Vor allem bei der Erstüberweisung wünschen sich niedergelassene Hämatologen und Onkologen detailliertere Informationen der zuweisenden Hausärzte, zeigt eine qualitative Interviewstudie unter 15 niedergelassenen Hämatologen und Onkologen. Doch auch während der aktiven Tumortherapie schätzen die Befragten Informationen vom Hausarzt als hilfreiche Unterstützung.
Die Informationsweitergabe zwischen unterschiedlichen Behandlern ist ein altbekanntes Problem. Dies betrifft die Versorgung von Krebspatienten ganz besonders, da hier eine Vielzahl von Behandlern aus dem stationären und ambulanten Setting einbezogen sein können. Von hausärztlicher Seite wird häufig der zähflüssige Informationstransfer vom Spezialisten während der Tumortherapie und beim Übergang zur Nachsorge problematisiert [1–4].
Mehr Informationen bei Erstzuweisung
Doch auch niedergelassene Onkologen und Hämatologen wünschen sich mehr Detail-informationen vom Hausarzt, vor allem bei der Erstüberweisung eines Patienten. So kritisierten mehrere Befragte, dass sie in einigen Fällen einen "nichtssagenden Überweisungsschein" ohne Fragestellung, Laborwerte und Vordiagnostik erhalten oder auch Patienten mit dem Auftrag der Abklärung zu ihnen kämen, die aber nicht wüssten, was denn zu klären sei. Das Mitsenden von Vorbefunden eigener Diagnostik sowie von Klinikbriefen, Blutwerten und Befunden anderer Fachärzte helfe, den Krankheitsverlauf zu bewerten, könne Verzögerungen im Diagnose- und Behandlungsprozess sowie unnötige Doppeldiagnostik verhindern (s. Onko_10 in Hellblau).
Auch die Mitteilung von Begleiterkrankungen und deren Medikation nennen viele Interviewte als wichtige Information, die sie sich standardmäßig vom Hausarzt als "zentralem Vermittler" wünschen. Patienten sind sich ihrer chronischen Erkrankungen in einigen Fällen nicht bewusst und können ihre Medikation nicht klar benennen. Da Chemotherapeutika allerdings Wechselwirkungen erzeugen können, sind verlässliche Informationen vom Hausarzt wichtig (s. Onko_12 in Rosa und Onko_5 in Hellblau).
Zudem kann das Wissen von Hausärzten zur familiären, sozialen und psychischen Situation von Krebspatienten für die Therapieentscheidung von Bedeutung sein, wie unter anderem der eben zitierte Onkologe weiter ausführt (s. Onko_5 in Dunkelblau).
Hausarzt wichtiger Begleiter
Einige der Interviewten betonen, dass der Hausarzt durch seinen kontinuierlichen Patientenkontakt mögliche Nebenwirkungen, Wechselwirkungen oder das Nicht-Einnehmen oraler Chemotherapeutika schneller bemerkt als der Hämatologe und Onkologe (s. Onko_10 in Orange). Der Hausarzt ist deshalb auch während der aktiven Krebstherapie ein wichtiger Kommunikationspartner und kann zur erfolgreichen Durchführung der Chemotherapie beitragen.
Zudem wünschen sich niedergelassene Hämatologen und Onkologen über Veränderungen im Dauermedikationsplan und bei Begleiterkrankungen informiert zu werden, da diese relevant für die Wirkung der Chemotherapie sein können (s. Onko_9 in Lila).
Fazit
Die befragten Hämatologen und Onkologen betrachten die Erstüberweisung und die damit einhergehende Informationsübermittlung von hausärztlichem Vorwissen zum Patienten als wichtigen Beitrag zur Therapie. Sie wünschen sich eine "Fragestellung" sowie mehr Informationen rund um die Situation eines Patienten.
Es ist bekannt, dass der Hausarzt durch eine kontinuierliche und langfristige Beziehung zum Patienten oft umfangreichere Informationen zur Verfügung hat als der behandelnde Onkologe, sowohl was Vorerkrankungen, bereits erfolgte Behandlungen und Diagnostik als auch chronische Erkrankungen, Dauermedikation aber auch die familiäre und soziale Situation des Patienten betrifft. Diese Informationen nehmen die befragten Onkologen als wichtige Grundlage zur Einschätzung notwendiger Diagnostik sowie der Therapieentscheidung wahr.
Wie die Informationsweitergabe von Seiten der Hausärzte derzeit im Praxisalltag organisiert wird und umsetzbar ist, wollen wir neben weiteren Ergebnissen im September in Fokusgruppeninterviews mit Hausärzten diskutieren.
Stimmen der befragten niedergelassenen Hämatologen und Onkologen:
Was man sich zuerst wünscht eigentlich, ist immer eine Fragestellung. Wenn nur der Patient kommt und man fragt den Patienten: "Warum sind Sie da?", dann sagt der: "Keine Ahnung, mein Hausarzt hat mich geschickt" – das hilft ja nicht weiter. So eine Fragestellung wäre immer gut. Und dazu passende Befunde, zum Beispiel, die schon erhoben worden sind, damit man auch nicht wieder anfängt, alles doppelt und dreifach zu machen. Manchmal haben die Hausärzte auch schon einen Brief aus der Klinik. Das wäre natürlich gut, wenn der auch dabei wäre. Also, wir würden uns einfach mehr Basisinformationen wünschen, die der Hausarzt dem Patienten schon direkt mitgibt oder vorab faxt. Das wäre noch besser. Dann kann es der Patient nicht zuhause vergessen. Onko_10
Briefe kriegt man ja nicht von Hausärzten. Aber zumindest kriegt man häufiger mal Ausdrucke über die Begleitmedikation. Weil, das ist natürlich extrem wichtig für uns, dass wir wissen, was die Leute sonst noch so haben. Und viele Patienten sagen mir immer, nee, sie seien noch nie krank gewesen. Und wenn ich dann frage: "und welche Medikamente nehmen Sie?", haben die zehn verschiedene Medikamente aufgeschrieben, weil, der Diabetes und die Hypertonie und die Herzinsuffizienz und sonst was wird gar nicht als Krankheit wahrgenommen und von den Patienten immer nur auf die dritte Nachfrage hin berichtet. Von daher ist es uns immer relativ wichtig, die Basisinformation möglichst hausarztgestützt, beispielsweise über eine gute Medikamentenliste, zu erfahren. Weil Patienten halt doch nur wissen, dass sie so Pillen nehmen, ja? Und gegen was die sind, können sie meistens schon nicht mehr genau sagen. Onko_12
Meistens sind es Informationen, die ich anfordere. Dass ich sage: "Der Patient war da, bei mir, ich habe den gesehen, ich bin mir nicht ganz sicher, er hat mir das und das gesagt. Wie ist es denn wirklich?". Und da kommen manchmal wirklich erstaunliche Dinge noch zutage. Zusätzliche Vordiagnosen. Jemand, der drei Herzinfarkte hatte, aber kein Wort darüber verloren hat, ja? Und wo er sich nur gewundert hat, weil er ja noch eine entsprechende Medikation in der Tasche hatte. Und: "Ich hab hier meine Medikamente alle mitgebracht", dann kommt so ein großer Beutel. Onko_5
Oder: "Übrigens ist eine ganz schwierige häusliche Situation". Das sind die Informationen, die ich brauche. Ich mache nicht eine Riesentherapie und glaube, der Patient ist zuhause abgesichert, und der geht halt in einen Haushalt, wo nichts funktioniert und alle Krieg führen. Onko_5
Bei vielen Therapien, die wir machen, brauchen wir ein Team, auch zuhause ein Team. Sie brauchen vielleicht Hilfestellung durch Freunde, Ehepartner, Familienunterstützung. Und das ist für uns manchmal schwer hier abzuschätzen, wenn man den Patienten gerade mal eine Stunde kennen gelernt hat. Das ist etwas, wo der Hausarzt uns häufig sehr viel Hilfestellung bieten kann. Und wo wir uns dann auch gerne absprechen. Auch, wann man eine Therapie zum Beispiel beendet. Auch das ist eine häufige Sache, wo man sich abspricht. Onko_10
In Zeiten der zunehmenden Bedeutung von oralen Therapien (…) ist das ein relevantes Thema. Weil diese oralen Therapien, die wir zunehmend einsetzen, durchaus Interaktionen und Wechselwirkungen mit der übrigen Medikation des Patienten haben. Da sehe ich ein Verbesserungspotential, da auch eine Rückmeldung zu bekommen, wenn was geändert worden ist an der Medikation. Denn manchmal entstehen auch, wenn Hausärzte die Medikation ändern und Nebenwirkungen auftreten von den Medikamenten (…) und die Patienten mir dann von diesen Nebenwirkungen, von Beschwerden erzählen, die ich nicht einordnen kann. Dass ich dann auch mal nachfrage: "Ist an der Begleitmedikation für Ihre übrigen Erkrankungen was geändert worden?", kommt dann raus, dass der Hausarzt irgendwie Blutdruckmedikamente modifiziert hat und der Blutdruck jetzt stramm eingestellt ist und der Schwindel des Patienten halt nicht an einer Hirnmetastasierung liegt, sondern einfach, weil der Blutdruck zu niedrig ist. Da besteht ein gewisses Kommunikationsdefizit. Onko_9
Onkologie in der Hausarztpraxis
"Onkologie in der Hausarztpraxis" ist ein Projekt am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main, das die Deutsche Krebshilfe finanziert. In 2011 und 2012 wurden qualitative Interviews mit Hausärzten zur Rolle des Hausarztes in der onkologischen Versorgung geführt (3,5,6). Anfang 2015 wurde ein Survey an 4.500 Hausärzte deutschlandweit verschickt, der eine Rücklaufquote von 34 Prozent erreichte. Neben der hausärztlichen Perspektive sollte in einem weiteren Projektschritt der Blick von Hämatologen und Onkologen auf die hausärztliche Versorgung von Krebspatienten eingefangen werden. Hierzu wurden Anfang 2016 mithilfe des WINHO niedergelassene Hämatologen und Onkologen mittels qualitativer Telefoninterviews befragt. Mit drei Ärztinnen und zwölf Ärzten wurden ca. 30-minütige Interviews geführt. Die Befragten waren im Mittel 56 Jahre alt und hatten 22 Jahre Berufserfahrung, alle arbeiteten in Gemeinschaftspraxen. Für die hier vorgelegte Auswertung zum Informationsbedarf wurden nur Passagen ausgewertet, die explizit die Informationsweitergabe durch den Hausarzt thematisierten.
Literatur
-
- Farquhar MC, Barclay SIG, Earl H, Grande GE, Emery J, Crawford RAF. Barriers to effective communication across the primary/secondary interface: examples from the ovarian cancer patient journey (a qualitative study). Eur J Cancer Care (Engl) 2005;14(4):359. eng. doi:10.1111/j.1365-2354.2005.00596.x.
-
- Jefford M, Baravelli C, Dudgeon P, Dabscheck A, Evans M, Moloney M, Schofield P. Tailored chemotherapy information faxed to general practitioners improves confidence in managing adverse effects and satisfaction with shared care: results from a randomized controlled trial. J Clin Oncol 2008;26(14):2272. eng. doi:10.1200/JCO.2007.14.7710.
-
- Dahlhaus A, Vanneman N, Guethlin C, Behrend J, Siebenhofer A. German general practitioners’ views on their involvement and role in cancer care: a qualitative study. Fam Pract 2014;31(2):209. eng. doi:10.1093/fampra/cmt088.
-
- Lizama N, Johnson CE, Ghosh M, Garg N, Emery JD, Saunders C. Keeping primary care "in the loop": General practitioners want better communication with specialists and hospitals when caring for people diagnosed with cancer. Asia Pac J Clin Oncol 2015. ENG. doi:10.1111/ajco.12327.
-
- Dahlhaus A, Behrend J, Herrler C, Siebenhofer A, Kojima E, Gerlach FM, Güthlin C. Abwägungssache: der hausärztliche Umgang mit gesetzlich empfohlenen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen [Weighing up Interests: the Family Practitioner and Officially Endorsed Cancer Screening Tests]. Zeitschrift für Allgemeinmedizin 2013;89(6):267. de. doi:10.3238/zfa.2013.0267–0271.
-
- Dahlhaus A, Vanneman N, Siebenhofer A, Brosche M, Guethlin C. Involvement of general practitioners in palliative cancer care: a qualitative study. Support Care Cancer 2013;21(12):3293. eng. doi:10.1007/s00520-013-1904-6.