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Hausarzt MedizinDiabetes mellitus ganzheitlich behandeln

Lange Zeit wurde der Diabetes mellitus Typ 2 als"Altersdiabetes" verharmlost. Das hat sich grundlegend geändert: immer mehr Menschen erkranken an Typ-2-Diabetes – darüber hinaus sind sie bei Erstdiagnose zunehmend jünger.

Patienten mit Erkrankungen, die vom Lebensstil so stark abhängen wie der Typ-2-Diabetes können von komplementären Therapien (CAM) bzw. Naturheilverfahren (NHV) erheblich profitieren. Das Leiden, welches mit Durst, allgemeiner Schwäche und übermäßiger Urinausscheidung einhergeht, ist schon seit der Antike bekannt. Der griechische Arzt Aretaios hat im Jahre 100 n.Chr. den Begriff Diabetes – durchfließen – geprägt und der persische Arzt Ibn Sina beobachtete den typischen Urin der "wunderbar süß" war. Der englische Arzt Thomas Willis fügte dann im 17.Jahrhundert den lateinischen Begriff "mellitus" (für honigsüß) hinzu und – der Begriff Diabetes mellitus war geboren.

Die an Diabetes erkrankten Patienten weisen nicht nur eine gesteigerte Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schweren Folgeerkrankungen und eine erhöhte Letalität auf [1] sondern die Erkrankung ist per se eine der Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen [2]. Die Metaanalyse einer Vielzahl prospektiver Studien konnte aufzeigen, dass Typ-2-Diabetiker im Vergleich zu Patienten ohne Diabetes ein rund doppelt so hohes Risiko für vaskuläre Erkrankungen wie KHK und ischämische Schlaganfälle haben [3]. Die Therapie des Typ-2-Diabetes zielt daher zunächst darauf ab, durch Gewichtsabnahme und Reduktion der viszeralen Fettdepots die zugrunde liegenden Risikofaktoren zu vermindern [4].

Da eine optimale Behandlung des Typ-2-Diabetes mehr als die Blutzuckereinstellung und die Gabe von Medikamenten beinhaltet, sehen nationale und internationale Leitlinien und Therapieempfehlungen insgesamt einen gewissen Ermessensspielraum im Sinne einer individualisierten Therapie vor. Als Basistherapie werden daher nicht die Pharmakotherapie, sondern folgerichtig vielmehr Lebensstilmaßnahmen empfohlen. Gerade hier haben klassische Naturheilverfahren wie Ordnungs-, Bewegungs- und Ernährungstherapie ihre Domäne und können und sollten daher Bestandteil eines umfassenden Behandlungskonzepts sein.

Naturheilverfahren beim Typ-2-Diabetes

Im Fokus der klassischen Naturheilverfahren steht die ganzheitliche Betrachtung von Gesundheit und Krankheit und die Unterstützung der Selbstheilungskräfte des Organismus wobei die einzelnen Verfahren der Naturheilkunde nicht isoliert eingesetzt werden sondern erst in Kombination positive Effekte erzeugen.

Ernährungstherapie

In der Naturheilkunde ist die Ernährungstherapie ein wesentliches Element des therapeutischen Gesamtkonzepts. Zwischenzeitlich liegen zwar vielfache Hinweise vor, dass eine umfassende Änderung des Lebensstils das primäre Ziel bei der Prävention von Typ-2-Diabetes sein sollte [5].

Nichts allerdings ist mitunter schwieriger für unsere Patienten, als dauerhaft die Ernährung umzustellen und den Lebensstil zu ändern. Eine Ernährung mit einem hohem Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln (Gemüse und Vollkornprodukte) und niedrigem glykämischen Index hat ein großes Potenzial, um die Progression des Typ-2-Diabetes zu vermindern [6]. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass verschiedene Formen einer vegetarischen Ernährung das Risiko für Adipositas und Typ-2-Diabetes verringern können [7]. Die naturheilkundliche Ernährungstherapie verfolgt ein individuelles Therapieziel basierend auf einem strukturierten Therapieplan, wobei vor allem traditionell Kostformen wie beispielsweise die fernöstliche ayurvedische Ernährungsweise oder die chinesische Lehre von den fünf Elementen die Ernährung in ein ganzheitliches System einbetten.

Bewegungstherapie

Zahlreiche nationale und internationale Studien der unterschiedlichen Forschungsdisziplinen konnten umfassend aufzeigen, dass ausreichende und ausgewogene körperliche Aktivität eine der besten Garanten für anhaltende Gesundheit ist. Körperliche Bewegung hat zahlreiche positive Effekte, z.B. reduziert sie das kardiovaskuläre Risiko, senkt den Blutdruck, erhält die Muskelmasse, vermindert das Körperfett und führt zu Gewichtsverlust. Bei Patienten mit D. mellitus sinkt der Blutzuckerspiegel während und nach körperlicher Bewegung und bei gleichzeitiger Steigerung der Insulinempfindlichkeit. Bewegung im niederen und mittleren Intensitätsbereich ist hierbei eine wichtige Voraussetzung zur Vermeidung größerer Blutzuckerschwankungen.

Ordnungstherapie und Mind-Body-Medizin

Auf Sebastian Kneipp (1821-1897) geht die Idee der Ordnungstherapie zurück, auch wenn der Begriff erst später von dem Schweizer Arzt Bircher-Benner (1867-1939) geprägt wurde. Beide legten Wert auf eine Wiederherstellung der körperlich-seelischen Balance, um einen gesunden Ausgleich zwischen Belastung und Erholung, Anspannung und Entspannung zu finden. Da sich der Typ-2-Diabetiker in vielen Aspekten seines Alltags mit neuen Herausforderungen konfrontiert sieht, geht es im Sinne der naturheilkundlichen Ordnungstherapie auch um die Frage, wie sich der persönliche Lebensalltag im Rahmen einer ganzheitlichen Diabetesbehandlung unter Berücksichtigung psychosozialer Gesichtspunkte gestalten lässt.

Die Ordnungstherapie will Betroffene darin unterstützen, einen gesundheitsförderlichen Lebensstil im persönlichen Alltag zu erhalten und/oder zu entwickeln. Die Wurzeln der Mind-Body-Medizin (MBM) liegen u.a. in den Ergebnissen der Stressforschung. Sie bezieht sich auf den wechselseitigen Einfluss von Geist, Psyche (Mind), Körper (Body) und Verhalten sowie auf die direkte Wirkung von Gefühlen, Gedanken, Einstellungen, sozialen Aspekten und Verhaltensfaktoren auf die Gesundheit. MBM unterstützt den Menschen ebenfalls darin, die Fähigkeit zur Selbstfürsorge zu entwickeln und/oder zu erhalten. Ordnungstherapie und Mind-Body-Medizin können krankheitsunabhängig vermittelt werden. Es werden Methoden erlernt, die auf den Erhalt und die Förderung von Gesundheit ausgerichtet sind.

Hydro- und Balneotherapie

Die Hydrotherapie ist eine der ältesten Behandlungsformen der Medizin. Die mit Quellwasser durchgeführten Wasseranwendungen hatten ihre erste Blütezeit im antiken Rom und gehören damit zu den ältesten Behandlungsformen der Medizin – Sanus per aquam; gesund durch Wasser. Beim Diabetes mellitus helfen Bäder mit naturheilkundlichen Zusätzen zur Hautpflege und warme Bürstenbäder regen die Durchblutung an. Ein Zusatz mit Heublume oder Weizenkleie entspannt und regt die Haut an und Eichenrinde als Badezusatz hilft beispielsweise bei Juckreiz.

Menschen mit Prädiabetes oder einem erhöhten Diabetesrisiko sollten schon frühzeitig in ein Programm zur Gewichtsreduktion und Steigerung der körperlichen Aktivität aufgenommen und auf kardiovaskuläre Krankheiten gescreent werden. In einem weiteren Schritt erfolgt dann die praxisnahe Vermittlung von Informationen zur Änderung des Lebensstils und ihrer konkreten Umsetzung im Alltag – in der Naturheilkunde übernimmt die "Ordnungstherapie" diese Aufgabe [8]. Eine vegetarische oder vollwertige Ernährung und regelmäßiges körperliches Training hat hierbei zahlreiche positive Aspekte auf die Gesundheit. Neben einer verbesserten Compliance durch Einsatz naturheilkundlicher Therapien ermöglicht die Komplementärmedizin dem Patienten aber auch die Übernahme von mehr Eigenverantwortung bei der Behandlung des Typ-2-Diabetes.

Naturheilkundliches Rezept: Diabetische Polyneuropathie

Fußmassage mit einem Igel-Ball

  • Die Massage stimuliert insbesondere die Nervenfasern, die Druck und Berührung weiterleiten. Dabei werden Reize gesetzt, die geschädigte Nerven stimulieren können.

Hydrotherapie – Kneippsche Kniegüsse

  • Der Kälteanreiz von kalten Kniegüssen führt zu einer Veränderung der Durchblutung und Stoffwechsellage und stärkt darüber hinaus das Immunsystem des Körpers.

Mind-Body-Therapie – Entspannungstechniken

  • Mit Entspannungstechniken – wie zum Beispiel autogenem Training – lassen sich ganz allgemein Schmerzen und Missempfindungen und deren Wahrnehmung verändern und oft auch bessern.

Akupunktur

  • Mit Akupunktur lässt sich die diabetische Polyneuropathie unterstützend behandeln. Darüber hinaus reguliert die Akupunktur den gestörten Stoffwechsel.

Bewegung und Tai Chi

  • Patienten berichten, dass sich die Symptome der Polyneuropathie durch Walking und ausgedehnte Spaziergänge leicht bessern lassen.

  • Risikopatienten für einen Diabetes sollten rechtzeitig identifiziert werden.

  • Durch eine frühe Lebensstilmodifikation und Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren kann sich ihre Prognose verbessern.

  • Eine Gewichtsreduktion sollte schon im Vorfeld einer Diabetes-Erkrankung sowie bereits in frühen Krankheitsstadien initiiert werden.

  • Die Naturheilkunde kann darin unterstützen, den Insulinhaushalt beim Typ-2-Diabetes zu stabilisieren und die Risikofaktoren die sich durch die Krankheit ergeben zu vermindern.

  • Die Naturheilkunde setzt vor allem auf die Änderung des Lebensstils mit vegetarischer, ballaststoffreicher Ernährung und viel Bewegung aber auch Phasen der Ruhe, unterstützt durch Entspannungsverfahren.

Mögliche Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

Literatur

  • 1 Liebl A, Neiß A, Spannheimer A et al. Kosten der Typ-2 Diabetes in Deutschland. Dtsch Med Wschr 2001; 126: 585-589

  • 2 Seshasai SR. Kaptoge S. Emerging Risk Factors C. et al. Diabetes mellitus, fasting glucose, and risk of cause-specific death. New Engl J Med 2011; 364: 829-841

  • 3 Sarwar N. Gao P. Emerging Risk Factors C. et al. Diabetes mellitus, fasting blood glucose concentration, and risk of vascular disease: a collaborative meta-analysis of 102 prospective studies. Lancet 2010; 375: 2215-2222

  • 4 Stefan N, Kantartzis K, Machann J Identification and characterization of metabolically benign obesity in humans. Arch Intern Med 2008; 168: 1609–1616 et al.

  • 5 Lindström J, Peltonen M, Eriksson JG et al. Improved lifestyle and decreased diabetes risk over 13 years: long-term follow-up of the randomized Finnish Diabetes Prevention Study (DPS). Diabetologia 2013; 56 (2): 284–293

  • 6 Lazarou C, Panagiotakos D, Matalas AL. The role of diet in prevention and management of type 2 diabetes: implications for public health. Crit Rev Food Sci Nutr 2012; 52 (5): 382–389

  • 7 Tonstad S, Butler T, Yan R et al. Type of vegetarian diet, body weight, and prevalence of type 2 diabetes. Diabetes Care 2009; 32 (5): 791–796

  • 8 Golücke C, Neuendorff F. Ordnungstherapie für die ambulante Praxis. In: Beer AM, Adler M, Hrsg. Leitfaden Naturheilverfahren fu¨r die ärztliche Praxis.Mu¨nchen: Elsevier; 2012: 217–231

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