Am Ende blieben vom Fisch nur noch die Gräten. Beim außerordentlichen Deutschen Ärztetag zur GOÄ-Reform wurden die Anträge teilweise bis aufs Skelett filetiert. Immer wieder erfüllten Applaus, aber auch Buh-Rufe das Berliner Estrel an diesem Samstag Ende Januar. So emotional Reden und Diskussion bei Delegierten wie Gästen aufgenommen wurden, so kühl und stringent handelte das Gremium die Anträge ab.
Zwar stimmte am Ende die Mehrheit der Delegierten für den Leitantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer (BÄK), wonach der Kompromiss zur GOÄ baldmöglichst in Kraft gesetzt werden soll. Aber nur auf den ersten Blick scheint das Ergebnis die wirkliche Stimmung in der Ärzteschaft zu spiegeln.
Rückblick: Seit 2008 will die BÄK die GOÄ überarbeiten. Zunächst mit einem eigenen Entwurf. Doch Gesundheitsminister Rösler forderte 2010, sich mit dem PKV-Verband zu einigen. Fünf Jahre sind verstrichen und eine „GOÄ neu“ haben die Ärzte noch nicht zu Gesicht bekommen. Aus der Rahmenvereinbarung und dem Infopaket ließen sich nur Grundzüge ablesen. Auch daher wurden die Rufe nach Transparenz immer lauter.
Schon die erste Abstimmung im Estrel hatte große Folgen, wurden doch so alle Anträge, die zu einer „Unterbrechung der Verhandlungen“ führen würden, an den Ausschuss Gebührenordnung überwiesen. Als nächstes ging es dem Antrag von Dr. Elmar Wille, Ärztekammer Berlin, an die Substanz. Er vertrat die Kritiker unter den Referenten.
Sein Antrag wurde bis aufs Skelett zerlegt: Von den drei Seiten blieb nur der erste Absatz, in dem er forderte, den BÄK-Verhandlern zu vertrauen und die Gespräche fortzusetzen. Die Kritik an der Gemeinsamen Kommission (GeKo), in der BÄK, PKV und Beihilfe die GOÄ weiterentwickeln sollen, und die damit verbundene Änderung der Bundesärzteordnung – gestrichen. Wille hatte vor einer „erheblichen Einschränkung der ärztlichen Berufsausübungsfreiheit“ gewarnt. „Hier setze ich nicht mehr meinen Namen drunter“, zog er den Antrag zurück.
Auch der gemeinsam von Hausärzten und Fachärzten getragene Antrag verfehlte eine Mehrheit – aber nur knapp! Mit 109 zu 98 Stimmen lehnten die Delegierten ab, beim GOÄ-Kompromiss nachzubessern – und damit vorerst die fächerübergreifende Forderung nach einem eigenständigen hausärztlichen Kapitel. Aber noch laufen die Verhandlungen.
Kritisch sehen der Deutsche Hausärzteverband und die Allianz Deutscher Ärzteverbände besonders die GeKo. So erhielte die PKV Einfluss auf Fragen, die nur Patienten und ihre Ärzte betreffen. Was bringt die geplante „GOÄ neu“?
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Der neue robuste Einfachsatz soll dem heutigen 2,4-fachen Steigerungssatz entsprechen. Die Schwere im Einzelfall sollen Ärzte über 900 Zuschläge abbilden können, etwa für Betreuung zu Unzeiten oder von Kindern. Vor allem Hausärzte sollen profitieren, da es für Gesprächs-, Beratungs- und Zuwendungsleistungen zeitabhängige Positionen geben soll. „Wir können unsere Patienten aber nicht allein mit Gesprächen behandeln“, stellte Hausärztechef Ulrich Weigeldt klar.
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Die Steigerung auf den zweifachen Satz bleibt, jedoch eingeschränkt. „Hier mussten wir am meisten Federn lassen“, so Dr. Bernhard Rochell, BÄK. Eine Positiv-und Negativliste zeigt Ärzten, wann sie Leistungen steigern dürfen oder nicht. Zudem sollen Ärzte bei der GeKo beantragen können, weitere Gründe in die Positivliste aufzunehmen.
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Ärzte können mit Patienten abweichende Honorarvereinbarungen treffen, sofern die Behandlungsumstände nicht auf der Negativliste stehen.
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Die Analogabrechnung bleibt.
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Die GeKo und ihre Aufgaben soll Paragraf 11a BÄO beschreiben. Hierin sitzen vier Vertreter der BÄK und je zwei der Beihilfe und PKV. Alle Punkte stellten die Redner zwar umfassend dar, das meiste war aber bekannt. Die Debatte ließ Tiefe vermissen. So wurde kaum diskutiert, welche Gründe auf der Positiv- und Negativliste stehen könnten. Ebenso ist es fraglich, wie praktikabel es im Praxisalltag ist, Steigerungsgründe bei der GeKo zu beantragen. Auch bei den Euro-Bewertungen der Ziffern gebe es noch „nichts Berichtenswertes“, sagte Rochell. Emotionale Debatten darf man sicher wieder beim Ärztetag in Hamburg erwarten – auch der Fischmarkt ist dort ja nicht weit.
Aufgaben der GeKo
Empfehlungen zur:
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Anpassung der GOÄ an den medizinischen Fortschritt
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Beseitigung von Über- und Unterbewertungen
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Umfang und Anwendung des Steigerungssatzes (Positiv-/Negativliste)
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Analogabrechnung
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Interpretation der Abrechnungs-bestimmungen
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Informations-, Beratungs-, Kennzeichnungs- und Dokumentationspflichten
Empfehlungen kommen einvernehmlich zustande, dann entscheidet das Bundesgesundheitsministerium. Kann man sich nicht einigen, werden die Einzelvorschläge dem BMG vorgelegt. Basis dafür sind Analysen einer Datenstelle, die BÄK und PKV-Verband insgesamt 650.000 Euro pro Jahr kosten soll.
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Die Rede von Ulrich Weigeldt zur GOÄ-Reform auf dem Ärztetag im Video.