtiger Beitrag zu einem guten Betriebsklima. Führt er als Kapitän seine Mannschaft menschlich, zugewandt und vertrauensvoll, kann hoher Wellengang leicht umschifft werden.