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Hausarzt MedizinHäufig übersehen: Schluckstörung

Kaum eine Störung wirkt sich so drastisch auf das Leben der Betroffenen aus wie die Fähigkeit, nicht mehr essen und trinken zu können. Bis zu 2.000 Mal am Tag schluckt jeder Mensch, ohne darüber nachdenken zu müssen. Doch das, was für jeden von uns so selbstverständlich erscheint, ist für einige Patienten nicht mehr möglich.

Mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland sind von einer Schluckstörung betroffen. Die Tendenz ist steigend. Die Inzidenz liegt, je nach Altersgruppe, bei 1,7 bis 11,3 Prozent [1, 2]. Gründe für den Anstieg sind die zunehmende Altersstruktur unserer Gesellschaft und eine verbesserte medizinische Akutversorgung.

Ursachen

Die einer Schluckstörung zugrunde liegenden Erkrankungen sind vielfältig. Allen voran stehen die neurogenen Ätiologien. Hier finden sich Schluckstörungen bei parkinsonoiden Erkrankungen [3], amyotropher Lateralsklerose, Multipler Sklerose, vor allem jedoch bei akutem Schlaganfall [4]. Über 80 Prozent der Schlaganfallpatienten leiden an einer Schluckstörung, insbesondere Hirnstamminfarktpatienten, aber auch rechtshemisphärisch Betroffene [5].

Eine weitere große Gruppe bilden ­Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren. Trotz moderner Resektions- und Rekonstruktionsverfahren sowie inno-vativer radio(chemo)therapeutischer Ansätze sind Schluckstörungen nach wie vor häufig ­Folge der onkologischen Therapie bei Kopf-Hals-Tumoren [6-12]. Die Prävalenz- und Inzidenzraten einer Schluckstörung variieren in Abhängigkeit von Größe und Sitz eines Kopf-Hals-Tumors und werden entscheidend von der Art der Therapie beeinflusst.

Auch im Rahmen intensivmedizinischer Versorgung geraten die Schluckfunktionen zunehmend in den Fokus, auch hier zeigen sich hohe Prävalenzraten mit bis zu 80 Prozent. Altersbedingte physiologische Veränderungen mit berichteten Schluckstörungen finden sich bei etwa 50 Prozent aller Pflegeheimbewohner [13].

Verminderte Lebensqualität, hohe Kosten

Für die Betroffenen bedeutet eine Beeinträchtigung des Schluckens eine erhebliche Minderung der Lebensqualität, die eine psychische, soziale und ggf. berufliche Reinte­gration erschweren [14–16].

Auch die soziökonomischen Auswirkungen sind enorm. Nicht rechtzeitig erkannt, sind für die Patienten eine erhöhte Morbidität und Mortalität die Folge, für die Gesellschaft eine drastische Erhöhung der allgemeinen Behandlungskosten durch einen prolongierten stationären Aufenthalt und erhöhte Raten an Aspirationspneumonie, Malnutrition und Dehydratation. Die Aspirationspneumonie ist bei den Patienten mit akutem Schlaganfall mit einer Häufigkeit von 34 Prozent die dritthäufigste Todesursache [17].

Die ­Malnutritionsrate liegt bei den ­Gruppen der Patienten, die häufig ­Schluckstörungen entwickeln, bei um die 50 Prozent [18]. Allein in den USA wird der ökonomische Einfluss einer Schluckstörung auf 547.307.964 US-Dollar pro Jahr geschätzt: Kosten infolge eines Missmanagements [19]. Weltweit gerät damit die Versorgung von schluckgestörten Patienten zunehmend in den Fokus des Interesses. Hierbei erfordert die Schluckstörung wie kaum eine andere Störung multiprofessionelles Handeln medizinischer wie therapeutischer Fachdisziplinen. Involviert sind neben spezialisierten Ärzten beispielsweise Sprachtherapeuten und Diätassistenten.

Früherkennung und Diagnostik

Auch wenn in Deutschland die sich etablierende Fachdisziplin noch sehr jung ist, so sind jedoch die Versorgungsstrukturen für die häufigste verursachende Erkrankung, den akuten Schlaganfall, gut etabliert und evidenzbasiert [20]. Sie beinhalten die wesentlichen drei Säulen Früherkennung, Diagnostik und Therapie.

Symptome, die auf eine ­oropharyngeale Schluckstörung hindeuten können, sind veränderter Stimmklang wie eine feuchte Stimme, häufiges Husten und Räuspern oder Steckenbleiben von Nahrung während der Nahrungsaufnahme.

Zu den international etablierten Verfahren zählen spezielle Screeningverfahren für die Früherkennung etwa in Form von Wasserschlucktests sowie apparative diagnostische Standards wie die fiberoptische ­Evaluation des Schluckens (FEES®) oder die radiologische Darstellung des oropharyngealen ­Schluckens, die Videofluoroskopie (VFS).

Therapie

Therapeutische Verfahren reichen von der Anpassung der oral aufgenommenen Nahrung über die Vermittlung spezifischer Schlucktechniken bis hin zur Anwendung technikunterstützter rehabilitativer Methoden. Ziel einer jeden standardisierten Behandlung schluckgestörter Patienten ist es, dem Patienten zu ermöglichen, Flüssigkeiten und Speisen ohne wesentliche Gefährdung der unteren Atemwege in ausreichender Tagesmenge mit möglichst wenigen Einschränkungen zu sich nehmen zu können. Die Versorgungskonzepte für Schluckstörungen sollten dabei orientiert an der Haupterkrankung sein, also indikationsgerecht erfolgen, aber auch orientiert an den Wünschen und Ressourcen des Patienten sowie abhängig vom jeweiligen Setting formuliert werden.

Die Entwicklung solcher standardisierten Behandlungskonzepte von Schluckstörungen bei Schlaganfallpatienten und Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren ist im Aufbau begriffen, und auch das Schlucken des alternden multimorbiden Menschen ist zunehmend Gegenstand der klinischen Versorgung und Forschung [21]. Trotz des vorhandenen Wissens ist vieles noch nicht bekannt, und die Versorgungsstrukturen nicht im Ansatz definiert: weltweit! Dies gilt beispielsweise für Schluckstörungen infolge einer Langzeitbeatmung, ebenso für Schluckstörungen im Kindesalter. Von der Etablierung evidenzbasierter und flächendeckender Versorgungsstrukturen bei Schluckstörungen würden fünf Millionen betroffene Patienten in Deutschland profitieren.

Fazit

Neben fokalen und progredienten neurologischen Erkrankungen können auch ­Erkrankungen im Kopf-Hals-Bereich, aber auch internistische Ätiologien sowie ­Altersprozesse zu Schluckstörungen führen. Klinische Zeichen einer Schluckstörung können Husten oder Räuspern während der Nahrungsaufnahme, ein feuchter Stimmklang oder Steckenbleiben von Nahrung sein. Die Folgen einer nicht erkannten und adäquat behandelten Schluckstörung sind ­neben einer möglichen Aspirationspneumonie Malnutrition und Dehydratation. Nach der Früherkennung durch geeignete Screeningverfahren ist eine spezifische apparative Diagnostik (fiberoptische endoskopische Evaluation des Schluckens, ­Videofluoroskopie) durchzuführen. Die Behandlung einer Schluckstörung erfordert ein multiprofessionelles Vorgehen.

Mögliche Interessenkonflikte: Die Autorinnen haben keine deklariert.

Literatur

  • 1 Bhattacharyya N. The prevalence of dysphagia among adults in the United States. Otolaryngol Head Neck Surg 2014; 151(5): 765-769.

  • 2 Roden DF, Altman KW. Causes of dysphagia among different age groups: A systematic review of the literature. Otolaryngol Clin North Am 2013; 46: 965-987.

  • 3 Warnecke T, Suttrup I, Schröder JB, Osada N, Oelenberg S, Hamacher C, Suntrup S, Dziewas R. Levodopa responsiveness of dysphagia in advanced Parkinson’s disease and reliability testing of the FEES-Levodopa-test. Parkinsonism Relat Disord 2016; 28:100-106.

  • 4 Suntrup S, Kemmling A, Warnecke T, Hamacher C, Oelenberg S, Niederstadt T, Heindel W, Wiendl H, Dziewas R. The impact of lesion location on dysphagia incidence, pattern and complications in acute stroke. Part 1: Dysphagia incidence, severity and aspiration. Eur J Neurol 2015; 22(5): 832-838.

  • 5 Hamdy S, Mikulis DJ, Crawley A, Xue S, Lau H, Henry S, Diamant NE. Cortical activation during human volitional swallowing: An event-related fMRI study. Am J Physiol 1999; 277(1 Pt 1): G219-G225.

  • 6 Bozec A, Poissonnet G, Chamorey E, Casanova C, Laout C, Vallicioni J, Demard F, Peyrade F, Follana P, Bensadoun RJ, Benezery K, Thariat J, Marcy PY, Sudaka A, Weber P, Dassonville O. Quality of life after oral and oropharyngeal reconstruction with a radial forearm free flap: Prospective study. J Otolaryngol Head Neck Surg. 2009; 38(3): 401-408.

  • 7 Tschiesner U, Stier-Jarmer M, Stier-Jarmer M, Strieth S, Singer S, Dietz A, Fietkau R, Wollenberg B, Mast G, Cieza A, Harréus UA. Entwicklung eines ICF-basierten Leitfadens für die Beurteilung funktioneller Aspekte bei Kopf-Hals-Tumoren. Laryngorhinootologie 2013; 92(5): 314-325.

  • 8 Smith RB, Sniezek JC, Weed DT, Wax MK, Microvascular Surgery Subcommittee of American Academy of O-H, Neck S. Utilization of free tissue transfer in head and neck surgery. Otolaryngol Head Neck Surg 2007; 137(2): 182-191.

  • 9 Thorwarth M, Eulzer C, Bader R, Wolf C, Schmidt M, Schultze-Mosgau S. Free flap transfer in cranio-maxillofacial surgery: A review of the current data. Oral Maxillo Fac Surg 2008; 12(3): 113-124.

  • 10 Duprez F, Madani I, De Potter B, Boterberg T, De Neve W. Systematic review of dose-volume correlates for structures related to late swallowing disturbances after radiotherapy for head and neck cancer. Dysphagia 2013; 28(3): 337-349.

  • 11 Eisbruch A, Kim HM, Feng FY, Lyden TH, Haxer MJ, Feng M, Worden FP, Bradford CR, Prince ME, Moyer JS, Wolf GT, Chepeha DB, Ten Haken RK. Chemo-IMRT of oropharyngeal cancer aiming to reduce dysphagia: Swallowing organs late complication probabilities and dosimetric correlates. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2011; 81(3): e93-e99.

  • 12 Meyer A, Dietz A, Wollbruck D, Oeken J, Danker H, Meister EF, Sandner A, Volkel W, Brahler E, Singer S. Swallowing disorders after partial laryngectomy. Prevalence and predictors. HNO 2012; 60(10): 892-900.

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