Berlin. Kaum ist die Laborreform zum 1. April gestartet, legt der Erweiterte Bewertungsausschuss nach: Von 1. Juli 2018 an sollen Ärzte zunächst eine „Diagnostik zur Bestimmung der notwendigen Dauer, Dosierung und Art eines ggf. erforderlichen Antibiotikums” beim Speziallabor einholen, bevor sie ein Antibiotikum verordnen oder ein Folgerezept ausstellen. Dieser Beschluss fußt auf dem Auftrag des Gesetzgebers zu prüfen, „in welchem Umfang Diagnostika zur schnellen und qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie eingesetzt werden können”.
Den gezielteren Einsatz von Antibiotika diagnostisch zu unterstützen, hält auch Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, für „sehr sinnvoll”. Aber bei der Schnelligkeit im Praxisalltag hakt es, kritisiert er gegenüber „Der Hausarzt” am Freitag (6. April). Die neuen Laborleistungen seien „im normalen Praxisbetrieb faktisch nicht handhabbar”.
Denn Hausärzte können keine der fünf neuen Leistungen selbst in der Praxis erbringen – sie müssen dazu zum Beispiel Blut abnehmen und dieses ans Labor schicken. Eine Auswertung könne mehrere Tage dauern, so Weigeldt. Liegt das Ergebnis vor, müssen sich Praxis und Patient mindestens telefonisch austauschen und, wenn nötig, der Betroffene ein Rezept abholen.
Tab. 1: Neue EBM-GOP ab 1. Juli 2018 | ||
EBM-GOP | Leistung | Honorar |
32459* | Procalcitonin-Test | 9,60 Euro |
32692/32759 | Differenzierung gezüchteter Pilze oder Bakterien in Reinkultur mittels MALDI-TOF-Massenspektrometrie | 6,59 Euro |
32772*/32773* | Semiquantitative Empfindlichkeitsprüfungen nach EUCAST oder CSLI gramnegativer oder -positiver Bakterien, je Bakterienart höchstens zwei Arten je Untersuchungsprobe | 6,93 Euro |
32774/32775 | Zuschlag zu 32772/32773 je Bakterienart und Resistenzmechanismus | 8,50 Euro |
*bis 1. Juli 2021 sollen diese GOP extrabudgetär vergütet werden
Bei einer akuten Erkrankung können Arzt und Patient nicht so lange warten, meint Weigeldt. Ob ein Antibiotikum etwa bei einer Erkältung überhaupt nötig ist, sorgt mitunter heute schon für lange Diskussionen mit Patienten, wie Hausärzte immer wieder berichten. Darüber hinaus sei es Hausärzten nicht zuzumuten, zum Beispiel während der Grippesaison 50 Patienten täglich Blut abzunehmen, meint Weigeldt. Er hält den CRP-Test für die „sinnvollere Alternative”, dieser könne Hausärzte bei der Therapieentscheidung unterstützen – und sie erhielten das Ergebnis innerhalb weniger Minuten direkt in der eigenen Praxis.
Warum der Erweiterte Bewertungsausschuss den CRP-Test im EBM nicht aufgewertet und den regelhaften Einsatz in der Praxis erleichtert hat, ist noch nicht klar. Der GKV-Spitzenverband verwies dazu auf Anfrage von “Der Hausarzt” sehr allgemein auf die Evidenz: Der Bewertungsausschuss habe die Bestimmung von Procalcitonin als “effizientes Verfahren” eingestuft. Zudem könnten niedergelassene Ärzte den CRP-Test bereits mit der GOP 32128 EBM (1,15 Euro) oder GOP 32460 (4,90 Euro) abrechnen.
CRP-Test rechnet sich bisher nicht
Wenn überhaupt, rechnen Hausärzte die CRP-Bestimmung oft mit der 32128 ab, da an die höher bewertete 32460 auch mehr Anforderungen geknüpft sind. Aber allein ein Testkit kostet schon etwa um die drei Euro, ein CRP-Test rechnet sich also bisher für die Praxis nicht. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich bisher noch nicht dazu geäußert.
Womöglich hat die Entscheidung des Bewertungsausschuss aber auch nur evidenzbasierte Gründe: Der Procalcitonin-Test ist laut arznei-telegramm „ein relativ sensitiver Indikator zur Abgrenzung bakterieller von nicht bakteriellen Infektionen” [1]. Aber auch der CRP-Test ist in der Praxis etabliert und es gibt gute Studiendaten dazu, wenn auch manche Ärzte dessen Einsatz kritisch sehen.
Laut des Abrechnungsexperten Dr. Gerd Zimmermann vom Hausärzteverband ist ein weiteres Ärgernis für Hausärzte zu befürchten [2]: Zwar fließen die Laborkosten für die neuen veranlassten Ziffern (s. Tab.) nicht in die Berechnung des Wirtschaftlichkeitsbonus des Hausarztes ein. Dafür muss er die Laborleistung ab Juli mit der neuen Ausnahmekennziffer 32004 EBM kennzeichnen. Allerdings könnten die Prüfgremien anhand der Kennziffer auch schnell filtern, wer die Diagnostik vor einer Antibiotikaverschreibung veranlasst hat und wer nicht. Zimmermann rechnet daher damit, dass die Prüfgremien bei Antibiotikaverordnungen künftig genauer hinschauen und Ärzte womöglich mit Regressen rechnen müssen.
Tab. 2: Die Ausnahmekennziffer 32004 | ||
32004 EBM | Laborleistung | Honorar |
Diagnostik und Bestimmung der notwendigen Dauer, Dosierung und Art eines ggf. erforderlichen Antibiotikums vor Einleitung einer Antibiotikatherapie oder bei persistierender Symptomatik vor erneuter Verordnung | 32151 Kulturelle bakteriologische oder mykologische Untersuchung |
1,15 Euro
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32274 / 32275 Phänotypische Bestätigung einer Multiresistenz |
19,20 Euro
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32459 Procalcitonin-Test |
9,60 Euro
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32692 / 32759 MALDI-TOF-Massenspektrometrie |
6,59 Euro
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32720-32727 Kulturelle Untersuchung auf ätiologisch relevante Bakterien |
5,50 – 11,70 Euro
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32750 Differenzierung gezüchteter Bakterien mittels mono- oder polyvalenter Seren |
3,90 Euro
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32760-32762 Differenzierung von in Reinkultur gezüchteten Bakterien |
3,60 – 8,80 Euro
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32763 Differenzierung von in Reinkultur gezüchteten Bakterien und strikten Anaerobiern |
13,30 Euro
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32772 / 32773 Empfindlichkeitsprüfungen nach EUCAST oder CSLI gramnegativer oder -positiver Bakterien |
6,93 Euro
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32774 / 32775 Zuschläge zu 32772 / 32773 | 8,50 Euro |
Immerhin: Für den geschätzten Mehrbedarf bei den Leistungen nach den EBM-Ziffern 32151, 32720 bis 32727, 32750, 32759 bis 32763, 32772 sowie 32773 soll die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung bundesweit insgesamt um sechs Millionen Euro steigen. Die neuen Ziffern 32459, 32774 und 32775 sollen bis Juli 2021 zunächst extrabudgetär gezahlt werden. Das nutzt Hausärzten allerdings nichts, weil sie diese Leistungen (i.d.R.) nicht erbringen können.
Quelle:
- 1. Was bringt der Procalcitonin-Test in der hausärztlichen Praxis? a-t 2011; 42: 21-2
- 2. Zimmermann G Antibiotika nur noch mit Labor? Medical Tribune, 5.4.2018, https://www.medical-tribune.de/praxis-und-wirtschaft/verordnungen/artikel/antibiotika-nur-noch-mit-labor/