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Anhörung zum TSVGHausärzte sehen deutlichen Nachbesserungsbedarf

Bereits vor der ersten Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags hat das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) für Ärger gesorgt. Vor den Abgeordneten haben die Sachverständigen nun deutlich gemacht, wo am Gesetzentwurf noch gefeilt werden muss.

Blick in den Gesundheitsausschuss: Am Mittwoch (16. Januar) wurde hier das TSVG diskutiert (Archivbild).

Berlin. „Gut Ding will Weile haben“: Für kaum ein gesundheitspolitisches Gesetz gilt das aktuell wohl so wie für das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). In der ersten Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags haben führende Ärztevertreter, Kassen sowie weitere Sachverständige dem Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gehörigen Nachbesserungsbedarf attestiert. In einer zweiten, jüngst angeordneten Anhörung Mitte Februar soll das parlamentarische Verfahren weitergehen. Der ursprüngliche Zeitplan – Spahn will ein Inkrafttreten zum 1. April – erscheint vor diesem Hintergrund sportlich.

“Wir geben uns vier Wochen länger für eine zusätzliche Beratung”, erklärte Spahn selbst zum Stand des parlamentarischen Verfahrens als Gast beim Neujahrsempfang des Deutschen Hausärzteverbands kurz nach der Anhörung. “Wir haben uns entschieden, viele Inhalte mit in das Gesetz aufzunehmen, und das benötigt auch mehr Beratung.”

In der über dreistündigen ersten Anhörung im Ausschuss haben die Sachverständigen am Mittwoch (16. Januar) teils deutliche Kritik geäußert. 53 Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige hatten darüber hinaus schriftlich zum Kabinettsentwurf Stellung genommen. Vor allem die Auswirkungen des TSVG auf den ärztlichen Praxisalltag, etwa in Form der geplanten Ausweitung der Mindestsprechstundenzahl, sowie der Umgang mit offenen Sprechstunden, sorgt weiter für Ärger. Aber auch für seine Pläne zur Stärkung von Physiotherapeuten, Logopäden und anderen Heilberuflern ist Spahn am Mittwoch angegriffen worden.

Für die Hausärzte kritisierte Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, ein „deutliches Ungleichgewicht“ im Vergleich zu den fachärztlichen Kollegen. Konkret machte er das als befragter Sachverständiger am Beispiel der offenen Sprechstunde deutlich: Fachärzte sollen für das Angebot einer solchen künftig extrabudgetär vergütet werden. „Dies muss gleichberechtigt analog auch für Hausärzte gelten“, betonte Weigeldt auf Anfrage der SPD-Abgeordneten Bettina Müller.

Offene Sprechstunde? Für Hausärzte Alltag!

Laut Gesetzentwurf sollen Fachärzte künftig mindestens fünf Stunden in der Woche als offene Sprechstunden anbieten. Diese werden unter bestimmten Voraussetzungen über einen extrabudgetären Zuschlag vergütet und sollen so den Zugang in die Arztpraxen ohne vorherige Terminvereinbarung erleichtern.

Solch offenen Sprechstunden seien im hausärztlichen Alltag bereits gelebte Realität, in der Regel halte man gar jede Stunde Pufferzeiten für Akutpatienten bereit, betonte Weigeldt für die hausärztliche Seite. „Auch das muss – für eine Gleichberechtigung der Arztgruppen – mit einem Zuschlag honoriert werden.“ Diese Forderung hat neben dem Deutschen Hausärzteverband auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in ihrer schriftlichen Stellungnahme erhoben.

Dass gesetzlich vorgeschriebene offene Sprechstunden Auswirkungen auf den Praxisalltag haben werden, steht für KBV-Chef Dr. Andreas Gassen außer Frage. Vor dem Ausschuss warnte er vor schlechten Auswirkungen insbesondere für die Versorgung chronisch Kranker.

Einigkeit herrschte bei den anwesenden Ärztevertretern, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Erhöhung der Sprechstundenzeit von 20 auf 25 Stunden pro Woche nicht dafür sorgen wird, Probleme in der Terminvergabe zu lösen. Bereits im Vorfeld der Anhörung hatte der Deutsche Hausärzteverband neben anderen Institutionen vor einer solchen Ausweitung der Sprechstundenzeit als negatives Signal an den ärztlichen Nachwuchs gewarnt. Zahlen der KBV zufolge leisten niedergelassene Ärzte bereits heute 52 Arbeitsstunden pro Woche, betonte Gassen auch am Mittwoch.

Auch der Gesundheitsweise Prof. Wolfgang Greiner bezweifelte vor den Abgeordneten, dass eine solche Erhöhung Einfluss haben könnte. „Dies wird wirkungslos bleiben in weiten Teilen, da der Großteil bereits heute so viele Sprechstunden anbietet.“ Das Terminvolumen werde sich damit voraussichtlich nicht erhöhen, das ließen auch die Arztzahlen nicht zu. Für Verbesserungen in der Terminvergabe setze er vielmehr auf eine Stärkung der Terminservicestellen durch entsprechende Bewerbung der Nummer 116 117.

Boni für HZV-Versicherte

Insgesamt, so Weigeldt, halte der Gesetzentwurf in aktuell vorliegender Form nicht das Versprechen des Koalitionsvertrags. Dieser spreche explizit von einer Stärkung der sprechenden und hausärztlichen Medizin; letztere sei im Gesetzentwurf aber nicht mehr zu finden.

Dabei könnte gerade eine stärkere Rolle des Hausarztes helfen, Engpässe in der Terminvergabe zu lösen, betonte eine Vertreterin der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) in Berlin. Der Versorgungsweg über den Hausarzt an den Facharzt sei „ideal“, um eine koordinierte Inanspruchnahme zu sichern. Für diese Leistung sollten Hausärzte jedoch mit mehr als fünf Euro entlohnt werden, so die Meinung der BAGFW.

Verstärken könnte diesen Effekt ein Anreiz in Form von Boni für Versicherte, die an der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) teilnehmen, machte sich Hausärzte-Chef Weigeldt vor den Abgeordneten stark. Er referierte auf gute Erfahrungen aus der Evaluation aus Baden-Württemberg, wo die HZV jüngst ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert hat. Der entscheidende Vorteil gegenüber Modellen wie den Terminservicestellen: Versicherte bekämen so einen Termin bei ihrem Wunscharzt.

Der Spitzenverband der Fachärzte hingegen äußerte sich kritisch zu solchen Boni; finanzielle Anreize allein führten in eine falsche Richtung.

“Patienten drohen zu Versuchskaninchen zu werden”

Kritik gab es jedoch nicht nur an Spahns Sprechzeiten-Plänen, sondern auch an weiteren Vorhaben des TSVG. So will der Minister per Änderungsantrag dafür sorgen, dass er künftig per Rechtsverordnung darüber entscheiden kann, welche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen werden – ohne den Weg über den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). „Wir haben Angst, dass Patienten damit zu Versuchskaninchen werden“, betonte Johann Magnus von Stackelberg, Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands, im Bundestag.

Auch die DEGAM hatte am Mittwoch scharfe Kritik an dem Vorstoß geübt. „Als wissenschaftliche Fachgesellschaft wollen und müssen wir betonen, dass eine Abkehr von den Prinzipien evidenzbasierter Medizin unkalkulierbare Risiken birgt“, erklärte Präsidentin Prof. Erika Baum, was auch für Hausärzte enorm wichtig sei.

Heilberufler im Fokus

Auch wegen seiner Pläne zur Stärkung von Physiotherapeuten, Logopäden und anderen Heilberuflern ist Spahn in die Kritik geraten. Es bedürfe keiner zentralistischen Instrumente, erklärte der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) zur Anhörung.

Spahn will mit seinem Terminservice- und Versorgungsgesetz auch die Heilberufler stärken. Unter anderem sollen höhere Honorarsteigerungen möglich sein, indem Begrenzungen wegfallen. Die Verhandlungen sollen künftig bundesweit einheitlich sein. Die Preise für die verschiedenen Leistungen sollen einmalig auf den höchsten für eine Region vereinbarten Preis steigen. Therapeuten sollen zudem unabhängig von ärztlichen Verordnungen mehr Eigenverantwortung beim Ausgestalten von Behandlungen bekommen – etwa bei Frequenz und Dauer.

Lucha schrieb, dass aufgrund einer Vereinbarung der Landesverbände der Krankenkassen und der Verbände der Heilberufler die Preise bis Ende 2019 im Durchschnitt um mehr als 30 Prozent ansteigen. „Meines Erachtens zeigt dies, dass die regionale Vertragspartnerschaft auch insoweit funktionsfähig ist und es keiner zentralistischen Instrumente bedarf.“ Der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann, warf Spahn „Dirigismus aus Berlin“ vor.

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