Die Registrierung, Erstuntersuchung und Überführung von Flüchtlingen in dauerhafte Unterkünfte und Wohnungen und damit in die reguläre medizinische Versorgung gelingen derzeit schnell. In vielen Bundesländern erhalten die Angekommenen jetzt statt der Sozialamtsscheine Versicherungskarten der Krankenkasse, haben allerdings während des laufenden Asylverfahrens auch damit nur einen eingeschränkten Anspruch auf Gesundheitsleistungen für eine erforderliche Behandlung bei akuten Erkrankungen, zur Schwangeren- und Kindervorsorge, für Impfungen sowie Arzneimittel. Diese Leistungen übernimmt weiterhin das Sozialamt der Kommunen. Bei Feststellung chronischer Erkrankungen oder bei Bedarf an komplexeren Untersuchungen (MRT) oder Therapien, Heil- und Hilfsmitteln muss der (Haus-)Arzt entsprechende Begründungen schreiben. Fachfremdes Personal im Sozialamt oder des MDK entscheiden dann über die Gewährung. Gleiches gilt für Leistungen der Psychotherapie, die oft als Behandlung von chronischen Erkrankungen abgelehnt wird.
Darüber hinaus ist derzeit mit bis zu 400.000 nicht versicherten Migranten zu rechnen, die keinerlei Anspruch auf medizinische Versorgung haben.
Versorgung von psychischen Störungen
Die Versorgung von psychischen Störungen bei den Geflüchteten rückt inzwischen, nachdem die Rahmenbedingungen ihrer sozialen und medizinischen Versorgung geregelt scheinen, in den Vordergrund. Es ist davon auszugehen, dass die durchlebten Gräuel in Krieg und Flucht, Tod von Angehörigen, Folter und Vergewaltigung bei bis zu 50 Prozent der Betroffenen zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen. Die Prävalenz der posttraumatischen Belastungsstörung bei Asylsuchenden in Deutschland liegt mit 40 Prozent etwa zehn-mal höher als in der Normalbevölkerung. Bei fast 90 Prozent dieser Gruppe besteht darüber hinaus eine weitere psychische Störung.
Es wird nicht zu leisten, aber eventuell auch nicht notwendig sein, allen traumatisierten neuen Mitbürgern eine langfristige Traumabehandlung oder Psychotherapie zu bieten. Wichtig ist auch bei körperlichen und psychosomatischen Beschwerden eine wertschätzende, ruhige und fürsorgliche Betreuung. Eine sichere Umgebung, eine neue Wohnung als Heimat und vor allem die Zusammenführung der Familien der Geflüchteten können in vielen Fällen so stabilisierend wirken, dass eine Psychotherapie überflüssig wird. In ärztlichen Gesprächen sollten Respekt, Ordnung und Information vermittelt und eine gute, vertrauensvolle Beziehung versucht werden.
Ressourcenaktivierung und Psychoedukation sowie in schweren Fällen die Verordnung von Psychopharmaka sind auch in der Hausarztpraxis gut zu leisten. Eine vertiefte Exploration des Erlebten muss unterlassen werden, um die traumatischen Erlebnisse nicht zu reaktivieren. Zur Medikation kommen bei postraumatischen Belastungsstörungen selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), vor allem Paroxetin und Sertralin oder auch Venlafaxin in Betracht, ggf. auch leichte Neuroleptika wie Risperidon und Promethazin.
Sollten zur psychischen Stabilität der Asylanten neben sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen schließlich doch auch psychotherapeutische Angebote nötig sein, ist die Empfehlung an ein "Psychosoziales oder Traumatherapeutisches Zentrum für Flüchtlinge und Folteropfer" sinnvoll. Deren Bundesarbeitsgemeinschaft BAfF zählt 32 Mitglieder, die in der interdisziplinären Zusammenarbeit von Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern, Juristen und Dolmetschern spezialisierte Hilfen bieten.
Infos im Internet
-
BAfF e.V.: Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF e.V.) bietet unter anderem Adressen muttersprachlicher, geschulter Übersetzer, Informationen zu Kostenregelungen, Hinweise zur Erstellung von Attesten und Gutachten für Ausländerbehörden sowie eine informative Broschüre für Hausärzte, die Flüchtlinge behandeln. baff-zentren.org
-
Bundesärztekammer: Informationen der Bundesärztekammer zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen. bundesaerztekammer.de/aerzte/versorgung/fluechtlinge
-
BDÜ: Datenbank des Bundesverbands der Dolmetscher und Übersetzer e. V. mit 7500 Dolmetschern in 80 Sprachen suche.bdue.de
-
Medibüros / Medinetze: Adressen von Medinetzen bzw. ehrenamtlichen Helfern, die nicht versicherten und papierlosen Migranten eine medizinische Behandlung vermitteln. medibueros.org
-
Patienteninformationen, Anamnesebögen, Einnahmeplan für Medikamente in verschiedenen Sprachen und mehr hat die Redaktion für Sie online zusammengestellt: www.derhausarzt.eu