Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gesetzt. Dies gilt in besonderem Maß für die tachykarden Herzrhythmusstörungen. Auch wenn Vorgeschichte und Klinik durchaus wichtige Hinweise auf die Art der Rhythmusstörungen geben können, so erfordert die Therapie doch immer die elektrokardiographische Dokumentation und zwar nach Möglichkeit mit einem 12-Kanal-EKG. Dafür gibt es nur eine Ausnahme, nämlich dann, wenn die Tachykardie zu einer hämodynamischen Instabilität bzw. zu einer Synkope führt, so dass eine sofortige elektrische Kardioversion unabdingbar ist. Sollte die Rhythmusstörung mittels EKG im Anfall nicht detektierbar sein, so empfiehlt sich ein Langzeit-EKG. Führt auch dies nicht zu einem Ergebnis, so sollte ein Event- Recorder implantiert werden. Einen wesentlichen Fortschritt bei der Detektion einer Rhythmusstörung bieten heute digitale Systeme wie die Apple Watch.
Einfache Faustregel
Als Faustregel gilt: Eine tachykarde Herzrhythmusstörung mit schmalen Kammerkomplexen ist immer supraventrikulärer Genese und deshalb nicht akut lebensbedrohlich. Breite Kammerkomplexe können zwar auch bei einer supraventrikulären Rhythmusstörung auftreten, sie sollten aber zunächst immer als ventrikuläre und somit lebensbedrohliche Tachykardie angesehen werden, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Hyperkinetisches Herzsyndrom
Wenn junge Patienten, vor allem Frauen, über intermittierendes Herzrasen klagen und im EKG eine Sinustachykardie dokumentiert wird, so dürfte es sich, wenn kein Fieber vorliegt und eine Hyperthyreose ausgeschlossen ist, am ehesten um eine harmlose funktionelle Störung im Sinne eines hyperkinetischen Herzsyndroms handeln. Therapeutisch empfiehlt sich eine regelmäßige sportliche Aktivität und eventuell ein Betablocker.
Unregelmäßiger Puls bei Vorhofflimmern
Geht die Tachykardie mit einer Arrhythmie einher, so spricht dies für Vorhofflimmern. Im EKG sind die unregelmäßigen Kammerkomplexe meist schmal, also nicht verbreitert. Doch sie können bei einem vorbestehenden oder frequenzabhängigen Schenkelblock auch verbreitert sein. P-Wellen fehlen. Gelegentlich findet sich auch ein pseudorhythmisches Vorhofflimmern, d.h. die Arrhythmie zeigt sich erst nach einer Frequenzreduktion. Primär geht es darum, die Kammerfrequenz zu senken, und zwar mittels Digitalis, Betablocker oder Verapamil. Außerdem sollte die Indikation für eine dauerhafte orale Antikoagulation anhand des CHA2DS2-VASc-Score geprüft werden.
Ob, wann und wie eine Kardioversion durchgeführt wird, sollte im Einzelfall entschieden werden, wobei die Kardioversion entweder sofort nach Ausschluss eines linksatrialen Thrombus mittels trans-ösophagealer Echokardiographie oder nach einer dreiwöchigen oralen Antikoa-gulation durchgeführt werden kann.
Auch die Frage, ob eine dauerhafte Stabilisierung des Sinusrhythmus – medikamentös oder mittels Katheterablation – angestrebt werden sollte, muss beim einzelnen Patienten entschieden werden, wobei vorrangig die Symptomatik zu berücksichtigen ist. Bisher gibt es keine Evidenz dafür, dass eine solche Rhythmuskontrolle die Prognose quo ad vitam verbessert. Dies gelang bisher nur bei herzinsuffizienten Patienten mittels Katheterablation. Finden sich im EKG statt normaler P-Wellen veränderte beziehungsweise sägezahnartige P-Wellen, so handelt es sich um Vorhofflattern. Die tachykarden, meist schmalen Kammerkomplexe sind aber regelmäßig. Das gilt auch für die fokale atriale Tachykardie, bei der gut abgrenzbare, aber veränderte P-Wellen erkennbar sind.
Anfälle sind typisch für eine PSVT
Tritt die Tachykardie ganz plötzlich anfallsartig auf und hört nach einer gewissen Zeit, meist einigen Stunden, auch wieder ganz abrupt auf, so spricht dies für eine paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie (PSVT). Typischerweise müssen die Patienten anschließend viel Urin lassen. Diese Tachykardie kann sehr unangenehm sein, sie ist aber nicht lebensbedrohlich. Sie entsteht durch eine kreisende Erregung (Reentry-Tachykardie), wobei entweder eine akzessorische Bahn vorliegt oder der AV-Knoten besteht aus zwei unterschiedlich schnell leitenden Bahnen, man spricht von einer elektrischen Längsdissoziation des AV-Knotens.
Die häufigste akzessorische Bahn ist das WPW-Syndrom. Die Erregung läuft meist über diese akzessorische Bahn vom Vorhof in die Kammer und über den AV-Knoten zurück. Deshalb sind die Kammerkomplexe verbreitert und die P-Wellen sind negativ, liegen aber meist im Kammerkomplex verborgen. Im Ruhe-EKG sieht man meist, aber nicht immer, die Präexzitation in Form der Delta-Welle.
Bei der elektrischen Längsdissoziation kreist die Erregung im AV-Knoten. Die Kammerkomplexe sind in der Regel schmal, nur bei einem vorbestehenden oder frequenzabhängigen Schenkelblock sind diese verbreitert. Zu jedem Kammerkomplex gehört eine P-Welle, die aber oft im Kammerkomplex verschwindet.Bei der Terminierung eines Anfalls sollte man zunächst Vagus-Manöver (Valsalva- Pressmanöver, Induktion von Brechreiz oder Trinken von eiskaltem Sprudel) probieren. Funktioniert das nicht, kommt Adenosin i.v. zum Einsatz. Die Therapie der Wahl, um Rezidive zu verhindern, ist die Katheterablation. Dies ist ein kurativer Eingriff.
Ventrikuläre Tachykardien sind immer lebensbedrohlich
Die gefürchtetste Tachykardie ist die ven-trikuläre, da sie der Vorbote von Kammerflimmern sein kann. Sie geht immer mit einer Verbreiterung des Kammerkomplexes einher. Es besteht eine vollkommene Dissoziation der Vorhof- und Kammererregungen, d.h. die P-Wellen haben eine normale Frequenz, sie werden aber von den tachykarden Kammerkomplexen überlagert und sind deshalb nicht erkennbar. Gelegentlich mogelt sich eine P-Welle mit einem normal übergeleiteten und deshalb schmalen Kammerkomplex zwischen die verbreiterten der Kammertachykardie. Ein solcher Capture-Beat beweist, dass es sich um eine ventrikuläre Tachykardie handelt ebenso wie ein bizarrer Lage-Typ.
Betroffen sind meist Patienten mit einer bekannten kardialen Erkrankung oder mit einem akuten Koronarsyndrom. Die ventrikuläre Tachykardie führt oft zu einer hämodynamischen Instabilität beziehungsweise zu einer Synkope. Dann ist die sofortige Defibrillation indiziert. Längerfristig benötigen diese Patienten einen automatischen implantierbaren Defibrillator (ICD). Eventuell muss die ventrikuläre Tachykardie zusätzlich mit einer Katheterablation kurativ angegangen werden.