Ein „Schmerz-Kontrollzentrum“ im Hypothalamus haben Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) identifziert. Im Gehirn kooperieren zwei verschiedene Typen Oxytocin-produzierender Nervenzellen und unterdrücken so den Schmerz gleich doppelt: Einerseits filtern sie den Schmerzreiz im Zentralnervensystem, die Schmerzlinderung tritt schnell ein. Etwas länger dauert es, bis das ins Blut ausgeschüttete Oxytocin die Schmerzempfindung in der Köperperipherie mindert.
„Kuschelhormon“ und Neurotransmitter – Oxytocin kann beide Rollen spielen: Als Hormon wirkt es im Körper und löst etwa Wehen aus oder leitet den Milchfluss ein. Im Gehirn wirkt Oxytocin als Botenstoff zwischen Nervenzellen, dämpft Ängste und beeinflusst das menschliche Sozialverhalten positiv. Seit kurzem vermuten Wissenschaftler auch, dass es als körpereigene Schmerzbremse wirkt.
Im Hypothalamus produzieren zwei verschiedene Arten von Nervenzellen Oxytocin: die großzelligen („magnozellulären“) Neuronen speisen das Neuropeptid über die Hirnanhangdrüse in die Blutbahn ein und versorgen so den Körper mit dem Hormon. Die Aufgabe der kleinzelligen („parvozellulären“) Oxytocin-Neuronen war noch nicht genau verstanden.
Wissenschaftler um Valery Grinevich entdeckten nun an Ratten einen Bereich im Hypothalamus, der als Schmerz-Kontrollzentrum funktioniert. Nur etwa 30 parvozelluläre Oxytocinproduzierenden Nervenzellen orchestrieren dort die schmerzhemmende Wirkung des Neuropeptids. Sie treten bei akuten Schmerzen oder Entzündungen in Aktion: Unter diesen Bedingungen aktivieren sie die magnozellulären Oxytocin-produzierenden Neuronen im benachbarten „supraoptischen Nukleus“ des Hypothalamus. Dadurch wird Oxytocin in die Blutbahn ausgeschüttet und lindert diffus die Schmerzempfindung. Auf der anderen Seite reichen die Neuronen des Schmerz-Kontrollzentrums mit langen Ausläufern bis in tiefe Schichten des Rückenmarks. Dort speisen sie das Neuropeptid exakt an der Stelle des Zentralnervensystems ein, wo die Intensität der Schmerzwahrnehmung weitergeleitet wird.
Oxytocin wird wegen seiner positiven Wirkung auf das Sozialverhalten bereits als Medikament gegen bestimmte Symptome von Autismus oder Schizophrenie diskutiert. „Von jetzt an sollten wir auch darüber nachdenken, wie sich Oxytocin als Schmerzstiller therapeutisch einsetzen lässt“, sagt Grinevich.
Quelle: Grinevich V et al: A new population of parvocellular oxytocin neurons controlling mag-nocellular neuron activity and inflammatory pain processing. NEURON 2016, DOI: 10.1016/j.neuron.2016.01.041