Vorlaufzeit: Harte Hürde in der Praxis
Betreff: „Schwanger in der Weiterbildung? Keine Panik!“, HA 3, 20.2.16, S. 18
Der Titel soll wohl Mut machen… Panik ist nicht angesagt; aber ein gehöriges Maß an Gelassenheit, mit völlig unverständlichen bürokratischen Vorgaben umzugehen, ist tatsächlich für Arbeitgeber und Angestellte nötig!
Konkret: Im Artikel heißt es lapidar „Während einer Unterbrechung der Weiterbildungszeit ruht die Bezuschussung der KV. … Auch für die Wiederaufnahme der KV-Förderung ist eine entsprechende Vorlaufzeit nötig (etwa drei Monate).“ Wie bitte?
Nach der Erfahrung in Baden-Württemberg ruht nicht etwa die erteilte Assistentengenehmigung, sondern sie wird widerrufen. Sie muss zusammen mit der Förderung völlig neu beantragt werden, dazu sind folgende Unterlagen im Original notwendig: neue Arbeitsverträge, ein neues Führungszeugnis, Zeugnisse/Approbation, Nachweis der bisherigen Weiterbildungszeiten, der Antrag auf Weiterbildung und der Antrag auf Zuschuss. Arbeitgeber (der jetzt allein in der Praxis ist) und die junge Mutter (mit neugeborenem Kind) haben ja sonst nichts zu tun…?
Der harmlos klingende Verweis auf die Vorlaufzeit von drei Monaten erweist sich in der Praxis als harte Hürde: Was ist, wenn die Ärztin nach der gesetzlichen Schutzfrist direkt wieder einsteigen möchte? Da sind die drei Monate zu kurz. Wie soll frau vor der Geburt wissen, wann sie weder weiterarbeiten kann, ob das Kind gesund ist, ob sie selbst alles heil übersteht und nach acht Wochen arbeitsfähig ist? Dies wäre aber notwendig, um die genannte harmlos klingende Dreimonatsfrist einzuhalten.
Andernfalls geschieht es wie in unserer Praxis, dass die Tätigkeit zwar nach der gesetzlichen Schutzfrist von acht Wochen wiederaufgenommen wurde, die KVBW es aber leider ablehnte, eine rückwirkende Genehmigung zu erteilen, damit die Tätigkeit als Weiterbildungszeit anerkannt und gefördert werden kann. Das bedeutet, dass sich die Weiterbildungszeit dementsprechend verlängert, trotz erbrachter Tätigkeit mit gültigem Arbeitsvertrag! Die Mitarbeiter der KV verwiesen zur Begründung ihres Verhaltens und ihrer Entscheidung bedauernd auf die geltenden Verträge mit den Kassen zur Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin.
Lieber Herr Weigeldt, ließen sich die Vorschriften zur Förderung der Weiterbildung nicht dementsprechend verändern, dass es Müttern, die rasch nach der Geburt weiterarbeiten möchten, auch tatsächlich möglich ist, ohne unüberwindbare biologische Hürden festzuschreiben (wie sich bereits vor der Geburt auf einen Tätigkeitsbeginn festlegen zu müssen)?
Meiner Meinung nach verstößt die aktuelle Praxis gegen die in Artikel 3 des Grundgesetzes festgeschriebene Gleichberechtigung, die festsetzt, dass niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt werden darf.
Dr. Sigrid Birrenbach, Oberteuringen
Auf Anfrage der Redaktion Stellungnahme der KV Baden-Württemberg:
Bei Schwangerschaft zahlen wir noch anteilig von den sechs Wochen circa zwei bis vier Wochen, damit der Vertragsarzt keine zu großen Nachteile hat, da die Assistentinnen sich ja sechs Wochen Mutterschutz/Unterbrechung im Kalenderjahr von der Bezirksärztekammer anrechnen lassen können. Die Genehmigung und Förderung (die Förderung wird sowieso immer nur für das laufende Jahr bewilligt) wird dann widerrufen/aufgehoben, da ja zum Zeitpunkt des Mutterschutzes oder evtl. auch Beschäftigungsverbots unklar ist, wann die Assistentin wieder mit der Weiterbildung beginnen wird.
Da die Genehmigung immer für einen bestimmten Zeitraum erteilt wird, kann es u.a. passieren, dass die Assistentin nach Ablauf oder während der zuvor genehmigten Zeit die Weiterbildung fortsetzt. Dies würde bedeuten, dass die Zeit bereits ausgelaufen oder zum Teil ausgelaufen ist.
Daher benötigen wir vor Beginn der Fortführung der Weiterbildung den Antrag auf Genehmigung, den Antrag auf Förderung, beide Erklärungen und evtl. eine Änderung zum Arbeitsvertrag (da es ja auch sein kann, dass statt 100 Prozent nun z. B. 50 Prozent gearbeitet wird bzw. das Laufzeitende eine Änderung erfahren muss).
Die anderen Unterlagen, wie Führungszeugnis, Approbation, Zeugnisse usw. liegen alle bereits vor und müssen nicht nochmals eingereicht werden. Die aufgeführten Antragsformulare sind sozusagen nur auszufüllen und zu unterschreiben. Die Genehmigung erfolgt in der Regel zum nächsten Monatsersten. Es gibt keine Dreimonatsfrist. Eine rückwirkende Genehmigung ist wie bei allen Vorgängen in der Körperschaft ausgeschlossen.
Politische Lösung nötig
Betreff: „Auch an Adipositas denken“, HA 2, 5.2.16, S. 60
Nach einer Pressemeldung von 2013 entzog ein holländisches Gericht mehreren Eltern extrem adipöser Kinder das Sorgerecht. Mit immer besseren Antidiabetika ist es leicht, den HbA1c in den Normbereich zu bringen – bei weiterhin bestehenden BMI von 35 oder mehr.
Eine Patientin mit einem BMI von 56 (!) gab an, dass sie „noch ein bisschen mehr essen muss, weil erst ab einen BMI von 60 ihre Kasse die Magenverkleinerung bezahlt“. Die Altersgrenze für Metformin liegt jetzt bei zehn Jahren. Sie könnte vorher höher gewesen sein.
Weitere Aufzählungen erübrigen sich, wenn die „Gesundheitspolitik“ begreift, dass politische Lösungen erforderlich sind. Bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung sind Größe und Gewicht anzugeben. Damit lässt sich der BMI errechnen und daraus die Höhe des Versicherungsbeitrages. Die gesetzlichen Kassen brauchen das nicht.
Dr. Hartmut Heinlein, Eschershausen