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Hausarzt MedizinImmunsuppression: Wie lange und womit?

Wenn das Immunsystem die Gelenke angreift, etwa bei Rheumatoider Arthritis (RA), muss es gedämpft werden, um die Schmerzen zu lindern und die Destruktion der Gelenke aufzuhalten. Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Bad Nauheim, erklärt, wie eine solche Therapie akut und unter Langzeitbedingungen aussieht.

*Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner ist Direktor der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim und hat den Lehrstuhl für Rheumatologie der Justus-­Liebig Universität Gießen inne.

Worin unterscheiden sich die Prinzipien der immunsuppressiven Behandlung bei RA in der Akut- und der Dauertherapie?

Müller-Ladner: Wenn die Diagnose „RA“ ­gestellt worden ist, besteht das Hauptziel darin, die Entzündung rasch herunterzufahren, um in erster Linie die Schmerzen zu lindern. Da diese Therapie sofort greifen muss, setzt man vorwiegend Kortikoide und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ein. Auf lange Sicht muss die Therapie ohne Kortikoide auskommen und man beginnt eine Basistherapie mit „Disease Modifying Antirheumatic Drugs“ (DMARD), um die Gelenkzerstörung aufzuhalten.

Welche DMARDs kommen bevorzugt zum Einsatz?

Standard für die Basistherapie ist seit rund drei Jahrzehnten Metho-trexat (MTX). Wird damit kein ausreichender Erfolg erzielt, kann man gleich ein Biologikum dazugeben oder zunächst mit Leflunomid, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin oder Ciclosporin kombinieren.

Wie lange wartet man, bevor man eine Therapie mit MTX erweitert?

Grundregel sind drei Monate. Bei hochaktiver Erkrankung würde man die Medikation schon nach sechs Wochen ergänzen oder Nebenwirkungen zwingen dazu, die Medikation früh umzustellen.

Welche Biologika stehen zur Verfügung?

Zum einen gibt es Wirk­stoffe, die gezielt Signalstoffe der überschießenden Immunreaktion blockieren wie TNF-alpha oder bestimmte Interleukine (IL). Den Tumor-Nekrose-Faktor-alpha schalten die monoklonalen Antikörper Infliximab, Adalimumab, Golimumab und Certolizumab sowie der lösliche TNF-Rezeptor Etanercept aus, IL-6 wird von Tocilizumab in Schach gehalten, IL-1 von Anakinra. Ferner kommen der chimäre ­monoklonale Antikörper ­Rituximab zum Einsatz, der am Krankheitsprozess beteiligte B-Zellen hemmt, sowie Abatacept, das die Aktivierung bestimmter T-Zellen blockiert.

Wie gehen Sie vor, wenn Kontraindikationen gegen MTX und Leflunomid bestehen?

Bei schweren Lebererkrankungen sind beide Stoffe problematisch, weil sie bestimmte Leberwerte verschlechtern können. Dann geben wir gleich ein Biologikum als Monotherapie, eventuell in niedrig dosierter Kombination mit MTX oder Leflunomid. Das ist aber selten der Fall. ­Häufiger beobachten wir, dass die oralen ­Wirkstoffe Nebenwirkungen hervorrufen, die zum Übergang auf Biologika zwingen.

Was muss vor einer immunsuppressiven Basistherapie ausgeschlossen worden sein? Ist das Infektionsrisiko erhöht?

Wir suchen nach einer versteckten Tuberkulose, denn vor allem TNF-alpha-Blocker können eine latente Tuberkulose reaktivieren. Auch Hepatitis B und C sollten ausgeschlossen sein. Registerdaten zeigen, dass unter einer Basistherapie nur ungefähr drei bis vier zusätzliche Infektionen pro 100 Patientenjahre auftreten. Wichtig ist, dass man bei unerklärlichen Symptomen an die Möglichkeit einer Infektion mit opportunistischen Erregern denkt.

Haben sich die anfänglich bestehenden Bedenken bestätigt, TNF-alpha-Blocker könnten Tumoren begünstigen?

Das Risiko für Tumoren im Bereich der Haut ist in einem Zeitraum von 10 bis 20 Jahren um rund 10 Prozent erhöht. Patienten unter TNF-alpha-Blockern sollten daher jährlich zum Hautscreenig gehen. ­Andere solide Tumoren treten erfreulicherweise nicht gehäuft auf.

Und Lymphome?

Hier ist das Risiko über 10 bis 20 Jahre um bis zu 20 Prozent erhöht. ­Allerdings ist das Lymphomrisiko bei Auto­immunerkrankungen generell in dieser Größenordnung gesteigert. Worin besteht die Basistherapie bei anderen chronischen entzündlichen Gelenk-erkrankungen, z.B. Morbus Bechterew oder Psoriasisarthritis? Müller-Ladner: Die Gelenkentzündung wird hier im Prinzip ähnlich wie bei der RA behandelt. Bei den entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen sind MTX und Leflunomid allerdings weitgehend wirkungslos. Gegen die Psoriasisarthritis kamen aus der Dermatologie weitere Substanzen dazu: der IL-12/IL-23-Hemmer Ustekinumab, der IL-17-Hemmer Secukinumab und der Phosphodiesterase-4(PDE-4)-Hemmer Apremilast.

Anhand welcher laborchemischer Parameter überwacht man die Krankheits­aktivität bei RA?

Wir bestimmen die Entzündungswerte CRP und BSG sowie klinische Aktivitätsscores wie DAS28. In diesen Score gehen neben der Zahl der schmerzhaften Gelenke auch Entzündungsparameter ein. Problem ist, dass trotz niedrigem Score eine kleine Zahl stark entzündeter ­Gelenke ­übrigbleiben kann und man die Therapie trotz niedrigem Gesamtscore intensivieren muss. Eine Alternative ist die lokale Injek­tion von Kortikoiden in die noch entzündeten Gelenke, aber das kann man nicht oft wiederholen.

Welche spezielle Botschaft haben Sie als Rheumatologe an Hausärzte?

Greifen Sie nicht einfach zum Kortikoid, wenn Sie den Verdacht auf eine rheumatologische Erkrankung haben. Auch wenn internistische Rheumatologen rar sind – holen Sie Rat von einem Fachkollegen ein. Mit einer Kortikoidtherapie hat man zwar schnell Erfolg gegen die Schmerzen, aber erschwert möglicherweise die ­(Differenzial)diagnostik. Ebenfalls ein Fall für den Rheumatologen sind unerklärliche Symptome, die unter einer immunsuppressiven Basistherapie auftreten, denn das Raritätenkabinett der Rheumatologie ist groß.

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