Im Vorfeld des 119. Deutschen Ärztetages Ende Mai in Hamburg überschattete die heftige Diskussion um eine neue GOÄ alle anderen Themen. Aufgrund mangelnder Transparenz über die Verhandlungsergebnisse wurden auch personelle Konsequenzen gefordert. Ein entsprechender Abwahlantrag gegen Prof. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), sollte auf die Tagesordnung gesetzt werden. Nach 1,5 Stunden und sehr emotionaler Debatte stimmten die Delegierten aber schließlich gegen den Antrag.
Mit der Akademie für Allgemeinme- dizin, der Weiterbildungsordnung (MWBO) oder der Wahl eines neuen BÄK-Vorstandsmitglieds standen wieder viele wichtige Themen auf der Tagesordnung. Wie immer hat der Deutsche Hausärzteverband die hausärztlichen Delegierten zu Mittagsgesprächen eingeladen, um unter Moderation des Bundesvorsitzenden Ulrich Weigeldt Anträge vorzustellen, zu diskutieren und sich abzustimmen. Dies nahmen jeden Mittag 50 bis 60 Delegierte gerne an, wodurch bei zentralen Anträgen sehr gute Ergebnisse erzielt werden konnten:
Unter anderem hat sich der Ärztetag mit dem Schwerpunkt "Spannungsfeld Arzneimittelpreisbildung" beschäftigt. Auf Antrag von Dr. Gerald Quitterer und Bernd Zimmer hat sich der Ärztetag dagegen ausgesprochen, dass die Kassen multimorbiden Patienten grundsätzlich OTC-Arzneimittel erstatten. Dies hatten CDU und SPD als Reaktion auf den Pharmadialog gefordert. Zur Begründung heißt es im Antrag: Ärzte könnten dann nicht mehr kontrollieren, welche weiteren Substanzen Patienten zusätzlich einnehmen.
Geriatrie nicht abspalten!
Beim Thema "Reform der (Muster)-Weiterbildungsordnung" (MWBO) wurden einige für Hausärzte zentrale Beschlüsse gefasst. So fordert ein Antrag von Dr. Oliver Funken, dass Gesundheitsförderung und Prävention eine gesamtärztliche Aufgabe sind und daher die "Allgemeinen Inhalte" der MWBO um Kenntnisse in gebietsbezogener Prävention ergänzt werden müssen.
In mehreren Beschlüssen ist der Ärzte- tag den Vorschlägen des Hausärzteverbandes gefolgt und hat die Rolle der Hausärzte in der Geriatrie gestärkt: Die Delegierten lehnten ab, dass eine Gebietsbezeichnung "Geriatrie" eingeführt wird. Damit ist die BÄK aufgefordert, bei der MWBO keine weitere Spezialisierung und Abspaltung dieser wichtigen Kompetenz zuzulassen. In einem anderen Antrag wenden sich die Delegierten dagegen, dass Hausärzte zusätzliche Fortbildungen absolvieren müssen, um EBM-Ziffern zur Geriatrie abrechnen zu können. Damit gibt es zum ersten Mal einen Beschluss des Ärztetages, der der KBV deutliche Grenzen auferlegt, wenn diese Hausärzte zu weiteren Fortbildungen in Geriatrie verpflichten will.
Ebenso forderten die Delegierten, dass Geriatrische Institutsambulanzen (nach Paragraf 118a SGB V) unbedingt auch künftig nur auf Überweisung tätig werden können und auf diagnostische Maßnahmen und Therapievorschläge beschränkt bleiben. Vertragsärzte sollen diese Vorschläge regressbefreit umsetzen können, präzisieren Bernd Zimmer und Marion Renneberg im Antrag ihr Anliegen.
Zum aktuellen Hospiz- und Palliativgesetz stellt der Ärztetag auf Antrag von Klaus Schäfer et al fest, dass Hausbesuche wichtig sind, um Palliativpatienten zu betreuen und daher angemessen honoriert werden müssen. An den Vorstand überwiesen wurde das Anliegen von Zimmer et al, dass Hausärzte obligatorisch als Partner in alle Verträge der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) eingebunden werden müssen.
Akademie für Allgemeinmedizin bleibt unverändert bestehen
Zugunsten der Akademie für Allgemeinmedizin hat sich das Engagement des Deutschen Hausärzteverbandes beim Ärztetag ausgezahlt: Den vom Verband vorbereiteten Antrag nahmen die Delegierten mit großer Mehrheit an. So bleiben die Akademien für Allgemeinmedizin und für Gebietsärzte mit eigenen Statuten unverändert erhalten.
Noch auf dem Ärztetag 2015 in Frankfurt hatte die BÄK vorgeschlagen, beide in die neue Gremienstruktur einzubinden und damit ihre eigenständige Funktion aufzulösen. Damit wäre eine wertvolle Plattform zum Austausch verloren gegangen und die Akademie-Vorstände wären von den BÄK-Vorständen bestimmt, statt von den Delegierten gewählt worden. Bei der sich anschließenden Wahl setzten sich alle vom Hausärzteverband unterstützten Kandidaten durch. Im Akademievorstand sind künftig: Monika Buchalik, Bernd Zimmer, Marion Renneberg, Dr. Hans-Michael Mühlenfeld sowie BÄK- Vize Dr. Max Kaplan.
Der Beschluss ist ein großer Erfolg für die Hausärzte, besonders da prominente Vertreter des Marburger Bundes (MB) sich mit dem Antrag auf Abschaffung nicht durchsetzen konnten. Hausärzte und niedergelassene Gebietsärzte können also gemeinsam erfolgreich abstimmen, selbst wenn der MB als größter Einzelblock seine Delegierten dagegen auf Oppositionskurs bringt.
Spannende Vorstandswahl
Die Wahl für den nachzubesetzenden Posten im BÄK-Vorstand verlief voller Nervenkitzel. Für die Hausärzte trat Monika Buchalik, Vizepräsidentin der Ärztekammer Hessen, an, für den MB Anästhesistin Dr. Susanne Johna, ebenfalls aus Hessen. Der erste Wahlgang endete unentschieden mit 122 zu 122 Stimmen. Erst in der zweiten Runde setzte sich Johna knapp mit 124 zu 120 Stimmen durch. Auch dieses enge Ergebnis belegt, dass die Gruppe der Vertragsärzte gute Chancen hat, ihre Anliegen durchzusetzen, wenn sie geschlossen abstimmt.
Fazit
Die Wahl ist zwar haarscharf zu Ungunsten der Allgemeinmedizin im BÄK-Vorstand ausgegangen. Dennoch konnte der Deutsche Hausärzteverband inhaltlich viele Akzente setzen und entsprechende Beschlüsse herbeiführen. Dies gilt besonders für den Erhalt der Akademie für Allgemeinmedizin, für den sich der Hausärzteverband auf allen Ebenen eingebracht und den Antrag veranlasst hat. Dabei hat sich gezeigt, dass die Vertragsärzte, wenn sie geschlossen zusammenstehen und sich inhaltlich abstimmen, wichtige Entscheidungen herbeiführen und Mehrheiten organisieren können. Dies ist eine wichtige Erkenntnis für künftige Ärztetage, bei denen es immer wieder darum gehen wird, die Perspektive der Vertragsärzte im Allgemeinen und der Allgemeinmedizin im Besonderen erfolgreich durchzusetzen.
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