Hamburg. An Hamburgs Kliniken wird es wohl bald mehr Transplantationsbeauftragte geben. Erstmals sollen sie außerdem verpflichtend für diese Tätigkeit freigestellt werden. Das sieht ein Gesetzesentwurf vor, den Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Dienstag (6.02.) vorgestellt hat.
Der Hamburger Senat will damit die Zahl der Organspenden in dem Bundesland erhöhen. Dort haben laut vorläufigen Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) vergangenes Jahr gerade einmal 24 Menschen postmortal Organe gespendet. 2012 waren es noch 49 – mehr als doppelt so viele. Auch die Zahl der entnommenen Organe ist seither drastisch gesunken (siehe Grafik).
Künftig sollen die 22 Kliniken in der Hansestadt, die als Entnahmekrankenhäuser gelten, nicht nur einen Transplantationsbeauftragen stellen. Ab mehr als 700 Betten (in somatischen Abteilung) brauchen die Häuser zusätzlich einen Zweiten.
Außerdem müssen sie sie freistellen: Für je zehn Intensivbetten muss der Beauftragte ein Zehntel seiner Vollarbeitszeit für diesen Job reservieren. Das Uniklinikum Eppendorf (UKE) beispielsweise mit seinen 146 Intensivbetten braucht demnach künftig 1,5 „hauptamtliche“ Transplantationsbeauftragte. Derzeit ist dort ein Beauftragter tätig. Auf Anfrage von “Der Hausarzt” begrüßte das UKE “die Gesetzesinitiative als eine weitere Maßnahme zur Erhöhung der Organspendebereitschaft”.
Hamburg folgt mit dem Vorhaben Bayern. Als bisher einziges Bundesland ist dort die Freistellung nach einem Schlüssel anhand der Intensivbettenzahl verpflichtend geregelt (siehe Übersicht).
Fast einhundert Mal mehr potenzielle Spender
Seit 2012 diverse Allokationsskandale die deutsche Transplantationsmedizin in die Krise gestürzt haben sind die Spenderzahlen im Sinkflug. Noch im selben Jahr reagierte der Bundestag mit einer Reform des Tranplantationsgesetzes (TPG). Erstmals wurden die Transplantationsbeauftragen darin erwähnt und für die rund 1.200 Kliniken, die Organe entnehmen, zur Pflicht. Die Details hat der Bund jedoch den Ländern überlassen.
Die Beauftragen sollen im Klinikbetrieb vor allem potenzielle Organspender identifizieren. Das ist offenbar bitter nötig. Denn obwohl fast jeder dritte Bundesbürger einen Organspendeausweis mit einem Kreuz beim „Ja“ besitzt, wird nur ein Bruchteil im Falle des Todes zu einem Spender. Deutschland gehört mit jährlich 10,4 Organspendern pro eine Million Einwohner zu den Schlusslichtern im Nationenvergleich.
In den Kliniken Hamburgs sterben laut Senat jedes Jahr rund 2000 Menschen, die als Spender in Betracht kämen. „Das zeigt, dass wir hier das größte Potential zur Steigerung der Organspende haben“, so Prüfer-Storcks. Sie erwartet sich von dem Gesetz daher „starke positive Effekte“.
Der Senat will außerdem eine Berichtspflicht einführen. Die Kliniken sollen künftig „auf Verlangen“ der Gesundheitsbehörde umfassende Informationen und Dokumentationen liefern. Außerdem wird der Behörde das Recht eingeräumt, an den Transplantationskonferenzen teilzunehmen. Damit soll „eine neue Transparenz geschaffen“ werden.
Reichen den Kliniken die Pauschalen?
Ob das Vorhaben allerdings „keine relevanten finanziellen Auswirkungen“ haben wird, wie es im Gesetzesentwurf heißt, ist fraglich. Die 22 Hamburger Kliniken haben 2015 für die Bereitstellung der Transplantationsbeauftragten insgesamt rund 425.000 Euro erhalten. Bundesweit stellen die Kassen dieses Jahr insgesamt 18 Millionen dafür bereit. 7,2 Millionen werden als Sockelbetrag zu gleichen Teilen auf die 1.200 Häuser verteilt. 10,8 Millionen Euro werden „volumenabhängig“ über die Zahl der hirntodrelevanten Sterbefälle verteilt.
Die Unikliniken, sogenannte A-Krankenhäuser, haben laut DSO pro Jahr im Schnitt rund 48.000 Euro für ihre Transplantationsbeauftragten erhalten. Allein damit wird zum Beispiel das UKE die künftigen 1,5 Vollzeitstellen nicht ausreichend finanzieren können. Der Senat spricht in seinem Gesetzesentwurf in der Tat von einem „verbleibenden Finanzierungsdelta“. Das werde „in wirtschaftlich vertretbarem Umfang ausfallen“ und kennzeichne „die besondere Verantwortung der Krankenhäuser für den Gesamtprozess der Organspende“.
Das „Hamburgisches Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes“ (HmbAGTPG) soll voraussichtlich am 28. März von der Bürgerschaft beschlossen werden.
Auch die Landesregierung Niedersachen hatte jüngst ein Ausführungsgesetz angekündigt. Noch in diesem Frühjahr will sie einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Landtag einbringen. Seit der TPG-Reform von Ende 2012 haben erst einige Bundesländer ähnliche Ausführungsgesetze erlassen bzw. bestehende angepasst.
Die geplanten Hamburger Regelungen im Detail
Entnahmekliniken benötigen:
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Beauftragte sind verantwortlich für:
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Qualifikation der Beauftragten:
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Rechte des Beauftragten:
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Gespendete Organe in Hamburg
Dezidierte Landesgesetze/-verordnungen für Transplantbeauftragte
… die seit der TPG-Novelle von 2012 erlassen oder geändert wurden.
Vorschrift | Vom | Besondere Regelungen |
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Bayern: Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes (AGTPG) | ||
13.12.2016 |
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Berlin: Berliner Transplantationsbeauftragtenverordnung – BlnTPBV | ||
02.11.2016 |
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Brandenburg: Transplantationsgesetzdurchführungsverordnung (TPGDV) | ||
27.06.2016 |
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Hessen: Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes (HAGTPG) | ||
20.11.2013 |
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Nordrhein-Westfalen: Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes (AG-TPG) | ||
13.02.2016 |
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Saarland: Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz | ||
27.03.2015 |
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Sachsen-Anhalt: Verordnung zur Ausführung des Transplantationsgesetzes | ||
22.02.2016 |
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Schleswig-Holstein: Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes (SH-A-TPG) und Landesverordnung über die Fortbildung und Qualifizierung für Transplantationsbeauftragte (TxBFortbildungsVO) | ||
16.12.2015 und01.07.2016 |
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