Ein Viertel der deutschen Bevölkerung leidet an „Rheuma“. Zu den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises zählen bekanntlich viele unterschiedliche Krankheitsbilder. Die Patienten klagen jedoch meist über ähnliche Beschwerden: Schmerzen in den Gelenken und am Bewegungsapparat, oft schubweise, mit den typischen Symptomen Morgensteifigkeit, Überwärmung, Schwellung und Bewegungseinschränkung der betroffenen Gelenke.
Moderne Antirheumatika sind sehr wirksam. Zur unterstützenden Behandlung bieten sich einige analgetisch und antiphlogistisch wirkende phytotherapeutische Arzneidrogen an. Sie sind nebenwirkungsarm oder sogar -frei, brauchen aber wie alle Phytos eine gewisse Anlaufzeit (etwa drei Wochen). Wenn sie dann greifen, können oft die chemisch-synthetischen Antirheumatika, etwa NSAR, reduziert oder gar ausgeschlichen werden. Mit hyperämisierend wirkenden phytotherapeutischen Externa lässt sich oft sogar eine sofortige Linderung erzielen. Optimal ist, die systemische und die topische pflanzliche Therapie zu kombinieren. Bei der Auswahl der pflanzlichen Arzneimittel orientiert man sich an den Beschwerden der Rheuma-Patienten. Dann führen wenige Fragen zu einem passenden Phyto.
Hat ein Patient Schmerzen in Gelenken mit oder ohne Bewegungseinschränkung?
Bei allen rheumatischen Beschwerden, ob arthrotisch oder entzündlich bedingt, eignet sich Brennnessel als adjuvantes Phyto. Kraut und Blätter, die in diesem Fall verwendet werden, enthalten unter anderen Flavonoide, Mineralsalze wie Kalzium- und Kaliumsalze, Kieselsäure und Phenolcarbonsäuren, darunter die seltene Caffeoyläpfelsäure. Auf dieser basiert hauptsächlich die antiphlogistische Wirkung. Brennnesselblätter inhibieren die Leukotrien- und Prostaglandinsynthese. Infiltration und Aktivität immunkompetenter Zellen in entzündetem Gewebe werden gehemmt.
Monopräparate mit Brennnesselblättern zur Rheumatherapie sind zum Beispiel Hox® alpha Hartkapseln (Strathmann), Natu-lind® (Rodisma-Med) und Rheuma-hek® (Strathmann). Brennnesselblätter können auch extern eingesetzt werden. Dazu werden frische Blätter zu einem Spiritus oder einer Tinktur angesetzt, mit denen die schmerzenden Stellen eingerieben werden. Das hat einen lokal hyperämisierenden Effekt und wirkt außerdem über das kutane Nervensystem. Die Einreibungen können rheumatische und neuralgische Schmerzen sowie Beschwerden bei Lumbago, Ischialgie, Tendinosen oder Distorsionen lindern.
Ist eine degenerative Erkrankung Ursache der Gelenkschmerzen?
Bei Arthrose bietet sich auch ein anderes pflanzliches Mittel zur unterstützenden Therapie an: die Teufelskralle. Die sekundäre Speicherwurzel dieser Pflanze aus dem Süden Afrikas enthält ein ganzes Wirkstoffgemisch, etwa die Bitterstoffe Iridoide (vor allem Harpagosid, Harpagid und Procumbid) sowie Phytosterine. Es gibt viele Studien zu der Droge. Teufelskralle wirkt antiphlogistisch und schwach analgetisch.
Nachgewiesen wurden etwa die Hemmung bestimmter entzündungsauslösender Prostaglandine und auch die Hemmung der Kollagenaseaktivität. Dennoch ist die Pharmakologie noch nicht ganz geklärt. Auf dem Markt sind viele Fertigarzneimittel mit Teufelskralle, zum Beispiel Arthrotabs® (Salus), Cefatec® (Cefak), Doloteffin® (Ardeypharm), flexi-loges® (Loges), Harpagoforte® (Dyckerhoff), Harpavit (Evers), Jucurba® (Strathmann), Pascoe-Agil® (Pascoe) oder Rivoltan® (Krewel-Meuselbach). Es gibt auch Präparate für die lokale Injektion.
Handelt es sich um entzündungsbedingte Schmerzen? Sind Gelenke und/oder ist die Wirbelsäule in der Bewegung eingeschränkt?
Das stärkste pflanzliche Analgetikum ist die Weide. Weidenrinde hat außerdem einen antiphlogistischen Effekt. Das Phytotherapeutikum hat bei rheumatischen Beschwerden eine umfassende Wirkung und kann bei leichteren Schmerzen zur alleinigen Therapie ausreichen. Weidenrinde eignet sich auch zur Langzeittherapie. Der Hauptinhaltsstoff Salizin ist eine typische Pro-Drug, ist also erst einmal wirkungslos. Das bedeutet, Salizin führt im Gegensatz zur Salizylsäure nicht zu Veränderungen in der Magenschleimhaut.
Erst in der Leber wird Salizin zur Wirksubstanz Salizylsäure verstoffwechselt. Wirkung und Wirkmechanismus sind in einigen Studien untersucht worden. Salizylsäure hemmt die Zykloosygenase an den Nozizeptoren und blockiert so die Entstehung von Schmerz. Anders als bei ASS wird die Thromboxan-B2-Synthese nicht beeinflusst, und es gibt keine Wirkung auf die Thrombozytenaggregation. Gegenanzeigen für Weidenrinde sind vor allem Asthma und spastische Bronchitis. Ein Präparat mit Weidenrinde ist unter anderen Assalix® (Bionorica). Dazu gibt es positive Studienergebnisse, etwa bei Patienten mit akuten Rückenschmerzen.
Leidet der Patient an weichteilrheumatischen Schmerzen, an Fibromyalgie?
Dann kann man eine fixe Kombi-Tinktur aus alkoholischen Frischpflanzenauszügen einsetzen. Keine der drei Pflanzen – Zitterpappel, Echte Goldrute und Esche – wirkt für sich allein genügend analgetisch und antirheumatisch. Gemeinsam jedoch sind sie stark. In einigen, auch klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass die Pflanzen-Kombi bei schmerzhaften Erkrankungen des Bewegungsapparates sehr wirksam ist. Das Mittel – Phytodolor® Tinktur (Steigerwald) – ist auch geeignet bei arthrotischen Gelenkschmerzen und Bursitis.
Hat der Patient starke rheumatische Schmerzen und braucht er rasche Linderung?
Dann helfen Externa, allen voran der Cayennepfeffer. Die Früchte enthalten Capsaicin, eine gut untersuchte Wirkdroge. Wird Capsaicin lokal appliziert, wird nach anfänglichem Schmerz- und Wärmegefühl der Transport von Substanz P gehemmt und darüber das Schmerzempfinden gedämpft. Erst jüngst haben mehrere randomisierte Doppelblindstudien ergeben, dass die topische Anwendung von Capsaicin bei leichten bis mittelschweren Arthroseschmerzen, vor allem an Knie und Hand, relativ erfolgreich ist. Deutlich war der Effekt nach längerer Behandlungsdauer von bis zu 20 Wochen.
Wichtig: Capsaicin-haltige Zubereitungen reizen schon in geringen Mengen die Schleimhäute, deshalb sollte der Kontakt mit Schleimhäuten und Augen vermieden werden. Präparate mit Capsaicinoiden sind Capsamol® Salbe (Wörwag) oder Jucurbum® Wärme-Emulsion Salbe (Strathmann). Kombinationen mit anderen pflanzlichen Antirheumatika sind Finalgon® Wärmecreme (Boehringer Ingelheim), das auch Methylsalicylat enthält, oder Thermo Bürger® Salbe (Ysatfabrik), in dem Capsaicin mit Kiefern- und Fichtennadelöl kombiniert ist.
Eine Alternative bei schmerzhaften Sehnenansätzen und Sehnenscheidenentzündungen ist das Öl des Johanniskrauts. Das Rotöl wirkt antiphlogistisch und antibakteriell, es fördert Wundheilung und Durchblutung. Es ist allerdings zumindest theoretisch möglich, dass Johanniskraut photosensibilisierende Eigenschaften hat. Deshalb sollte während der Therapie mit Rotöl eine intensive Sonnen- oder UV-Bestrahlung lieber vermieden werden. Zum Einreiben und Einnehmen gibt es Johanniskraut Rotöl Öl (Jukunda). Das Rotöl ist auch in Dolo-cyl® Öl (Liebermann) enthalten und kombiniert mit Arnika-, Eukalyptus-, Latschenkiefern-, Rosmarin- und Wacholderbeeröl.
Auch Beinwell eignet sich zur topischen Therapie bei rheumatischen Muskel- und Gelenkschmerzen. Hauptwirkstoffe sind Schleimstoffe, Gerbstoffe und Allantoin. Die Gerbstoffdroge wirkt antiinflammatorisch und analgetisch und kann auch als Packung angewandt werden. Die gute Wirksamkeit von Beinwell-Präparaten wie Kytta®-Salbe oder Traumaplant® Salbe (Klosterfrau) ist in einigen Studien nachgewiesen worden.
Und schließlich gibt es Arnika zur externen Behandlung. Arnikablüten sind vor allem bei Schmerzen aufgrund einer Arthritis angezeigt. Die Ätherisch-Öl-Droge wirkt antiphlogistisch und analgetisch bei Entzündungen, antiseptisch und hyperämisierend.
Cave: Arnika sollte nicht auf verletzter Haut angewandt werden. Denn dann kann es zu einem direkten Kontakt mit den Langerhans-Zellen im Stratum spinosum und so zu einer Kontaktdermatitis kommen. Es gibt viele Arnika-Präparate zum Einreiben, zum Beispiel Kneipp® Arnika Kühl- & Schmerzgel oder Salbe, Dr. Imhoff’s Arnika Gel oder Schmerzfluid (Wigopharm) sowie Weleda Arnika-Salbe.
Tipp
Auch Ingwerwurzel hat eine antiinflammatorische Wirkung, wie sich in Studien gezeigt hat. Man kann den Patienten empfehlen, drei bis fünf Tassen Ingwertee pro Tag zu trinken.
Cochrane Review
Zum Thema Phytotherapie bei Rückenschmerzen gibt es einen aktuellen Cochrane-Review, für den 14 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 2.050 Patienten ausgewertet wurden. Die beste Evidenz gibt es demnach für Cayennepfeffer in topischer Applikation. Der analgetische Effekt des Capsaicins war besonders deutlich bei Patienten mit chronischen Schmerzen. Eine kurzzeitige Besserung wird sowohl mit Teufelskralle( 50 – 100 mg/d, oral) als auch mit Weidenrinde (120 – 240 mg Salizin/d, oral) erreicht. Beide Phytos eignen sich laut Review zur supportiven Therapie.
Heublumensack
Bei rheumatischen Erkrankungen können auch feucht-heiße Packungen mit Heublumen Erleichterung bringen. Sie eignen sich zur örtlichen Wärmebehandlung. Besonders gut soll die Wirkung vor allem bei Hexenschuss und anderen akuten muskelrheumatischen Schmerzen sein. Der typische Geruch der Heublumen geht auf das Ruchgras zurück. Es enthält Kumaringlykosid, das beim Verwelken Kumarin abspaltet. Kumarin wirkt kreislaufaktiv und verstärkt bei äußerlicher Applikation die Hyperämie. Studien haben ergeben, dass die lokale Erwärmung durch einen Heublumensack zu Analgesie und Sedierung führt, die Durchblutung steigert und den Tonus der Muskulatur mindert.
Literatur bei der Verfasserin