Den Stein ins Rollen brachte ein verhandelter Fall aus dem Jahr 2012 vor dem Landgericht Hamburg. Dort hatte eine Pharmareferentin, unter der kreativen Bezeichnung "Verordnungsmanagement", ein Prämiensystem für ärztliche Verordnungen von Medikamenten aus ihrem Betrieb praktiziert. Der verschreibende Arzt bekam fünf Prozent der Herstellerabgabepreise als Prämie dafür, dass er Arzneimittel des Unternehmens verordnete. Die Pharmareferentin hatte die Zahlungen als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge getarnt. Das Landgericht verurteilte die Pharmareferentin, die Revision einlegte. So landete der Fall schließlich vor dem BGH. Dieser beschäftigte sich nun mit der Frage, ob ein Vertragsarzt möglicherweise nicht nur Bevollmächtigter der Krankenkassen, sondern Amtsträger im Sinne des Strafgesetzes sei. In beiden Fällen wäre der Vertragsarzt schon nach altem Recht strafbar.
Doch der BGH entschied anders: Vertragsärzte handeln bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben im KV-System weder als Amtsträger noch als Beauftragte der GKV, so dass die "alten" Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuchs für sie grundsätzlich nicht anwendbar sind. Die Pharmareferentin war somit straffrei und der Gesetzgeber stand vor dem Problem einer klaffenden Strafbarkeitslücke für Angehörige von Heilberufen. Hier signalisierte der BGH Handlungsbedarf.
Der Gesetzgeber reagierte mit einigen Gesetzesentwürfen, die teils scheiterten, aber schließlich im heute vorliegenden Antikorruptionsgesetz mündeten. Es stellt jede Form von Bestechung und Bestechlichkeit beim Zuweisungs-, Verordnungs-, Abgabe- und Bezugsverhalten unter Strafe. Der ursprüngliche Regierungsentwurf ging allerdings weiter, enthielt das Tatbestandsmerkmal der Berufsrechtsverletzung und erfasste auch noch die Abgabe von Arzneimitteln. Nach deutlicher Kritik vom Deutschen Hausärzteverband, der Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung sowie einiger Juristen, wurden diese Tatbestandsmerkmale herausgenommen.
Nicht nur Geldzuwendungen sind strafbar
Jetzt können sich Heilberufler strafbar machen, wenn sie sich bestechen lassen bzw. andere Anbieter im Gesundheitswesen bestechen. Der Gesetzgeber hat dafür zwei Normen neu ins Strafgesetzbuch eingeführt: § 299a StGB Bestechlichkeit im Gesundheitswesen und § 299b StGB Bestechung im Gesundheitswesen. Erfasst werden alle Heilberufsgruppen, die eine staatlich anerkannte Ausbildung absolviert haben. Darunter fallen Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, aber auch Tierärzte, Psychotherapeuten und Gesundheitsfachberufe wie Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten. Nicht darunter fallen Heilpraktiker, weil deren Ausbildung nicht staatlich geregelt ist, wie es das neue Gesetz fordert.
Der Bestechlichkeit machen sich nach § 299a StGB Angehörige eines Heilberufes strafbar, die im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufes einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordern, versprechen lassen oder annehmen. Nach § 299b StGB wird hingegen bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs oder einem Dritten Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, die sogenannte Bestechung.
In beiden Normen ist nach dem Willen des Gesetzgebers der Begriff des Vorteils weit auszulegen. Dabei ist die klassische Geldzuwendung sicherlich ein Vorteil. Aber auch die Übernahme von Reise-, Übernachtungs- und Bewirtungskosten sowie die Bezahlung von Gebühren für Kongresse oder Seminare. Auch die Überlassung von technischen Geräten und die Bezahlung einer Weihnachtsfeier sind mögliche Vorteile. Ebenso können Sponsoring-Verträge oder die Gewährung eines Rabattes sowie der Gewinn aus einer Beteiligung an einem Unternehmen einen Vorteil darstellen. Eventuell fallen sogar immaterielle Vorteile unter den Tatbestand, sofern sie objektiv messbar sind. In Betracht kämen hier Ehrungen oder Ehrenämter.
Eine Bagatellgrenze ist in den Normen nicht vorgesehen. Sozialadäquate Zuwendungen, die eine konkrete heilberufliche Entscheidung nicht beeinflussen, erfüllen den Tatbestand jedoch nicht. Hierunter fallen beispielsweise geringfügige und allgemein übliche Werbemittel wie Schreibblöcke, Kugelschreiber oder kleinere Präsente von Patienten.
Vorteile, die eine Gegenleistung des Arztes angemessen honorieren, bleiben straffrei. Das gilt zum Beispiel für den Bereich der Anwendungsbeobachtung oder für das Halten von Vorträgen, sofern hier ein allgemein übliches Honorar gezahlt wird.
Dem Vorteil steht die unlautere Bevorzugung des Bestechenden im Wettbewerb gegenüber. Er muss daher im Zusammenhang mit einer Wettbewerbssituation stehen. Letztlich muss sich diese Unrechtsvereinbarung auf eine Handlung des Heilberufsträgers beziehen, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Berufes steht. Rein private Handlungen fallen daher aus dem Tatbestand heraus.
Vorsicht gilt bei Kooperationen
Aber was ist mit vom Gesetzgeber gewollten Kooperationen, die im Sozialgesetzbuch vorgesehen sind? In der Begründung zum Antikorruptionsgesetz steht, dass die berufliche Zusammenarbeit gesundheitspolitisch grundsätzlich gewollt ist und auch im Interesse des Patienten liegt. Beispielhaft werden Kooperationsvereinbarungen über die Durchführung von vor- und nachstationären Behandlungen (§ 115a SGB V), über die Durchführung ambulanter Behandlungen (§ 115b SGB V) und über die Durchführung ambulanter spezialfachärztlicher Versorgung (§ 116b SGB V) sowie die in den §§ 140a SGB V ff. geregelte sektorenübergreifende Versorgungsform (Integrierte Versorgung) aufgeführt, bei der Leistungserbringer aus verschiedenen Versorgungsbereichen (beispielsweise Arzt und Krankenhaus) bei der Behandlung von Patienten kooperieren.
Dennoch ist auch hier Vorsicht geboten, denn auch durch zulässige Kooperationen werden im Regelfall Vorteile verschafft. Für den Staatsanwalt reicht der Anfangsverdacht, um Ermittlungen aufzunehmen und die Anforderungen an diesen sind sehr gering. Es reichen tatsächliche Anhaltspunkte.
Was bedeutet dieses Gesetz für die Praxis?
Wenn eine Einladung eines Pharmaunternehmens zu einem Kongress oder zu einer Fortbildung im Ausland in die Praxis flattert, ist Vorsicht geboten. Eine unüberlegte Entscheidung könnte strafrechtliche Folgen haben. Aber gesunder Menschenverstand dürfte ausreichen, das Ermittlungsrisiko durch die Strafverfolgungsbehörden zu minimieren. Denn, auch die Strafverfolgungsbehörden bewegen sich auf neuen Pfaden, die noch nicht durch Rechtsprechung gefestigt sind.