Sie sind sich ihrer Verantwortung bewusst, sie identifizieren sich mit ihrem Beruf, den sie als erfüllend und spannend erleben. Ärzte, dies zeigt eine Befragung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) im Auftrag der KV Hamburg, übernehmen mit Leidenschaft Fürsorge für ihre Patienten. Die von Zi-Geschäftsführer Dr. Dominik Graf von Stillfried auf dem Versorgungsforschungstag der KVen Hamburg und Schleswig-Holstein in der Hansestadt vorgestellten Ergebnisse lassen erkennen, dass Ärzte trotz Einengungen durch Richtlinien, trotz bürokratischer Hemmnisse und Zeitmangels noch immer das Positive an ihrer Tätigkeit in den Vordergrund stellen.
Freiheit versus Absicherung
Dabei sind zwei Cluster von Anforderungen und Erwartungshaltungen zu erkennen: Zum einen der Arzt, der großen Wert auf individuelle Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten legt – und deshalb eher die eigene Praxis wählt. Zum anderen der Arzt, der die Absicherung in den Vordergrund stellt und angestellt arbeitet. Herausgefunden hat das Zi diese Haltungen in intensiven Fokusgruppeninterviews mit 69 Ärzten unterschiedlicher Generationen und Fachgruppen. Von ihrer KV erwarten die Ärzte, dass sie ihre Mitglieder vor vornehmlich renditeorientierten Kapitalgesellschaften schützt, ihnen Raum für digitalen und physischen Austausch und Vernetzung gibt und überdies bei den Organisationsformen neutral bleibt und große Flexibilität zulässt.
Deutlich wird auch, wie unterschiedlich präsent der ambulante Bereich für viele junge Ärzte ist – je nach Situation in der jeweiligen Aus- und Weiterbildungsstätte. „Vertragsärztliche Versorgung bleibt im Studium eine Black-Box“, stellte Stillfried fest.
Auch in der Weiterbildung wurde vielfach eine mangelnde Einbeziehung der vertragsärztlichen Versorgung beklagt – mit Ausnahme der Allgemeinmedizin. In anderen Fächern blieben zulassungsrechtliche, organisatorische und betriebswirtschaftliche Aspekte unklar, Hilfe von den KVen wäre willkommen.
Junge wünschen sich Vernetzung
Einigkeit bestand darin, dass die Patientenversorgung nicht gewinnorientierten Unternehmen überlassen werden sollte. Insbesondere junge Ärzte wünschen sich eine stärkere Vernetzung.
Mit der wirtschaftlichen Situation zeigten sich die meisten Ärzte zwar zufrieden – die Honorarverteilung empfinden sie aber als intransparent und ungerecht. Sie beklagen ein Vergütungsgefälle zwischen technikbasierten und Gesprächsleistungen, erkennen aber auch den Spagat, den KVen zwischen gerechten und notwendigen Veränderungen einerseits und Konstanz und Planungssicherheit auf der anderen Seite aufführen müssen. Als „extrem wichtig“ stufen die Teilnehmer die mittel-und langfristige Planungssicherheit ein. Unterstrichen wurden diese Ergebnisse von jungen Ärzten in der Veranstaltung. Dr. Kevin Schulte, Sprecher im Bündnis junger Ärzte, sagte mit Blick auf ständig neue Gesetze und Vorschriften: „Gefühlt ändert sich alles im Wochentakt.“ Sukhdeep Arora von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland stellte fest: „Medizinstudenten müssen kennenlernen, wie vertragsärztliche Tätigkeit aussieht. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt, wenn wir uns niederlassen.“
Neben den Ärzten meldet aber auch die Politik ihre Erwartungen an die KVen an – auf der Veranstaltung in Hamburg in Person von Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks und Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kristin Alheit. Auffällig war, wie unterschiedlich die beiden SPD-Politikerinnen ihre Gewichtung setzten. Prüfer-Storcks stellte ihre Erwartungen und Forderungen in den Vordergrund. „Wenn Kooperation und Vernetzung so wichtig sind, kann es nicht sein, dass Sektoren so abgeschottet sind, dass eine Zusammenarbeit erschwert wird“, sagte die Senatorin. Befördert werden könnte die Kooperation nach ihrer Ansicht, indem schon im Studium die Fähigkeit von Medizinern zur Zusammenarbeit und zur Kommunikation geschult wird.
Koordinative Leistungen von Ärzten sollten honoriert werden – in beiden Sektoren in gleicher Höhe. Außerdem strebt sie eine übergreifende Planung an, um dem Wunsch nach mehr ambulanten Leistungen entsprechen zu können. „Wie soll man das Ambulantisierungspotenzial heben, wenn man keine gemeinsame Bedarfsplanung betreibt“, lautet ihre von der KV kritisch gesehene Forderung. Die KV gibt zu bedenken, dass bei einer übergreifenden Planung große, zum Teil geförderte Einrichtungen Vorteile gegenüber niedergelassenen Ärzten bekommen.
Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kristin Alheit lobte dagegen die Arbeit der ärztlichen Organisationen im Norden, die etwa mit dem bundesweit ersten kommunalen Ärztezentrum in Büsum oder dem gemeindeeigenen MVZ auf Pellworm neue Wege durch Förderung aufgezeigt hätten. Bei solchen Modellen gehe es nicht um eine „Verstaatlichung“, betonte Alheit, sondern um Lösungen, die nur mit Zustimmung der KV möglich seien. Alheit betonte zugleich: „Die Einzelpraxis hat deshalb noch lange nicht ausgedient.
Wo das passt, ist das weiterhin in Ordnung. “ Für sie steht auch fest, dass sich junge Ärzte nicht vorschreiben lassen werden, in welchen Strukturen sie arbeiten möchten. Deshalb seien insbesondere in Flächenländern flexible Konzepte nötig – „so gedacht und gemacht, dass sie attraktiv für Mediziner sind.“
Eigene Erfahrung entscheidend
In den Diskussionen wurde auch deutlich, dass Ärzte je nach Fachgruppe, Alter, Geschlecht, Standortpräferenzen und vor allem nach persönlichen Erfahrungen darüber entscheiden, ob sie sich niederlassen wollen oder nicht – und häufig decken sich diese Auffassungen nicht mit denen von Verbänden und Körperschaften oder mit Durchschnittszahlen. Eine Hausärztin zog die von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank präsentierten Zahlen über bundesweite Durchschnittsverdienste ihrer Fachgruppe in Zweifel und hielt sie nach ihren Erfahrungen für nicht erreichbar. Ein Medizinstudent im neunten Semester beschwerte sich über die intensive Lobbyarbeit der Allgemeinmediziner – für seinen Geschmack zu forsch und zu aggressiv. Nach seiner Einschätzung schadet diese Form des Auftretens an den Hochschulen dem Fach eher als es ihm nützt.
Auch Dr. Wolfgang Wesiack, Ehrenpräsident im Berufsverband Deutscher Internisten, hält es für falsch, immer auf das Negative zu verweisen. Er gab zu bedenken, dass sich eine große Mehrheit der schon niedergelassenen Ärzte wieder zu diesem Schritt entschließen würde – womit sie die Zi-Ergebnisse bestätigen.