Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) sind potente Mittel zur symptomatischen Behandlung von Schmerz und Entzündung. Bei allen Wirkstoffen handelt es sich chemisch gesehen um Säuren, also um potenziell ätzende Substanzen, die bei lokaler Einwirkung Magen-Darm-Beschwerden wie Magenschmerzen, Sodbrennen oder Übelkeit auslösen können.
Bei der peroralen Anwendung von NSAR wird versucht, den Kontakt des Wirkstoffs mit der Magenschleimhaut zu verringern und damit lokale Nebenwirkungen zu vermeiden. Normale Tabletten, z. B. mit Ibuprofen, sind mit einem Überzug versehen, damit der Wirkstoff vor Feuchtigkeit geschützt und die Tablette möglichst gut zu schlucken ist. Bei der Einnahme zu einer Mahlzeit mit einem großen Glas Wasser quellen sie in der aufgenommenen Flüssigkeit und zerfallen schnell im Magen. Im mit dem Nahrungsbrei gefüllten Magen vermischt sich der Wirkstoff und hat durch diesen Verdünnungseffekt nur wenig Kontakt zur Magenschleimhaut. Auch wenn es bei gefülltem Magen zu einer verzögerten Resorption des Arzneistoffs kommt, werden maximale Plasmaspiegel bei Ibuprofen innerhalb von 1 bis 2 Stunden erreicht.
Die generelle Empfehlung, NSAR immer zum Essen einzunehmen, ist allerdings falsch und kann zur Folge haben, dass die Tablette länger als nötig im Magen liegt und die Wirkung um Stunden verzögert eintritt. Das gilt vor allem für den Wirkstoff Diclofenac, der in unterschiedlichen Arzneiformen zur Verfügung steht.
Magenkontakt verhindern
Diclofenac-Natrium ist eine schwer lösliche Substanz, die dazu neigt, im sauren Magen Kristalle zu bilden. Deswegen gibt es für diesen Wirkstoff keine normalen (Film-)Tabletten, sondern besondere Arzneiformen, die dieses Problem zu lösen versuchen.
Üblicherweise wird Diclofenac als magensaftresistente Tablette eingesetzt (Tab. 1). Magensaftresistente Arzneiformen sind mit einem säureresistenten Überzug versehen, der im nüchternen Magen bei sauren pH-Werten unter 2 nicht angelöst wird, sondern bei pH-Werten zwischen 5 und 7 löslich ist und erst dann den Wirkstoff freisetzt [1]. Um die Wirkstofffreisetzung zu erreichen, muss eine magensaftresistente Tablette auf nüchternen Magen mit ausreichendem Abstand nach der letzten und vor der nächsten Mahlzeit mit einem großen Glas Wasser eingenommen werden. Die Wirkspiegel von Diclofenac lassen erkennen, dass der Wirkstoff sofort nach der Pyloruspassage in kurzer Zeit vollständig resorbiert wird, allerdings mit einer Streuung von 30 Minuten bis zu mehreren Stunden [2, 3].
Die Voraussetzung für die Entleerung dieses Monolithen aus dem Magen ist der lang genug andauernde Nüchternzustand des Magens. Die vollständige Magenentleerung nach einer Mahlzeit dauert je nach Zusammensetzung der Nahrung zwischen 2 und 8 Stunden [4]. Bereits bei Einnahme eines Arzneimittels mit einer nährstoffhaltigen Flüssigkeit wie Apfelsaft, Limonade, Milch, aber erst Recht kurz vor einer Mahlzeit befindet sich der Magen im Zustand der postprandialen Motorik [5, 6]. In dieser Verdauungsphase können nur Teilchen, die kleiner als 2 mm sind, den Pylorus passieren. Magensaftresistente Tabletten werden solange zurückgehalten, bis der Magen wieder leer in die Nüchternmotorik wechselt. Manche Patienten erreichen aufgrund ihrer Essgewohnheiten einen nüchternen Magenzustand nur in der Nacht. Das ist der Grund, warum in den Fachinformationen steht [7]: "Maximale Plasmaspiegel werden in Abhängigkeit von der Dauer der Magenpassage nach 1 – 16 Stunden, im Mittel nach 2 – 3 Stunden erreicht."
Pellets – die schnellere Variante
Bei magensaftresistenten Pellets kann eine deutlich schnellere und nahrungsunabhängige Magenpassage erreicht werden. Pellets sind kleine kugelartige Formlinge mit einem Durchmesser von 0,1 – 2 mm, die mit unterschiedlichen Überzügen versehen werden können. Sie sind ausreichend klein, um sowohl im nüchternen als auch im postprandialen Zustand den Magen innerhalb von 30 – 60 Minuten zu verlassen. Sie stecken in Hartgelatine-Steckkapseln und werden als magensaftresistente Kapseln oder als Hartkapseln mit magensaftresistenten Pellets bezeichnet. Sie werden wie magensaftresistente Tabletten auf nüchternen Magen vor einer Mahlzeit eingenommen (Tab. 1) und unterscheiden sich von Tabletten dadurch, dass sich die Hartkapselhülle bereits im Magen auflöst und ihre wirkstoffhaltigen Pellets freisetzt.
Magenkontaktzeit verkürzen
Maximale Plasmaspiegel sollten schneller erreicht werden, wenn Diclofenac bereits in gelöster oder suspendierter Form in den Magen gelangt. Hierfür stehen Dispers- oder Brausetabletten zur Verfügung (Tab. 1). Sie sind dazu vorgesehen, in Wasser aufgelöst bzw. suspendiert zu werden und mit reichlich Wasser möglichst schnell durch den Magen durchgespült zu werden.
An Aut-idem-Ausschluss denken
Erstaunlicherweise ist die Varianz des Auftretens maximaler Plasmaspiegel bei Dispers- und Brausetabletten ähnlich groß wie bei magensaftresistenten Tabletten [2]. Das ist einer der Gründe, warum Diclofenac in den Arzneiformen magensaftresistente Tablette und Disperstablette als gleich, also austauschbar im Sinn der Aut-idem-Regeln gelten [11].
Für zahlreiche Krankenkassen muss bei der Verordnung von Diclofenac-Disperstabletten in der Apotheke ein Austausch auf magensaftresistente Tabletten erfolgen, wenn der Verordner keinen Aut-idem-Ausschluss durch das Kreuz vermerkt hat. Daher kann es passieren, dass der Patient vom Arzt die Information erhält, seine verordneten Diclofenac-Disperstabletten zum Essen einzunehmen, und in der Apotheke den Hinweis, dass sein Arzneimittel 2 Stunden vor dem Essen auf nüchternen Magen eingenommen werden muss.
Retard: gleichmäßige, lange Wirkung
Neben den bisher genannten Tabletten oder Kapseln gibt es zahlreiche andere perorale Arzneiformen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung. Generell kann unterschieden werden nach der Geschwindigkeit der Wirkstofffreisetzung und der Dosierung. Auch hier gibt es monolithische Retardtabletten, die nur in der Nüchternphase den Magen verlassen können, und polydisperse Retardkapseln, die nahrungsunabhängig den Magen passieren (Tab. 2).
Generell kann nur bei einer Einnahme ein bis zwei Stunden vor einer Mahlzeit eine kontrollierte Wirkstofffreisetzung erreicht werden, weil dann eine Beeinflussung durch die Magenmotorik, pH-Wert-Veränderungen oder Wechselwirkungen mit Nahrungsbestandteilen vermieden werden kann. Da diese Arzneimittel nicht zur Akutbehandlung, sondern zur Dauerbehandlung chronischer Schmerzen eingesetzt werden, kann hier bei empfindlichem Magen auch eine Einnahme zu einer Mahlzeit erfolgen.
Diclofenac-Kalium: neue Alternative?
Neuere Zulassungen von Diclofenac-Präparaten in der Selbstmedikation und einige wenige verschreibungspflichtige Varianten enthalten Diclofenac-Kalium statt wie bisher Diclofenac-Natrium (Tab. 3). Dieses Salz soll besser löslich sein und kann deshalb in Form von Filmtabletten oder Lösung eingesetzt werden. Im Vergleich zum Natriumsalz scheinen Freisetzung und Anflutung schneller zu erfolgen [12]. Allerdings gibt es auch bei der Einnahme von Diclofenac-Kalium große individuelle Unterschiede im Plasmaspiegelverlauf. Maximale Plasmaspiegel werden auch hier im Einzelfall erst nach 3 Stunden erreicht [12].
Fazit
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Magensaftresistente Diclofenac-Tabletten müssen ein bis zwei Stunden vor einer Mahlzeit auf nüchternen Magen (je nach Zusammensetzung der Mahlzeit vier bis acht Stunden nach einer Mahlzeit) eingenommen werden, um einen möglichst zügigen Wirkungseintritt innerhalb von zwei bis drei Stunden zu erreichen.
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Um nahrungsunabhängig eine schnelle Wirkung zu erreichen, stehen polydisperse Arzneiformen (Hartkapseln gefüllt mit Pellets) zur Verfügung.
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Disperstabletten werden in Wasser suspendiert und zu einer Mahlzeit eingenommen. Maximale Plasmaspiegel werden hier oft erst nach zwei bis drei Stunden erreicht.
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Retardtabletten und -kapseln unterscheiden sich in Wirkstoffgehalt und Freisetzungsgeschwindigkeit. Sie sollten bei einer Verordnung gezielt ausgewählt werden.
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Bei der bewussten Verordnung eines Diclofenac-Präparats sollte durch Setzen des Aut-idem-Kreuzes auf dem Rezeptformular ein Austausch ausgeschlossen werden.
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Die Tabellen stehen Ihnen hier zum Download zur Verfügung: Tabellen