Frage
Dr. A. ist seit vielen Jahren mit seinen Kollegen Dr. B. und Dr. C. als Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) im gesperrten Planungsbereich tätig. Es gibt jedoch in letzter Zeit immer wieder Unstimmigkeiten, sodass A. überlegt, die BAG zu kündigen und zukünftig wieder in einer Einzelpraxis tätig zu werden oder sich in einer benachbarten Praxis anstellen zu lassen.
Er hat jedoch gehört, dass es Wettbewerbsverbote gibt und auch in seinem Gesellschaftsvertrag findet sich eine solche Regelung, die er jedoch nie so richtig verstanden hat. Er möchte nun wissen, was in diesem Zusammenhang zu beachten ist.
Antwort
Der anteilige immaterielle Praxiswert – der sogenannte “Goodwill” – des ausscheidenden Gesellschafters wird grundsätzlich von den verbleibenden Gesellschaftern nur dann in Geld abgefunden, wenn der Ausscheidende auf eine konkurrierende Tätigkeit nach dem Ausscheiden verzichtet.
Das heißt: Scheidet Dr. A. aus der BAG aus und erhält er eine Abfindung für seine Beteiligung am ideellen Gesellschaftsvermögen (was an die Zurücklassung seiner Zulassung zur Verwertung in der Gesellschaft gebunden ist), so verpflichtet er sich dazu, das vereinbarte Wettbewerbsverbot einzuhalten.
Anders wäre dies nur, wenn er keine Abfindung für seinen Anteil am ideellen Gesellschaftsvermögen erhält – er also unter Mitnahme seiner Zulassung aus der BAG ausscheidet.
Ausdrückliche Vereinbarung nötig
Die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots zwischen Ärzten ist grundsätzlich zulässig. Wirksam ist ein solches jedoch nur, wenn es durch ein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist und in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Weise das notwendige Maß nicht übersteigt.
Diese Voraussetzungen sind wegen der einschneidenden Auswirkungen auf die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit zu beachten, um nicht Gefahr zu laufen, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unwirksam wird.
Auch ist zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich einer ausdrücklichen Vereinbarung hierüber bedarf. Ein solches Wettbewerbsverbot lässt sich folglich nicht allein aus der Mitgliedschaft der BAG und der sich hieraus ergebenden Treuepflicht ableiten.
Doch was bedeuten diese Kriterien?
- Schutzwürdiges Interesse: Nachvertragliche Wettbewerbseinschränkungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt und nicht gemäß Paragraf 138 BGB sittenwidrig, wenn und soweit sie notwendig sind, um die verbleibenden Partner vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit zu schützen oder vor einem Missbrauch der Ausübung der Berufsfreiheit; sie dürfen nicht dazu eingesetzt werden, den Mitgesellschafter als Wettbewerber gänzlich auszuschalten.
- Gegenständliche Grenze: Zu beachten ist hierbei, dass nur der tatsächlich gegebenen Gefahr von Wettbewerb begegnet werden darf. Verfügt Dr. A. beispielsweise über mehrere Facharztbezeichnungen, darf sich das Wettbewerbsverbot nur beziehen auf diejenige ärztliche Tätigkeit, mit welcher er auch in der BAG tätig war.
- Zeitliche Grenze: Der BGH hat in zeitlicher Hinsicht eine Obergrenze auf zwei Jahre festgelegt. Starre Grenzen gibt es für die Vereinbarung der zeitlichen Dauer des Wettbewerbsverbotes darüber hinaus nicht. Hier kommt es grundsätzlich auf den Einzelfall an: So ist etwa zu berücksichtigen, wie lange die Gesellschafter zusammengearbeitet haben.
- Räumliche Grenze: Bezüglich dieses Aspekts ist ganz besonders auf den Einzelfall abzustellen, denn die räumliche Grenze hängt vom individuellen Einzugsbereich der jeweiligen Praxis ab. In Großstädten begrenzt sich das Wettbewerbsverbot in aller Regel nur auf den Stadtteil, in ländlichen Gebieten kann die Grenze dagegen deutlich weiter zu ziehen sein. Ferner ist die Kilometerangabe in den entsprechenden Regelungen als Luftlinie auszulegen. Hinsichtlich der räumlichen Grenze ist weiterhin zu berücksichtigen, ob es sich um eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft oder eine Praxis mit Zweigpraxen handelt und wo genau der ausscheidende Gesellschafter tätig war.
Häufig finden sich auch Ausnahmen von der strikten Unterlassungsverpflichtung, etwa für Vertretungstätigkeiten in einem zeitlich begrenzten Zeitraum (beispielsweise bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr).
Vertragsstrafe zu empfehlen
Zudem ist es üblich – und empfehlenswert – das Wettbewerbsverbot an eine Vertragsstrafenregelung zu koppeln, welche ebenfalls angemessen sein muss. Andernfalls könnte sie bei einer gerichtlichen Überprüfung herabgesetzt werden.
Häufig enthalten Gesellschaftsverträge zudem eine Bestimmung, wonach neben der Vertragsstrafe zusätzlich Unterlassung und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden können. Auch dies ist möglich.
Praxistipp
Zu unterscheiden vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot sind Regelungen, die den Gesellschaftern für die Dauer ihrer Stellung als Gesellschafter eine konkurrierende Tätigkeit untersagen.
Bei Praxisgemeinschaften gibt es dagegen überhaupt keinen Anwendungsbereich für die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, da bei dieser Kooperationsform jeder seine ärztliche Tätigkeit eigenständig ausübt und deshalb die Konkurrenzsituation der einzelnen Praxen zueinander für die Praxisgemeinschaft charakteristisch ist.