Muss sich eine Ärztin in Weiterbildung wegen vermehrter Wehentätigkeit in der 34. Schwangerschaftswoche arbeitsunfähig schreiben lassen, so könnte sie sich diese Zeit etwa in Thüringen auf ihre Weiterbildung anrechnen lassen – den gesetzlich vorgeschriebenen Mutterschutz jedoch nicht. In anderen Regionen könnte sie sich die Fehlzeit in keinem Fall anrechnen lassen, in wieder anderen müsste der Einzelfall geprüft werden. Diesen Flickenteppich deckt eine Umfrage des Forums Hausärztinnen im Deutschen Hausärzteverband auf. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass in einigen Ländern Krankheit auf die Weiterbildung angerechnet werden kann, Mutterschutz oder Elternzeit jedoch nicht", bilanziert Sandra Blumenthal für das Forum.
Von Dezember 2017 bis April 2018 haben die Ärztinnen bei allen Landesärztekammern angefragt. Das Ergebnis (Tab. 1): Allein in Baden-Württemberg, Berlin und Hessen werden Krankheit, Mutterschutz und Elternzeit gleichermaßen anerkannt.
Im Zuge der Gesamtnovelle der Musterweiterbildungsordnung könnte dieses Problem adressiert werden. Dafür hat sich Monika Buchalik für das Forum auf dem Deutschen Ärztetag starkgemacht: Einem eingebrachten Beschlussantrag, der Elternzeit und Co. regelhaft nicht als Weiterbildungszeit deklariert, will sie mit anderen Antragstellern eine Sechs-Wochen-Klausel hinzufügen: Eine Anerkennung von Fehlzeiten von bis zu sechs Wochen pro Jahr – ganz gleich, aus welchem Grund – sollen Verzögerungen in der Weiterbildung vermeiden. Beide Anträge hat der Ärztetag an den Vorstand der Bundesärztekammer überwiesen.
Bei ihrer Frühjahrstagung hatten sich auch die Delegierten des Deutschen Hausärzteverbandes dafür ausgesprochen, das Problem zu adressieren (Hausarzt 8).
Kommentar: Schluss mit der Willkür!
von Sandra Blumenthal
Im Genfer Gelöbnis, einer Art aktualisiertem Hippokratischen Eid, wird Selbstfürsorge und das Achten auf die eigene Gesundheit für Ärzte zur Pflicht. In den Weiterbildungsordnungen einiger Bundesländer sieht das jedoch leider anders aus: In Bayern etwa darf kein Tag der Weiterbildung wegen Krankheit versäumt werden – sonst muss nachgearbeitet werden. Nachwuchsärzten bleibt damit nichts Anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass der Weiterbilder mal ein Auge zudrückt. Bei längeren Ausfällen stehen aber auch die Praxischefs vor Problemen: Was, wenn bereits der nächste Arzt in Weiterbildung an der Tür klopft, die Vorgängerin aber noch Fehltage kompensieren muss?
Vor allem mit Blick auf die Unterscheidung zwischen Krankheit und Mutterschutz als Grund für das Fehlen zeigen sich gehörige Ungerechtigkeiten: Schwangeren in Thüringen etwa müsste man raten, sich vor der Geburt krankschreiben zu lassen, anstatt den Mutterschutz in Anspruch zu nehmen. Nur so wird die Fehlzeit auf die Weiterbildung angerechnet.
Diese Willkür darf nicht sein. Das Forum Hausärztinnen freut sich daher über die breite Unterstützung, die der Umfrage gefolgt ist. Sie zeigt, dass es an der Zeit ist, die bestehende Ungerechtigkeit zu beseitigen. Für die Zukunft braucht es bundesweit eine Regelung analog zu Baden-Württemberg, Berlin und Hessen. Nur so ist die Nachwuchsförderung in der Medizin mehr als ein bloßes Lippenbekenntnis.