Wo Allgemeinmedizin draufsteht, muss auch Allgemeinmedizin drin sein: Das hat der Deutsche Ärztetag mit seinen Beschlüssen zur Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) klar gestellt. Nach einer intensiven Diskussion haben die Delegierten die Kopfteile des Abschnitts B verabschiedet und somit der Bundesärztekammer (BÄK) für die weitere Arbeit an der Novelle den Rücken gestärkt. So stimmten die Delegierten zu, dass der Ärztetag nur systematische Grundsätze zu Weiterbildungsinhalten berät. Verabschiedet werden die Inhalte, die Gremien der BÄK erarbeiten, vom BÄK-Vorstand allein. Im Mai 2018 soll der Ärztetag in Erfurt dann über das Gesamtwerk der MWBO abstimmen. Das heißt auch, frühestens werden die Veränderungen in etwa ab 2023 greifen.
Was sieht der Kopfteil für die Allgemeinmedizin vor?
Die Weiterbildungszeit in Allgemeinmedizin soll insgesamt 60 Monate umfassen, davon
- müssen 24 Monate in Allgemeinmedizin in der ambulanten hausärztlichen Versorgung geleistet werden,
- müssen 12 Monate in der Inneren Medizin in der stationären Akutversorgung erfolgen,
- müssen sechs Monate in mindestens einem anderen Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung abgeleistet werden,
- können zum Kompetenzerwerb bis zu 18 Monate Weiterbildung in Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung erfolgen.
Zudem soll geprüft werden, ob 80 Stunden Kurs-Weiterbildung in Psychosomatischer Grundversorgung absolviert werden oder ob dies in den Inhalten abgebildet werden kann.
Debatte um Allgemeinmedizin
Vorausgegangen war dem Beschluss eine heiße Diskussion, die sich primär um zwei Aspekte drehte: Erstens herrschte unter den Delegierten Dissens, ob es wirklich nötig ist, dass Allgemeinmediziner 24 Monate in „Allgemeinmedizin in der ambulanten hausärztlichen Versorgung” absolvieren müssen. „Ich schäme mich dafür, dass dieser Antrag aus Baden-Württemberg die Pflicht in der Allgemeinmedizin aus der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin streichen will”, sagte Allgemeinmediziner Dr. Stefan Bilger. „Das ist ein Angriff auf unsere Kernkompetenz!” Die Antragsteller hatten dies damit begründet, dass die Weiterbildungsmöglichkeiten für hausärztliche Internisten eingeschränkt würden. BÄK-Vize Dr. Max Kaplan stellte dazu klar: „Natürlich wollen wir nicht auf die Kompetenz der hausärztlich tätigen Internisten verzichten.” Hierzu müsse aber nicht der Passus im Kopfteil geändert werden, sondern dies könne auch auf der Ebene der Landesärztekammern geregelt werden.
Ein anderer Kritiker meinte, ohne Internisten mangele es an genügend Weiterbildungspraxen. Auch dies wurde widerlegt: In Bayern sind nur ein Fünftel der mehr als 2300 Weiterbildungsbefugten Internisten, so Kaplan. Dies bestätigte auch Prof. Wilhelm Niebling, der unter anderem in der DEGAM aktiv ist: „Die Kapazitäten sind kein Problem. Hätte jede Weiterbildungspraxis einen Weiterzubildenden, hätten wir überhaupt kein Problem.” Der Baden-Württembergische hausärztlich tätige Internist Dr. Jürgen de Laporte appellierte an die Delegierten: Die Grundprinzipien der Allgemeinmedizin wie das abwartende Offenlassen unterscheiden sich zentral von denen der stationären Inneren Medizin. Deswegen ist es wichtig, dass in der Weiterbildung zum Allgemeinmediziner verpflichtend eine Abschnitt in der Allgemeinmedizin durchlaufen werden muss.”
Zwei weitere Anträge forderten, sechs Monate Pflichtzeit in Pädiatrie und Chirurgie für Allgemeinmediziner aufzunehmen. Dies sahen viele Delegierte kritisch. „Dadurch wird sich die Weiterbildungszeit verlängern und der Facharzt für Allgemeinmedizin wäre nicht mehr in 60 Monaten zu leisten”, warnte Dr. Gerald Quitterer aus Bayern. Im Vergleich zu anderen Fächern lege die Allgemeinmedizin sogar weniger Pflichtzeiten fest, nämlich nur 40 Prozent, bei den meisten Fächern sind es 60 Prozent, sagten einige Delegierte. Es bleibe also genug Freiraum pädiatrische und chirurgische Kompetenzen zu erwerben.
Als zweitens Hauptthema trieb die Delegierten um, ob die Weiterbildung zum Allgemeinchirurg erhalten bleiben sollte. Dies beschied der Ärztetag letztlich positiv.
Was ändert sich mit der MWBO-Novelle?
Wie werden Facharzt-Kompetenzen erlernt? An dieser Frage soll sich die Musterweiterbildungsordnung (MWBO) künftig ausrichten, statt auf starren Zeiten und Zahlen zu bestehen. Hierfür will die Bundesärztekammer die allgemeinen und speziellen Weiterbildungsinhalte in zweigeteilte Blöcke gliedern: den Weiterbildungsmodus „Kennen und Können” sowie den Modus „Beherrschen”. Für jeden Inhalt wird also definiert, ob der Arzt in Weiterbildung am Ende eine kognitive, Methoden- oder Handlungskompetenz erworben haben soll. Neben der Gesamt-Weiterbildungszeit soll es nur noch wenige Untergliederungen geben.
An der Grundstruktur ändert sich nichts: Die MWBO wird weiterhin aus den Abschnitten Paragrafenteil (A), Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen (B) und Zusatz-Weiterbildungen (C) bestehen. Die Weiterbildung soll aber flexibler werden, etwa durch neue Lernmethoden und berufsbegleitende Zeiten. Zudem will die BÄK künftig ein bundeseinheitliches elektronisches Logbuch einführen, um die Weiterbildungsinhalte zu dokumentieren. Die Präambel soll auf Arztrollen nach dem CanMEDS-Modell eingehen.
Aktuell werden die Entwürfe der 61 Bezeichnungen des Abschnitts B zwischen Kammern, Verbänden und Fachgesellschaften diskutiert. Die Allgemeinen Inhalte wurden überarbeitet und ein Glossar erstellt. Ebenso werden die Zusatz-Weiterbildungen und berufsbegleitende Qualifikationen diskutiert sowie der Paragrafenteil beraten. Ziel ist es, dass der Deutsche Ärztetag 201 die MWBO verabschiedet.
„Ich würde mir natürlich wünschen, dass später in den Ländern so viel wie möglich von der MWBO übernommen wird”, sagte BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery auf Nachfrage. Allerdings sei ihm bewusst, dass die Umsetzung in den Ländern stark variiere – mancherorts vergehen nach dem Beschluss bis zur Verwirklichung in der Praxis bis zu vier Jahre. In dieser Zeit veränderten sich auch Inhalte für Fächer und natürlich gebe es unterschiedliche politische Gewicht ein den Kammern, die den Prozess beeinflussen, so Montgomery.